IM-Techniktest : Das Multimeter-Universum

Multimeter-Test Werk und Technik 4/2013
© Wegscheidler

Bevor der Test beginnt, erzählt Gottfried Weidacher noch schnell eine Anekdote. Früher, sagt der Werkmeister, der an der Fachhochschule Joanneum in Graz arbeitet, war die Wahl eines Multimeters ganz einfach. Jedenfalls eines digitalen. „Als die ersten dieser Geräte gebaut wurden, sind die Verkäufer in die Firmen gekommen und haben lange erzählt, was diese neuen Dinger so können. Und dann haben sie das Gerät einmal aus zwei Metern Höhe fallen lassen oder gegen die Wand geworfen. Sie funktionierten dann immer noch.“

Im Vergleich zu analogen Multimetern, die man wie rohe Eier behandeln musste, war das ein kaum zu übertreffendes Verkaufsargument. Heute ist freilich nicht jenes Multimeter das beste, das die größte Fallhöhe überlebt. Die Welt ist eben kompliziert geworden.

Wir haben uns daher in Zusammenarbeit mit den Messtechnik-Spezialisten am Studiengang Fahrzeugtechnik der Grazer FH Joanneum acht Profigeräte einem ausführlichen Test unterzogen. Und festgestellt: Die Geräte können was, auch wenn jedes von ihnen ein bisschen anders ist. (Alle Ergebnisse des Tests finden sie hier) Um ein Mindestmaß an Vergleichbarkeit zu gewährleisten, hat das Test-Team um Thomas Lechner den Herstellern einige Rahmenbedingungen vorgegeben, die erfüllt werden mussten, damit ein Gerät am Test teilnehmen kann: Es sollten digitale Handmultimeter sein, die sich für industrielle Anwender eignen. Außerdem haben wir als weitere Spezifikationen True RMS, also Echteffektivwertmessung, auch bei Frequenzen ungleich 50 Hz, und Autorange vorgegeben und den Preis eingeschränkt. In einem groben Rahmen zwischen 200 und 400 Euro sollten die Kandidaten liegen, mit einem Toleranzrahmen von zehn Prozent. Eine Vorgabe, die eingehalten wurde: Das günstigste Modell im Testfeld, Beha Amprobe 38 XR-A, hat einen unverbindlich empfohlenen Richtpreis von 192 Euro exklusive Mehrwertsteuer, das teuerste, Sanwa PC 7000, geht um 439 Euro über den Ladentisch.

Unsere Tester haben den Herstellern Vorschläge gemacht, welche Modelle sie testen möchten, wenn von den Firmen andere Geräte angeboten wurden, die den Testanforderungen entsprachen, haben wir diese Geräte ebenfalls in Betracht gezogen. Einige Firmen, wie Gossen-Metrawatt, Fluke oder Agilent, haben gleich mehrere Multimeter eingereicht. Wir haben uns entschlossen, dennoch nur ein Gerät pro Hersteller in den Test aufzunehmen.

Vor allem für Fluke war das ein wenig bitter. Gerade der Messtechnik-Platzhirsch hat in letzter Zeit eine ganze Reihe spannender Neuerungen auf den Markt gebracht, die aber entweder nicht wirklich in unsere Testspezifikationen passten oder vom Preis her den Rahmen sprengten. Zwei davon wollen wir wenigstens erwähnen. Das Fluke 233 mit abnehmbarem Display, eine gute Idee, um die Werte noch bequemer ablesen zu können, und das als ein High-End-Messpaket ausgelegte CNX-GM Kit. In den Test haben wir der Vergleichbarkeit halber allerdings das seit Jahren am Markt befindliche Fluke 179 aufgenommen. Womit für die Glottertaler ein zwar bewährter, aber doch schon leicht angegrauter Klassiker an den Start ging.

Ein Wort noch zur Betreuung durch die Firmen: Sie fiel durch die Bank sehr bemüht und kompetent aus, unabhängig davon, ob das betreffende Unternehmen eine Niederlassung in Österreich hat, uns von Deutschland aus betreute oder über einen Vertriebspartner in Österreich agierte, wie Agilent über das Wiener Unternehmen X-Test. Lediglich um ein Gerät des japanischen Herstellers Sanwa zu bekommen, war mehr Aufwand nötig. Über die Firma Cosinus sind die Geräte aber auch in Europa erhältlich. Nach der Wahl der Geräte ging es ans Testen. Da es sich um einen Multimetertest handelte, war es naheliegend, zunächst einmal zu messen. Wir wollten vor allem eines wissen: Wie genau sind die hübschen Kästchen wirklich? Zu diesem Zweck haben wir zunächst einmal Spannung gemessen. Von einem rückführbar kalibrierten, hochgenauen Spannungsnormal wurden einmal 10 Volt Gleichspannung und einmal 1 Millivolt ausgegeben. Die spannende Frage lautete nun: Wie korrekt werden unsere Testkandidaten die Werte anzeigen? Die Antwort: Ziemlich korrekt.

