29 Euro bis Berlin : Fernbus-Anbieter drängen nach Österreich

Nachdem im Juni MeinFernbus, derzeitiger Marktführer in Deutschland, neue Verbindungen für Österreich präsentiert hat, zieht nun Mitbewerber FlixBus nach: Gemeinsam mit dem österreichischen Busunternehmen Blaguss wird für Direktverbindungen zwischen Österreich und Deutschland kooperiert.

Das verstaubte Image längst abgelegt, gewinnen Fernbuslinien zunehmend an Attraktivität. Vor allem preisgünstige Direktverbindungen werden immer beliebter. Das hat auch Blaguss erkannt und bringt in der Allianz mit dem deutschen Start-Up FlixBus seine Erfahrung am österreichischen Markt ein.

Von Wien nach Berlin um 29 Euro

Mit 17. Juli startet die Linie von Wien über Prag und Dresden nach Berlin - ab 29,00 Euro. Anfang August wird es eine weitere Verbindung, ebenfalls ab 29,00 Euro, über Regensburg, Nürnberg, Würzburg und Frankfurt nach Mainz geben.

Kunden sollen vor allem durch günstige Preise und kurze Fahrtzeiten angelockt werden: Die Fahrt von Wien nach Berlin wird zwischen 8,5 und 9 Stunden dauern, mit der Bahn braucht man rund eine halbe Stunde länger.

Im Preis inbegriffen sind Sitzplatzgarantie, gratis WLAN und die Mitnahme von zwei Gepäckstücken - damit könnten Fernbusse zukünftig auch Fluglinien Konkurrenz machen. Tickets sind ab sofort auf flixbus.at und in allen Blaguss-Verkaufsstellen erhältlich.

Mit freiwilligen Umweltbeiträgen können Fahrgäste ihren Teil zur CO2-Kompensation beitragen und quasi klimaneutral reisen. "Zwischen 10 und 20 Prozent unserer Kunden nutzen dieses Angebot bereits", so André Schwämmlein, Geschäftsführer von FlixBus.

Liberalisierung des Bahnmonopols in Deutschland

Die Wiederbelebung der Fernbusreisen geht vor allem auf die Liberalisierung des Bahnmonopols in Deutschland 2013 zurück, die zu einer regelrechten Revolution im deutschen Verkehrswesen geführt hat.

Bis dahin hatte die Deutsche Bahn ein Monopol bei Fernbusreisen. Bezüglich des Bahnmonopols in Österreich sieht Thomas Blaguss, Geschäftsführer von Blaguss, "noch kein Licht am Horizont".

Busbahnhof Wien hat so viel Passagiere wie Flughafen Salzburg

Dennoch fertigt der private Busbahnhof VIB Wien jährlich rund 1,6 Mio. Linienbuspassagiere ab - so viel wie der Flughafen Salzburg. Die Blaguss Flotte ist mit 341 Bussen in Europa aktiv und legt jährlich 26,3 Millionen Kilometer zurück.

Der deutsche FlixBus befördert zwischen Berlin und Wien aktuell 20.000 Passagiere pro Jahr und will diese Zahl in den nächsten Jahren verzehnfachen. Das Start-Up kooperiert mit mittelständischen Busunternehmen, die Flotte umfasst derzeit 180 Partner-Busse. (apa/pm)

Grün, blau oder gelb - auf Deutschlands Autobahnen ist es seit der Öffnung des Fernbusmarktes noch bunter geworden. Rund 40 Anbieter buhlen gut eineinhalb Jahre nach der Liberalisierung um Kunden. Das Angebot boomt. Mittlerweile steuern grüne Busse vom Marktführer MeinFernbus, blaue Flixbusse oder gelbe Post/ADAC-Gefährte insgesamt mehr als 200 Städte an.

Vor allem junge Menschen und Senioren nutzen die Busse als günstige Alternative zu Bahn, Flugzeug oder eigenem Auto. Aber trotz des Booms verdienen die Fernbus-Anbieter kein Geld. Höhere Preise sind wegen des starken Wettbewerbs schwer durchzusetzen. Um rentabel zu arbeiten, könnten sich Unternehmen zusammenschließen. Vielleicht bleiben aber einige Betreiber auch auf der Strecke.

So stand etwa schon der ADAC Postbus Insidern zufolge auf der Kippe. Die Passagierzahlen hätten die eigenen Erwartungen nicht erfüllt. Nun versucht das erst im November gestartete Partnerunternehmen mehr Kunden über eine Verdopplung der angefahrenen Städte auf 60 zu locken. Der Postbus ist der viertgrößte Anbieter, der Marktanteil gemessen an den angebotenen Fahrplankilometern sank jedoch einer Studie des Forschungs- und Beratungsinstituts IGES zufolge auf 8,5 Prozent von noch zwölf Prozent Anfang April.

MeinFernbus baute seine Marktführerschaft von 37,9 auf 42,3 Prozent aus, gefolgt von dem Unternehmen Flixbus, das von 17,6 auf 21,4 Prozent zulegte. Marktanteil eingebüßt hat das Bus-Angebot der Deutschen Bahn (BerlinLinienBus und IC Bus). Anfang Juli lag dieser bei 14,8 Prozent nach 17,5 Prozent Anfang April.

