Übernahme : Bye General Motors, salut Peugeot!

Nun ist es fix: Opel wird französisch, die Übernahme des Autobauers durch den französischen PSA-Peugeot-Citroen-Konzern ist unter Dach und Fach. General Motors zieht sich mit dem Verkauf aus dem verlustreichen Europa-Geschäft zurück und kappt damit nach 88 Jahren die Verbindung zu Opel.

Die Franzosen zahlen nun für Opel und die britische Schwester Vauxhall 1,3 Milliarden, weitere 900 Millionen Euro erhält GM für das europäische Geschäft der Autobank GM Financial, die Peugeot zusammen mit der französischen Bank BNP Paribas übernimmt. Insgesamt liegt das Transaktionsvolumen damit bei 2,2 Milliarden Euro, davon entfallen 1,8 Milliarden auf Peugeot. Für GM ist der Verkauf dennoch ein Verlustgeschäft. Der Deal werde zu außerordentlichen Aufwendungen in Höhe von vier bis 4,5 Milliarden Dollar (3,8 bis 4,3 Milliarden Euro) führen.

Opel soll bald wieder auf Schiene kommen

"Wir sind zuversichtlich, dass der Turnaround von Opel/Vauxhall mit unserer Unterstützung deutlich beschleunigt wird", sagte PSA-Chef Carlos Tavares. "Gleichzeitig respektieren wir die Verpflichtungen, die GM gegenüber den Mitarbeitern von Opel/Vauxhall eingegangen ist." Die Garantien beziehen sich allerdings nur auf die schon von General Motors ausgesprochenen Zusagen und Vereinbarungen. Diese gelten meist bis 2020. Was danach geschieht, ist unklar. Denn PSA-Chef Carlos Tavares will mit der Übernahme des deutschen Konkurrenten Opel nicht weniger als einen "europäischen Champion" schmieden. Doch bis dahin sind noch harte Sanierungsschritte nötig, sind sich Experten einig. Mehr zu den befürchteten Auswirkungen auf den großen Opel-Standort in Wien lesen Sie hier.

Verordnet Tavares auch Opel einen drastischen Sparkurs?

Die Chance auf zusätzliche Märkte oder erhebliche Mehrverkäufe bestehe mit der Übernahme nämlich nicht, sagt Branchenspezialist Ferdinand Dudenhöffer. PSA und Opel seien mit ähnlichen Modellpaletten beide zu stark auf Europa konzentriert und hätten in den vergangenen Jahren beständig Marktanteile verloren. Tavares habe PSA in den vergangenen Jahren allein mit drastischen Sparmaßnahmen auf Gewinnkurs gebracht - ein Konzept, das er nun bei Opel wiederholen könnte.

"Am Ende macht ein Käufer doch, was er will", sagte der Berater Marc Staudenmayer dem "Manager Magazin". Tavares könne bei Opel "locker" 10.000 Arbeitsplätze streichen, wenn er die Produktion straffe und zentrale Funktionen künftig von Paris aus erledigen lasse. Zusagen zur Eigenständigkeit des Unternehmens Opel und Jobgarantien für die gut 38.000 Opelaner bis Ende 2018 scheinen wenig wert zu sein, denn nach den Maßstäben solcher Großübernahmen ist das bereits übermorgen.

Großes Aufräumen ist nun angesagt

Die Gewerkschaften wissen, dass sie auch mit GM neu hätten verhandeln müssen und sind stark daran interessiert, in die Planung der neuen Mutter eingebunden zu werden. Daher verzichtet die IG Metall auf öffentliche Kritik und Machtdemonstrationen. Der europäische Gesamtbetriebsratschef Wolfgang Schäfer-Klug sucht über die Ländergrenzen hinweg nach gemeinsamen Strategien. Das ist in der letzten Opel-Krise 2009 gründlich schiefgegangen, als britische Gewerkschafter einem kräftigen Lohnverzicht zustimmten, wenn statt Ellesmere Port die Werke Antwerpen und Bochum geschlossen würden.