Bei der Vorgabe von zehn Volt zeigten drei Geräte, nämlich Benning MM7-1, Chauvin Arnoux 5277, und Sanwa PC 7000, den Wert völlig exakt an, die meisten anderen lagen gerade um 0,001 oder 0,002 Volt daneben. Etwas stärker, wenn auch immer noch sehr gering, wichen Fluke 179 und Metrix M26 ab, mit 0,01 bzw. 0,03 Volt. Ähnlich das Bild bei der Millivolt-Messung. Auch hier kaum Ausreißer, bis auf den Metrix M26, der diesen Bereich praktisch nicht mehr messen kann.

Als Nächstes wurde die Stromstärke von 4,000 mA eingestellt und erneut geprüft. Wieder zeigt sich: Die Abweichungen sind minimal. Agilent 1272 A, Fluke 179 und Chauvin Arnoux 5277 treffen den Wert exakt, die anderen weichen nur gering ab.

Der einzige größere Ausreißer ist wieder der Metrix M26 mit 0,1 mA. Der letzte Testpunkt, bevor wir die Geräte in das virtuelle Sibirien einer Kältekammer schickten, war die Überprüfung der Effektivwertmessung oder, wie es ein Tester formulierte: „Wie true ist True RMS?“ Mit einem Signalgenerator wurde eine Wechselspannung mit einer Amplitude von 5 V und 1000 Hz ausgegeben. Misst das Gerät exakt, müsste es mit diesen Konstanten auf einen Wert von 3,54 V kommen. Chauvin Arnoux 5277 schaffte fast die Punktlandung, die anderen wichen ein wenig ab, wobei die größten Abweichungen das Gossen Metrawatt DMM 16 mit 0,57 V und das Fluke mit 0,045 V aufwiesen. Das Zwischenfazit der Labormessungen war somit in seiner Klarheit fast überraschend: Wenn es um Messungen unter Normbedingungen geht, haben alle getesteten Geräte ein nahezu ununterscheidbar hohes Niveau. Nur das Metrix M26 fällt ein wenig zurück, ist dafür aber bei True RMS unerwartet exakt.

Obwohl die Kandidaten denkbar nah beieinanderlagen, kristallisierte sich im Labor doch ein Favorit heraus: das Sanwa PC 7000. Es hatte im Schnitt nicht nur die besten Messergebnisse vorzuweisen, sondern bestach auch durch ein unglaublich gut lesbares Display, sehr handliche Bedienung, ein zweizeiliges Display, die Tatsache, dass es im 4-20mA-Modus automatisch in Prozent skaliert und eine sehr wertige Ausführung. Es ist allerdings auch das teuerste Gerät im Test. Und: Bei diesem Preis hätte der Hersteller dem PC 7000 etwas edlere Leitungen spendieren können.

Nach Sibirien, ihr Multimeter!

Das große Lob für den Japaner gilt allerdings mit einer Einschränkung: Es ist ein Gerät für den Indoor-Einsatz, für Prüfstandtechnik, fürs Labor. Dort wo es rau wird, fühlt er sich nicht so wohl. Und der Einsatz in der Energietechnik wird auch dadurch limitiert, dass das Gerät nur die Klasse CAT III bis 600 Volt aufweist. Dennoch ein klarer Werk-&-Technik-Labor-Tipp! Nachdem die Kältekammer in der Fahrzeugtechnik der FH Joanneum, in der normalerweise ganze Autos frieren dürfen, auf frische minus zehn Grad herunter temperiert wurde, durften die Multimeter rein und eine Zeit später auch die Tester. Dass der Fotograf dabei nur eine sommerleichte Anzugshose anhatte, sei hier am Rande auch erwähnt.

Den ersten Test in der Kälte, nämlich noch einmal die 10-Volt-Gleichspannungsmessung, überstanden alle Geräte noch weitgehend gut. Die Abweichungen waren zwar etwas größer als bei Raumtemperatur, aber nicht wirklich aufregend.

Die Spreu trennte sich vom Weizen, als es ums Handling ging. Der in der warmen Stube so zuverlässige Sanwa PC 7000 erwies sich dabei als besonders bockig. Das Display baute sich nur noch im Schneckentempo auf, die Leitungen gefroren zu zwei steifen Stecken. Nicht viel besser erging es dem Beha Amprobe 38XR-A und dem Benning MM 7-1, die ebenfalls in kältebedingten Winterschlaf verfielen. Durch gutes Handling überzeugte in der Kältekammer hingegen Fluke 179, bei dem sowohl das Display als auch die Leitungen einwandfrei funktionierten. Was allerdings nichts daran ändert, dass die Hintergrundbeleuchtung des Geräts mit zwei seitlichen LEDs einfach nicht mehr zeitgemäß ist. Keine Blöße gab sich bei Minusgraden auch Chauvin Arnoux 5277. Das Display arbeitete flott wie immer, die Leitungen verloren zwar etwas an Geschmeidigkeit, blieben aber gut bedienbar.