Zum Schutz der Bahn waren Fernbuslinien in der Vergangenheit bis auf wenige Ausnahmen in Deutschland verboten. Anfang 2013 wurde der Markt dann fast völlig freigegeben. Damit erhielt die Bahn auf praktisch allen Strecken Konkurrenz. Im vergangenen Jahr fuhren laut Bundesverband Deutscher Omnibusunternehmer (bdo) schon neun Millionen Passagiere mit einem Fernbus. Im Vergleich zu den 131 Millionen Fahrgästen der Bahn oder 181 Millionen Passagieren der Fluglinien ist das noch ein kleiner Anteil. Aber der Markt wächst stetig, wie Christoph Gipp, Bereichsleiter Mobilität am IGES, konstatiert: "Es ist damit zu rechnen, dass insbesondere Verbindungen in mittlere Städte noch zunehmen, das zeigt der Trend der letzten Monate."

Flixbus beziffert die durchschnittliche Auslastung seiner Busse mit mehr als 50 Prozent. Geschäftsführer Andre Schwämmlein schwärmt: "2013 haben wir unser Angebot auf knapp 40 Linien zu rund 100 Zielen mit 600 täglichen Verbindungen verzehnfacht." Auch der kleinere Konkurrent City2City glaubt an Wachstum: "Wir rechnen damit, dass das Marktpotenzial im Fernbus-Bereich innerhalb der kommenden fünf Jahre bei 300 bis 600 Mio. Euro jährlich liegen wird", heißt es bei dem Anbieter. Diese Erlöse gehen teils zu Lasten der Deutschen Bahn. Konzern-Vorstand Ulrich Homburg zufolge wurden etwa 44 Prozent der Bus-Fahrgäste der Bahn abspenstig gemacht. Er rechnet deshalb 2014 mit mehr als 50 Mio. Euro weniger Umsatz und Gewinn. 2013 seien es etwa 20 Mio. Euro gewesen. Gemessen am Gesamtumsatz der Bahn von 39 Mrd. Euro ist dies aber relativ wenig.

Andere sehen vor allem das Auto auf der Verliererspur. "Nach Einschätzung unserer Unternehmer sind 70 Prozent der Fernbus-Nutzer junge Leute, die früher oft mit der Mitfahrzentrale unterwegs waren oder einen Pkw haben, mit dem sie nicht viele Kilometer zurücklegen wollen", sagt bdo-Sprecher Schröter. 30 Prozent der Passagiere seien ältere Menschen, die Zeit zum Reisen hätten und nicht kompliziert umsteigen wollten. Andere Umfragen zeigten, dass über 50 Prozent der Fernbus-Nutzer früher mit dem Auto gefahren seien. Viele Passagiere sind auch solche, die vorher wegen der Kosten gar nicht gereist sind.

Fahrten in Fernbussen können günstiger angeboten werden als Bahnreisen - die Anbieter bezifferten den Preisvorteil auf bis zu 80 Prozent. Von Frankfurt nach Berlin kann man für 17 Euro fahren. Auch in puncto Umweltfreundlichkeit schnitten die neuen Busse im Vergleich zu anderen Reisemitteln am besten ab, erläutert bdo-Sprecher Schröter. Ihre Anschaffung sei aber teuer, deshalb schrieben die Anbieter noch Verluste. "Nach unseren Informationen fährt noch kein Unternehmen profitabel", sagt Schröter unter Berufung auf die jüngste Konjunkturumfrage. MeinFernbus will in diesem Jahr schwarze Zahlen schreiben und auch Flixbus-Chef Schwämmlein peilt die Gewinnschwelle an.

Für Schröter ist dennoch klar, dass auf Dauer die günstigen Preise nicht zu halten sein werden. "Das Reisen mit dem Fernbus wird deutlich teurer werden müssen." Wegen des großen Wettbewerbs dürfte es aber schwer sein, im Alleingang die Preise anzuheben. "Es steht zu befürchten, dass ein Wettbewerber, der die Preise anhebt, vom Markt verschwindet." Ein Mittel dagegen sind Kooperationen: Schon jetzt sind unter den gut 40 Anbietern am Markt eine Handvoll große Holdings, wie MeinFernbus oder BerlinLinienbus, unter denen mittelständische Unternehmen auf eigenes Risiko fahren. Die Kosten für Verwaltung oder Buchung können so minimiert werden.

IGES-Experte Gipp beobachtet ebenfalls, dass kleinere Betreiber zunehmend mit großen Anbietern zusammenarbeiten. Angesichts des geringen Preisniveaus - der Umsatz je Fahrgast und Kilometer liege zwischen vier und neun Cent - sei aber auch nicht auszuschließen, dass einzelne Verbindungen eingedampft oder Strecken ganz aufgegeben würden. "Es bleibt abzuwarten, ob sich dadurch mittelfristig auch größere Betreiberfirmen vom Fernbusmarkt distanzieren oder eine Lösung in einer Kooperation mit Konkurrenzanbietern suchen", so Gipp. (reuters/apa/pm)