Logistik : DHL-Studie: 5 Szenarien für die Logistik der Zukunft
Die Studie beschreibt fünf weitreichende, bisweilen radikale Visionen vom Leben im Jahr 2050. Allen Szenarien gemein ist eine stark veränderte Rolle der Logistik: Zwar steigt der Bedarf an Logistikdienstleistungen in den meisten der fünf Alternativen. Die konkreten Anforderungen an und speziellen Herausforderungen für die Logistiker der Zukunft weichen dagegen je nach Szenario stark voneinander ab. Szenario 1: Zügelloses Wachstum – drohender Kollaps Die Welt wird vom allgegenwärtigen Massenkonsum geprägt. Natürliche Ressourcen werden ungehemmt ausgebeutet. Der Klimawandel schreitet weiter voran und Naturkatastrophen häufen sich. In einer von ungezügeltem Wachstum geprägten Welt wird die Nachfrage nach Logistik- und Transportleistungen stark ansteigen. Ein globales Transportnetz ermöglicht einen raschen Güteraustausch zwischen den unterschiedlichen Konsumzentren. Der fortschreitende Klimawandel sorgt jedoch für erschwerte Bedingungen, es kommt zu wiederholten Lieferunterbrechungen und damit zu erhöhten Anforderungen für die Logistikunternehmen. Szenario 2: Megaeffizienz in Megastädten ‚Megacities’ sind zu den zentralen Kraftzentren der Welt aufgestiegen. Sie sind sowohl Haupttreiber als auch größte Gewinner eines Paradigmenwechsels hin zu „grünem“ Wachstum. Den Herausforderungen der expandierenden städtischen Strukturen – z.B. Verkehrsüberlastung und Luftverschmutzung – begegnen die Megastädte mit Kooperationen. Die Robotertechnik hat die Produktions- und Dienstleistungswelt revolutioniert. Die Verbraucher haben ihre Konsumgewohnheiten verändert: Produkte werden eher gemietet als gekauft. Hocheffiziente Verkehrskonzepte haben die Verkehrsbelastung reduziert. Ein globales Transportnetz mit Mega-Transportmitteln – Lastwagen, Schiffen und Flugzeugen – sowie neuartigen Raumtransportern gewährleistet Handelsverbindungen zwischen den globalen Megastädten. Der Logistikindustrie wird die Steuerung der Städtelogistik und städtischen Versorgung genauso anvertraut wie die Abwicklung der Systemleistungen für Flughäfen, Krankenhäuser und Einkaufszentren.
Szenario 3: Individualisierte Lebensstile Dieses Szenario beschreibt eine Welt, in der Individualisierung und personalisierter Konsum den Alltag beherrschen. Konsumenten erfinden, gestalten und produzieren ihre Produkte selbst. Neu entwickelte 3D-Drucker spielen dabei eine entscheidende Rolle. Diese Entwicklung führt zu einem Anstieg der regionalen Handelsströme – nur Rohstoffe und Daten gehen weiter um die Welt. Flankiert werden Individualisierung und regionale Produktionsstrukturen von dezentralen Energie- und Infrastruktursystemen. Aus Sicht der Logistikindustrie führt die Lokalisierung der Wertschöpfungsketten zu einem drastisch geringeren Bedarf für Ferntransporte fertiger und halbfertiger Produkte. Dafür organisieren Logistikanbieter nun komplette physische Wertschöpfungsketten und kanalisieren die verschlüsselten, zur Übertragung der Konstruktions- und Designvorlagen für 3D-Drucker benötigten Datenströme. Aufgrund der dezentralen Produktion entwickeln sich schlagkräftige regionale Logistikressourcen und ein hochklassiges Transportnetz für die letzte Meile zum Kunden zu kritischen Erfolgsfaktoren. Szenario 4: Lähmender Protektionismus Dieses Szenario beschreibt eine Welt, in der die Globalisierung – ausgelöst durch wirtschaftliche Not und im Zuge eines ausgeprägten Nationalismus und Protektionismus – wieder rückgängig gemacht worden ist. Die technologische Entwicklung stagniert. Hohe Energiepreise und dramatische Ressourcenknappheit schüren internationale Konflikte über Rohstoffvorkommen. Für die Logistikindustrie stellen der Rückgang des Welthandels und die damit verbundene Regionalisierung der Lieferketten große Herausforderungen dar. Regierungen betrachten die Logistik als strategischen Wirtschaftszweig. Vor dem Hintergrund der angespannten Beziehungen zwischen einigen Blöcken und Ländern treten Logistikanbieter blockfreier Länder als Vermittler im internationalen Handel auf. Szenario 5: Globale Widerstandsfähigkeit – lokale Anpassung Eine günstige, automatisierte Produktion hat den Konsum zunächst angekurbelt. Die im Zuge des schneller fortschreitenden Klimawandels gehäuft auftretenden Naturkatastrophen haben jedoch zu Störungen in den gestrafften Produktionsstrukturen und dadurch zu Lieferengpässen geführt. Im Mittelpunkt des neuen ökonomischen Paradigmas steht daher nicht mehr die Effizienzmaximierung, sondern die Schaffung robuster Strukturen. Durch diesen radikalen Schritt in Richtung redundanter Produktionssysteme und regionalisierter statt globaler Lieferketten kann die Weltwirtschaft schwierige Zeiten besser überstehen. Die sicherheitsbewusste Welt des Jahres 2050 mit ihren regionalen Handelsstrukturen braucht Logistikanbieter, die vor allem die Versorgungssicherheit gewährleisten. Eine leistungsstarke Reserveinfrastruktur garantiert auch in instabilen und gefährlichen Zeiten eine zuverlässige Transportabwicklung. Anstelle komplexer Just-in-time-Lieferprozesse setzt die Industrie auf riesige Lagerstandorte in der Nähe der Produktionsstätten als unverzichtbaren Puffer. (red)