Etwas für harte Jungs

Die größte Begeisterung konnte den Testern aber das Handling des Gossen Metrawatt DMM 16 entlocken. Nicht nur, dass das sehr gute, perfekt ausgeleuchtete Display auch in der Kältekammer flott reagierte, das Gerät zeigte auch sonst noch einige Punkte, die es zum Einsatz in unwirtlichen Gegenden prädestiniert macht. Es ist sehr übersichtlich und sehr einfach zu bedienen, auch mit Handschuhen. Gossen Metrawatt hat sich außerdem auch eine Extraeinsparung einfallen lassen, um die Bedienung mit einer Hand zu erleichtern. Schrauben, die man zu einem etwaigen. Batteriewechseln aufdrehen muss, sind gesichert, sodass man sie nicht irgendwo in der Pampa verliert. Obendrein hat der Gossen Metrawatt DMM 16 ein Feature, das durch sein geniale Einfachheit für Begeisterung bei den Testern sorgte: Eine mechanisch funktionierende Abdeckung, die sich mit dem Messbereichsschalter midreht und so verhindert, dass Messleitungen in falsche Büchsen gesteckt werden. Das ist noch besser als das akustische Warnsignal bei Benning MM7-1, das man beim Heulen des Winds (ja, es gibt Leute, die arbeiten draußen!) schon mal überhören kann. Die durchdachte, simple und robuste Ausführung hat, verbunden mit einem sehr bescheidenen Preis (mit 195 Euro das zweitbilligste Gerät im Test), dem Gossen Metrawatt DMM 16 eindeutig den Preis-Leistungs-Tipp eingebracht und eine uneingeschränkte Empfehlung für den Einsatz überall dort, wo Zimperlichkeit fehl am Platz ist.

Soweit der Pflichtteil unseres Tests. Zum Abschluss baten wir aber noch zur Kür. In einem Extradurchgang sollten die Tester die Geräte darauf prüfen, ob sie Besonderheiten aufweisen, die abseits der bereits getesteten Kriterien für einen Kauf sprechen. Bei vielen Geräten wurden sie fündig.

Thomas Lechner, als leidgeprüfter Vortragender mit der Tatsache konfrontiert, dass bei Anfängerkursen die Sicherungen der Geräte wegen falscher Bedienung immer wieder durchbrennen, war zum Beispiel begeistert, wie einfach der Sicherungswechsel beim Agilent 1272 A geht. Wo anderswo lästiges Gefummel angesagt ist, besticht der Amerikaner durch Einfachheit. Gut gefallen hat den Testern auch die beim Beha Amprobe 38XR-A gegebene Möglichkeit, die prozentuelle Skalierung der 4-20mA-Stromschleifenausgabe per Drehrad einzustellen. Bei Sanwa lobten sie die innovative Abdeckung der Infrarotschnittstelle, die mithilfe des Halterungsmagneten bewerkstelligt wird. Viel Zustimmung gab es auch für die wertige Ausführung des Chauvin Arnoux 5277. Auch wenn kritisiert wurde, dass die Knöpfe für die Displaybeleuchtung nicht ganz intuitiv zu finden sind, war man sich klar: Ist die Beleuchtung einmal gefunden, erweist sie sich als ausgezeichnet. Gelungen ist beim Chauvin Arnoux 5277 auch die Bereitschaftstasche mit ihrem sehr wertigen Gürtelklipp und einem ebensolchen Halterungsmagnet. In Verbindung mit stabilen Messwerten und gutem Verhalten in der Kältekammer hat sich der Chauvin-Arnoux daher den Allrounder-Tipp mehr als verdient. Ebenfalls in der engeren Wahl für diesen Tipp: der Agilent 1272 A, gegen den allerdings der höhere Preis spricht.

So haben wir getestet

1. Messtest

Wir testeten die Messung von Spannung und Stromstärke und überprüften die Echteffektivwertmessung. Als Ausgabegerät diente ein rückführbar kalibriertes Normal vom Typ Unomat MCXII.

2. Kältetest

Die Geräte wurden über Nacht in eine Klimakammer bei -10 Grad gelegt. Danach wurde die Messgenauigkeit überprüft und ob das Display rasch reagiert und wie sich die Leitungen verhalten.

3. Handling

Wir achteten auf die Lesbarkeit des Displays und seine Hintergrundbeleuchtung, die Bedienbarkeit der Elemente, wie Drehrad und Knöpfe (auch im Einhandbetrieb) und die Übersichtlichkeit.

4. Features

Bei diesem Punkt haben wir überprüft, ob ein Gerät besondere positive Merkmale hat, die andere Bewerber nicht haben und es sich dadurch von der Konkurrenz abhebt.