Interview : "Das ist nicht meine Wirklichkeit"

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Herr Kern, angesichts der Ermittlungen zu den Umständen der Bestellung von Peter Sidlo zum Finanzvorstand der Casinos Austria: In wieweit sind Sie als Aufsichtsratspräsident der ÖBAG für diese Personalie in ihrem Beteiligungsunternehmen verantwortlich?

Helmut Kern Als Aufsichtsrat der ÖBAG bin ich für die ÖBAG zuständig. Das Verhältnis der ÖBAG zu ihren Beteiligungen - also auch der CASAG - liegt in der Verantwortung des ÖBAG-Vorstands. Das betrifft auch die Aufsichtsratsbestellungen in den Beteiligungen. Hier hat das Präsidium der ÖBAG zuzustimmen. Die Vorstände in den Beteiligungen werden allerdings von den dortigen Aufsichtsräten bestellt. Ich kommentiere daher diesen Fall auch nicht.

Der Alleinvorstand der ÖBAG, Thomas Schmid, gilt als einer der Beschuldigten der Staatsanwaltschaft in der Causa CASAG. Was bedeutet das für die ÖBAG?

Kern Es ist sehr unerfreulich, dass Thomas Schmid in der Angelegenheit als Beschuldigter geführt wird. Aber wir sind erst in der Phase eines Ermittlungsverfahrens. Wir haben im Zug der Nachschau, die bei uns von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft durchgeführt wurde, von diesem Verfahren Kenntnis erhalten. Die ÖBAG ist sehr daran interessiert, dass diese Sache schnell aus der Welt geschafft wird. Thomas Schmid kooperiert voll mit der Gesellschaft und informiert laufend über die Entwicklungen des Verfahrens..

Wird es für Thomas Schmid seitens seines Arbeitgebers Konsequenzen geben?

Kern Wir haben von der Staatsanwaltschaft nicht mehr als den Beschluss zur Nachschau in der Hand. Die darin enthaltenen Vorwürfe gegen Thomas Schmid wurden von uns auch unter Beiziehung externer Anwälte penibel überprüft. Auf dieser Grundlage sehen wir keinen Grund, irgendwelche gesellschaftsrechtlichen, dienstrechtlichen oder sonstigen Maßnahmen gegenüber den ÖBAG-Vorstand zu setzen. Es gibt weder eine Beurlaubung, Dienstfreistellung, Suspendierung noch eine andere Maßnahme. Das ist der aktuelle Stand. Mehr ist dazu nicht zu sagen.

Im Frühjahr wurde Schmid, damals Generalsekretär im Finanzministerium und Mitautor des aktuellen ÖIAG-Gesetzes einstimmig zum Alleinvorstand bestellt. Schon Monate vor seiner Bestellung wurde Schmid in den Medien fix für diesen Job gehandelt. Wie sinnvoll ist dann ein Ausschreibungsverfahren?

Kern Die Bestellung des ÖBAG-Vorstandes erfolgte mit Hilfe eines internationalen Headhunters. Die Bewerber wurden evaluiert und eine Shortlist erstellt. Die darin Genannten mussten sich einem Hearing unterziehen. Thomas Schmid ging aus diesem Verfahren als bester Bewerber hervor.

Wie soll ein gelernter Österreicher unter diesen Umständen an objektivierte Postenbesetzungen glauben?

Kern Da muss ich einige Korrekturen anbringen. Wenn gesagt wird, dass der Name des Vorstandes bekannt gewesen sei, dann ist das falsch. Thomas Schmid ist als Favorit gehandelt worden. Aber das darf kein Ausschließungsgrund sein, sich zu bewerben. Und Thomas Schmid war der beste Bewerber.

Warum sollte sich ein potentieller Job-Interessent an einem Assessment-Verfahren beteiligen, wenn das Rennen bereits gelaufen ist?

Kern Ich wiederhole gerne: Die Entscheidungen sind auf Basis des objektiven Ausschreibungsprozesses gefallen. Wir haben ein sehr faires, sorgfältig geplantes und gut dokumentiertes Recruitingverfahren durchgeführt. Glauben Sie mir: Ich habe in meiner dreißigjährigen Berufslaufbahn sehr viele Posten besetzt. Daher sage ich aus Erfahrung: Wenn sich ein wirklich qualifizierter Interessent durch einen favorisierten Mitbewerber von einer Assessment-Teilnahme abhalten lässt, dann ist er vielleicht ohnehin nicht der richtige.

Werden Sie die Empfehlungen des Personalberaters öffentlich machen?

