Industriewandel Niederösterreich : Die Transformation muss gelingen

Zwei Lehrlinge bei der Arbeit

„Trotz der angespannten Lage in vielen Unternehmen wird eisern an der fundierten Lehrlingsausbildung festgehalten.“

- © Wachsmann Verlag Metadynea Austria GmbH

Niederösterreichs Industrielandschaft steht vor bedeutenden Herausforderungen, die gleichzeitig aber enorme Chancen bieten. Inflation, hohe Energiepreise, Fachkräftemangel, eine schwächelnde Wirtschaft und überbordende EU-Regularien sind ein toxischer Cocktail, der für Katerstimmung sorgt. Wasserstoff könnte ein Teil der Lösung sein, der eine Transformation anstößt, die längst überfällig ist. Denn die drohende Abwanderung von Industriebetrieben stellt eine ernste Bedrohung dar und macht deutlich: Diese Transformation muss gelingen!

Betriebsabwanderungen kosten

"Laut einer Studie des Industriewissenschaftlichen Instituts (IWI) trägt die Industrie signifikant zur regionalen Wertschöpfung bei. Direkte Effekte umfassen die Schaffung von Arbeitsplätzen und die Steigerung des regionalen Bruttoinlandsprodukts. Indirekte Effekte reichen von der Stärkung lokaler Zulieferer bis hin zur Unterstützung des Dienstleistungssektors oder sozialem Engagement“, erklärt Helmut Schwarzl, Spartenobmann der WKNÖ-Industrie.

Es besteht Handlungsbedarf

„Eine Abwanderung von Industriebetrieben aus Niederösterreich wird besonders in internationalen Konzernen diskutiert. Dies würde verheerende Folgen haben. „Wenn wir nicht sofort handeln, könnten Tausende von Arbeitsplätzen verloren gehen, und unsere lokale Wirtschaft stark beeinträchtigen. Der Verlust von Industriebetrieben würde eine Kettenreaktion auslösen, die von steigenden Arbeitslosenzahlen bis hin zum Verlust von Steuereinnahmen reicht, die wesentliche öffentliche Dienstleistungen und Infrastrukturprojekte finanzieren“, warnt Alexander Schrötter, Spartengeschäftsführer der WKNÖ-Industrie im Gespräch. Spartenobmann Schwarzl ergänzt: „Die Unternehmen schätzen den Standort Niederösterreich sehr und wir wollen gemeinsam mit der Politik daran arbeiten, die Rahmenbedingungen rasch so zu gestalten, dass wir unseren Beitrag am Wohlstand des Landes leisten.“

Fotograf, Gerald Lechner, Hallenbau, Hans Brantner, Industrie, Industriefotograf, Metall, Metallindustrie
Die energieintensive Industrie in Niederösterreich steht aufgrund hoher Kosten im internationalen Vergleich vor Herausforderungen. - © Herr & Frau Lechner

Das transformative Potenzial von Wasserstoff

Gleichzeitig eröffnet die Nutzung von Wasserstoff als saubere Energiequelle neue Möglichkeiten für die industrielle Produktion. Wasserstoff kann auf vielen Ebenen einen wesentlichen Beitrag zur Dekarbonisierung leisten. Der neue Online-Wegweiser für Industriebetriebe in Nieder- und Oberösterreich, entwickelt in Zusammenarbeit mit dem Energieinstitut der Johannes-Kepler-Universität in Linz, erleichtert es Unternehmen, Wasserstofftechnologien zu evaluieren und zu implementieren.

Bewusstsein schaffen

„Wir wollen bei den Unternehmen Bewusstsein dafür schaffen, sich das Thema Wasserstoff näher anzusehen. Viele Unternehmen könnten auf dem Weg zur CO2-Neutralität von der Nutzung enorm profitieren. Wir sind vom Export abhängig und müssen deshalb alles daran setzen, unsere Wirtschaftskraft zu erhalten und Möglichkeiten aufzuzeigen, wie die Industrie vom Wandel profitieren kann. Wie diese Transformation gelingen kann, zeigt das Engagement der Industrie im Bereich Lehrlinge. Trotz der angespannten Lage in vielen Unternehmen wird eisern an der fundierten Lehrlingsausbildung festgehalten. Die Industrie bildet so die Fachkräfte der Zukunft aus und sorgt nachhaltig für hohe Qualität und Zukunftsperspektiven. Wir müssen dafür die bestmöglichen Rahmenbedingungen schaffen und so die Zukunft der Industrie in Niederösterreich sichern“, meint Helmut Schwarzl.

