Ausbildung : Flüchtlinge als Lehrlinge: "Ist es kein großes Anliegen, tut man sich das nicht an"
Es gebe zwei Gründe, warum Schinko Flüchtlinge als Lehrlinge beschäftigt: "Wir brauchen Fachkräfte und wir haben gesellschaftliche Verantwortung", sagt Schinko-Geschäftsführer Gerhard Lengauer. Doch man sei kein "Sozialverein", denn beide Seiten ziehen Vorteile aus einer Beschäftigung.
14 Lehrlinge arbeiten beim oberösterreichische Gehäusetechniker Schinko, vier davon sind Flüchtlinge aus Syrien, Ghana, Somalia und dem Irak. "Es war uns ein Anliegen, jungen Männern unter 25 eine Chance zu geben, damit sie arbeiten können", erklärt Lengauer.
"Bürokratischer Wahnsinn"
Doch einfach sei es nicht, Flüchtlinge in ein Lehrverhältnis zu bringen. Nach einer Veranstaltung der Wirtschaftskammer im Haus hätten sich einige junge Flüchtlinge für ein Volontariat bei Schinko beworben, vier wurde nach dem freiwilligen Praktikum auch eine Lehrstelle angeboten.
Der Ablauf sei aber sehr bürokratisch: "Das Prozedere ist sehr aufwendig, ein bürokratischer Wahnsinn sozusagen. Man wird zwar mit jedem Mal schneller, muss aber doch einige Stunden aufwenden", so der Geschäftsführer.
Wenn man keine "Geißelungsfähigkeit" habe und das Thema kein großes Anliegen sei, tue man sich das als Unternehmer "niemals an", so Lengauer. Man brauche aber neben dem Willen auch die Kapazitäten, alles durchzuarbeiten – Stichwort Bürokratie.
Auch KTM hat sich nach der großen Flüchtlingsbewegung im Jahr 2015 darum bemüht, fünf Geflüchteten Lehrlingsplätze anzubieten, und auch KTM spricht von einem „bürokratischen Spießrutenlauf“, wie es CFO Viktor Sigl formuliert. Letztlich habe KTM zwei Lehrlinge aufgenommen, einer hat die Lehre schließlich beendet, der andere sei mit seiner Familie weitergezogen. „Das Hauptproblem waren die sprachlichen Barrieren“, erklärt Sigl: „Unsere Lehrlingsausbilder sprechen natürlich nicht alle Sprachen, und so war die Ausbildung nicht einfach.“
Negativer Asylbescheid
Bei Schinko haben die Lehrlinge aus Syrien, Ghana und Somalia bereits einen positiven Asylbescheid, Ali Al Nuaimi aus dem Irak allerdings, der derzeit die Lehre als Metall-/Blechtechniker absolviert, droht mit einem negativen Asylbescheid die Abschiebung. Schinko hat sich daraufhin als erstes Industrieunternehmen öffentlich zum Thema zu Wort gemeldet: "Es ist Wahnsinn, Leute abzuschieben, die bereits hier leben, super integriert sind und von uns mit viel Aufwand toll ausgebildet werden", so Lengauer in einer Aussendung.
Schinko habe nun in erster Instanz Einspruch erhoben und warte auf die Entscheidung der Berufung. Einen negativen Asylbescheid könne man zeitlich verschieben, doch aufhalten wohl nicht: "Ich könnte überspitzt sagen: Ein geflüchteter Lehrling mit negativem Asylbescheid könnte sofort morgen abgeschoben werden".
Firmengründer Michael Schinko sieht darin einen schweren Fehler. "Es ist bekannt, dass in Oberösterreich 30.500 Fachkräfte fehlen. Deshalb bilden wir auch gezielt junge engagierte Menschen dahingehend aus. In Berufen, wo Nachwuchs dringend benötigt wird." Lengauer ergänzt: "Wir finden es schräg, Leute ins Land zu lassen, auszubilden und dann wieder wegzuschicken. Es ist für die Menschen toll, mit einer guten Ausbildung wieder nach Hause zu gehen, aber natürlich nicht für das Unternehmen. Wir sind, wie gesagt, kein Sozialverein."