Kern Ich hoffe nicht, dass die Unterlagen an die Öffentlichkeit gelangen. Personalsuche ist eine sehr vertrauliche Angelegenheit, insbesondere zum Schutz aller Bewerber. Die Objektivität des Auswahlverfahrens ist jederzeit nachvollziehbar und entspricht allen Standards.

Themenwechsel: Das aktuelle ÖIAG-Gesetz erlaubt im Unterschied zu früheren Fassungen die Beteiligung an „für den Standort relevanten Unternehmen“. Was heißt das?

Kern Standortsicherung, Sicherung der Arbeitsplätze- das sind zentrale Themen. Aber natürlich steht die Wertsteigerung, die im Gesetz prominent genannt wird, bei unseren Prioritäten weit vorne. Das Potential eines Unternehmens ist für eine Investment entscheidend. Wir sind professionelle Shareholder.

Und unter welchen Umständen kommt es zu neuen Engagements der ÖBAG?

Kern Das Gesetz regelt dies sehr ausführlich. Die ÖBAG kann in einem vorgegebenen Rahmen und ohne Beschluss der Bundesregierung Minderheitsbeteiligungen eingehen. Dazu braucht es aber zusätzlich zur Zustimmung des Beteiligungskommittees auch einer Zustimmung des Aufsichtsrats.

Das Beteiligungskomitee ist ein Novum im staatsnahen Wirtschaftsbereich. Was passiert dort?

Kern Das Beteiligungskomitee legt die Investitionsstrategie fest. Dieses Komitee hat sich am 4. November konstituiert, wir werden die dort entstandene Beteiligungsstrategie demnächst im Aufsichtsrat der ÖBAG besprechen. Aber ich betone, dass neue Beteiligungen nicht die Causa prima der ÖBAG sind. Oberste Priorität hat das Management und die Wertsteigerung des 25-Mrd. Euro-Beteiligungsportefeuilles der Republik Österreich.

Böswillige unken, dass in Zukunft ein Landeshauptmann nur mehr beim Finanzminister anrufen muss. Dann ruft der Finanzminister bei Ihnen an und Sie beim ÖBAG-Vorstand. Dann ist ein Werk in einer Problemregion gerettet. Ist dies ein rein konstruiertes Bild?

Kern Das ist – verzeihen Sie den Ausdruck – Unsinn. Wir planen, intelligent in Unternehmen zu investieren, die wir entsprechend der Beteiligungsstrategie als standortrelevant einschätzen. Ich kann mir schwer vorstellen, dass der Fall, wie er hier beschrieben wird, in unsere Beteiligungsstrategie passen würde. Und für Mehrheitsbeteiligungen wäre darüber hinaus ein Beschluss der Bundesregierung notwendig.

Die Realpolitik zeigt uns, wie Dinge, die nicht passen, passend gemacht werden.

Kern Diese Wirklichkeit, auf die Sie da anspielen, ist nicht meine Wirklichkeit.

Die Rechnungshofpräsidentin Margit Kraker fordert eine Ausdehnung des Prüfungsrechts auf Unternehmen, die einen Staatsanteil von mindestens 25 Prozent haben. OMV, Telekom oder die Casinos Austria würden davon unmittelbar betroffen sein. Was meint der ÖBAG-Aufsichtsratsvorsitzende zu dieser Forderung?

Kern Ich halte davon gar nichts. Wir haben Abschlussprüfer, die Finanzmarktaufsicht, Steuerprüfer, Abgabenprüfer, Arbeitsinspektoren, Prüfer ohne Ende. Frau Präsidentin Kraker hat meines Wissens nicht erklärt, welchen Mehrwert eine Rechnungshofprüfung haben könnte. Im Gegenteil, mit dem RH-Prüfungsrecht werden Investoren und andere Anteilseigner verschreckt. Dort, wo der Staat keine Mehrheit hat, ist es definitiv eine Verschlechterung der Unternehmensposition, wenn zusätzlich zu den vielen Prüfungen eine tiefgehende Rechnungshofprüfung dazu kommt. Ich weiß nicht, wie América Móvil als Mehrheitseigentümer bei der Telekom Austria reagiert, wenn wegen unserer etwas mehr als 28 Prozent der Rechnungshof auf den Plan tritt.

Wie werden Sie die Dividendenpolitik der ÖBAG-Beteiligungen anlegen?

Kern Wir stellen sicher, dass die Unternehmen nicht mehr Dividende ausschütten als sie wirklich verdient haben. Wir höhlen keine Unternehmen aus. Wir haben diese Dividendenpolitik auch im Vertrag mit dem Vorstand festgeschrieben. Der Vorstand bekommt keinen Bonus, wenn er in den Gesellschaften für eine überzogene Ausschüttung eintritt.