Helmut Schwarzl Portraitbild
WKNÖ-Industrie Spartenobmann Helmut Schwarzl unterstreicht die Bedeutung des Industriestandortes Niederösterreich und betont die Dringlichkeit passende Rahmenbedingungen zu schaffen. - © WKNÖ

Maßnahmen umsetzen

Um die industrielle Basis Niederösterreichs weiter zu stärken und den Übergang zu nachhaltigen Energien zu erleichtern, hat die WKNÖ sieben Forderungen formuliert:

  1. Förderung eines tieferen Verständnisses für den Industriestandort
    In der Standortpolitik Niederösterreichs ist es von Bedeutung, kleinere Unternehmen durch zielgerichtete Unterstützungsmaßnahmen zu fördern und die Niederlassung großer, internationaler Konzerne zu begünstigen. Es ist von essenzieller Bedeutung, dass Unternehmen verschiedener Größenordnungen als gleichwertige Pfeiler der Standortpolitik betrachtet werden.

  2. Entlastung des Arbeitsfaktors
    Österreich weist im europäischen Vergleich die viertgrößte Belastung des Faktors Arbeit durch Lohnnebenkosten und Lohnsteuer auf. Trotz signifikanter Lohnerhöhungen in den letzten Jahren bleibt die Produktivitätsentwicklung hinter der anderer EU-Staaten zurück. Eine Reduzierung der Lohnnebenkosten ist somit unerlässlich, um die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts zu steigern. Es ist entscheidend, alle verfügbaren finanziellen Ressourcen zur Senkung dieser Kosten einzusetzen und durch strukturelle Reformen neue Möglichkeiten zu erschließen.

  3. Transformation als vorrangiges öffentliches Anliegen
    Zukünftig müssen entsprechende Maßnahmen als vorrangiges öffentliches Interesse in der Gesetzgebung verankert werden. Dies ist der einzige Weg, um die allzu häufigen Verzögerungen durch langwierige Genehmigungsprozesse zu vermeiden. Derzeit dauern UVP-Verfahren im Durchschnitt 20 bis 22 Monate. Eine Beschleunigung dieser Verfahren ist essenziell, um die Klimaziele der EU realistisch zu erreichen.

  4. Gestaltung wettbewerbsfähiger Energiebedingungen
    Die energieintensive Industrie in Niederösterreich steht aufgrund hoher Kosten im internationalen Vergleich vor Herausforderungen. Es ist daher nicht verwunderlich, dass Energiesicherheit und hohe Energiekosten häufig als Gründe für die Verlagerung von Standorten angeführt werden. Gefordert ist die Verlängerung des Strompreiskostenausgleichsgesetzes bis 2030, analog zu Maßnahmen, die in anderen EU-Mitgliedstaaten bereits realisiert wurden, sowie die zügige Umsetzung von EU-Verfahrensvereinfachungen und -beschleunigungen in Österreich.

  5. Bürokratie abbauen
    Die umfassende Bürokratie und hohe Regulierungsdichte stellen für viele Betriebe eine erhebliche Belastung dar. Es ist an der Zeit, längst fällige Reformen umzusetzen und auf unnötige bürokratische Hindernisse zu verzichten, um die unternehmerische Freiheit in Österreich zu stärken. Es braucht: langfristige Rahmenbedingungen für Planungssicherheit, Festlegung von Förderkriterien, Reduzierung von Berichtspflichten sowie Beschleunigung von Beihilfen- und Genehmigungsverfahren.

  6. Technologieoffenheit fördern
    Die Bereitschaft, sich für verschiedene technologische Ansätze zu öffnen, ist entscheidend für den Klimaschutz, da sie durch den damit verbundenen Wettbewerb zu signifikanten Innovationen führt. Aus diesem Grund spricht sich die Sparte Industrie gegen Technologieverbote aus. Auch bei der Rückverstromung ist es wichtig, technologieoffen zu bleiben, wobei ein Mix aus Brennstoffzellen, Gasmotoren und Gasturbinen sinnvoll erscheint.

  7. Erweiterung der Infrastruktur
    Ein effizienter Ausbau der Infrastruktur ist für die Industrie von großer Wichtigkeit. Der Ausbau der wirtschaftsnahen Infrastruktur, insbesondere des Breitbandnetzes, in Niederösterreich muss konsequent und schnellstmöglich fortgesetzt werden.