Ist das Thema Migration in der heimischen Industrie angekommen?
Auch wenn heimische Unternehmen teilweise große Probleme haben, passende Fachkräfte zu finden, ist es für die meisten keine Lösung, Flüchtlinge als Lehrlinge auszubilden. Bei Lenzing etwa habe man sich für das Thema interessiert, doch niemand passenden gefunden. Auch bei Amag oder Siemens arbeiten, wie das INDUSTRIEMAGAZIN auf Anfrage erfuhr, keine Flüchtlinge als Lehrlinge.
Auch Internorm beschäftigt keine Flüchtlinge als Lehrlinge: "Das ist für uns momentan kein relevantes Thema, es hat sich einfach nicht ergeben. Wir bekommen noch Lehrlinge in guter Qualifikation", erklärt Geschäftsführerin Anette Klinger. Es habe zwar hin und wieder Anfragen zur Beschäftigung von Flüchtlingen gegeben, es habe sich aber bisher noch nie zu einer Beschäftigung entwickelt. "Es gab immer Gründe, die dagegen sprachen - meist vonseiten der Interessenten - etwa was die schwierige Anreise betrifft", so Klinger weiter.
Migration ist nur ein Teil der Lösung
Bei einer Umfrage des Market-Instituts zum Zugang von Asylwerbern zur Lehre in Mangelberufen war über die Hälfte der Befragten dafür, Asylwerber zur Lehre in Mangelberufen zuzulassen, 32 Prozent waren dagegen. Werner Steinecker, Generaldirektor der Energie AG Oberösterreich, plädiert aber eher dafür, ein neu definiertes System der Rotweißrot-Karte zu schaffen. „Die Rotweißrot-Card funktioniert bei Studierenden und Maturanten, da muss es doch auch eine Lösung für Lehrlinge geben“, sagte er am Rande einer Pressekonferenz zur Zukunft der Lehre.
Doch könnte die Beschäftigung von Flüchtlingen als Lehrlinge die Lösung für den Facharbeitermangel sein? "Es ist ein Teil", sagt Schinko-Geschäftsführer Gerhard Lengauer. Anette Klinger wiederum sieht hierin keine Lösung, "in unserer Region ist es noch nicht so das Thema". Die oft schlechte öffentliche Anbindung am Land sei sicherlich eine Hürde, heißt es auch bei Lenzing.
Es gibt auch Industriebetriebe, die zu dem Thema gar nicht Stellung beziehen wollen – auch nicht auf die Frage, ob sie überhaupt Flüchtlinge als Lehrlinge beschäftigen oder nicht. Nur so viel war auf Anfrage des INDUSTRIEMAGAZIN zu erfahren: "Wir können nicht unterscheiden, ob wir Lehrlinge mit oder ohne Migrationshintergrund oder Geflüchtete beschäftigen. Wir nehmen immer die besten, wir können es uns als internationales Unternehmen auch nicht leisten, hier zu trennen."
"Wenige haben durchgehalten"
Es gebe in der Region einige Unternehmen, die sich engagieren und informieren, so Schinko-Geschäftsfhürer Lengauer: "Ich bin in vielen Gremien und sehe, wie schwierig es bei anderen Unternehmen ist. So etwa im Baubereich: Ein Maurer ist kein Mangelberuf, die haben gleich aufgegeben." Viele andere hätten sich die Bürokratie und den Kampf gegen das System nicht angetan. 2017 habe sich die Stimmung ohnehin gedreht, dann wurde es schwieriger für Unternehmen. "Ganz wenige haben das durchgehalten, einige Gastronomiebetriebe zum Beispiel. In anderen Branchen gibt es keine Mangelberufe – und damit auch kein Volontariat." Gerhard Lengauer jedenfalls würde "derzeit keinen mehr aufnehmen".