Dem Branchen-Experten Stefan Bratzel zufolge ist der Schrumpfprozess auch bei über vier Millionen verkauften Autos im Jahr nahezu unausweichlich. Doppelfunktionen etwa bei Marketing, Einkauf und Vertrieb müssten beseitigt, die Produktionskapazitäten in den Werken verringert werden, sagt der Experte von der FH Bergisch-Gladbach. Das werde nicht ohne Stellenverluste abgehen.

30.000 Jobs in sechs Jahren

Die PSA-Seite hat bereits eine harte Sanierung hinter sich, seit 2011 sind dort fast 30.000 Jobs gestrichen worden. Auch die beiden Vauxhall-Werke in Großbritannien könnten in abgespeckter Form gesetzt sein, um nach einem Brexit auf der Insel für den dortigen Bedarf zu produzieren. Damit konkurrieren Rüsselsheim, Kaiserslautern und Eisenach mit anderen Opel-Werken in Polen, Spanien und Österreich.

Opel beschäftigt gut 38.000 Mitarbeiter, davon mehr als 19.000 in Deutschland vor allem in Rüsselsheim, Kaiserslautern und Eisenach. In Österreich gibt es in Wien Aspern ein Werk mit 1.600 Mitarbeitern. Die PSA Group ist dabei mit weltweit 184.000 Mitarbeitern deutlich größer als Opel.

Zweitgrößter Autobauer Europas

Durch die Übernahme von Opel durch PSA Peugeot Citroen entsteht der - gemessen am Absatz 2016 - zweitgrößte Autobauer Europas nach der Volkswagen-Gruppe. PSA kommt mit Opel/Vauxhall in den 28 EU-Staaten auf mehr als 2,425.000 verkaufte Autos. Das entspricht einem Marktanteil von 16,6 Prozent. Das errechneten Branchenexperten am Center of Automotive Management (CAM) in Bergisch Gladbach.

Für Marktführer Volkswagen hatte der europäische Autoverband Acea 2016 einen Anteil von 23,9 Prozent ermittelt. Weltweit ist PSA kein vergleichbares Schwergewicht, verbessert seine Position im globalen Ranking der Autohersteller nun aber leicht. Zusammengenommen wären beide Anbieter im vergangenen Jahr auf einen Gesamtabsatz von knapp 4,126.000 Pkw und leichten Nutzfahrzeugen gekommen. Der Weltmarkt-Anteil von 5,3 Prozent bedeutet aus Sicht von PSA (allein bisher auf Platz 10) ein Aufrücken auf Platz 9 (mit Opel) in der Liste der absatzstärksten Autobauer.

Für den Opel-Mutterkonzern General Motors (GM) ändert sich so nichts, er bleibt hinter VW und Toyota auch ohne die fast 980.000 verkauften Opel- und Vauxhall-Modelle auf Rang 3. Rechnet man die Zahlen von Renault, Nissan und Mitsubishi zusammen - sie haben eine enge Allianz und erreichen so Platz 3 -, rutscht GM ohne Opel einen Rang abwärts.

PSA erwartet jährliche Synergien von 1,7 Milliarden

Die unterschiedliche Stellung des PSA-Konzerns in Europa und in aller Welt ist etwa im Vergleich zu Volkswagen leicht zu erklären. Während PSA mit den Marken Peugeot, Citroen, DS und Opel/Vauxhall vor allem als Massenhersteller kleiner und mittelgroßer Autos in Europa stark ist, sind beim VW-Konzern auch Übersee-Märkte wie China und die USA für die Luxusmodelle von Audi oder Porsche wichtig.

Bis 2026 erwartet PSA durch den Zusammenschluss jährliche Synergien in Höhe von 1,7 Milliarden Euro. Das soll etwa durch einheitliche Technik und das Zusammenlegen von Entwicklung und Einkauf gelingen. Opel wird dabei auch weiterhin die Patente von GM nutzen können, bis die Fahrzeuge in den kommenden Jahren nach und nach auf PSA-Plattformen gebaut werden.

Opel bleibt eigenständiges Unternehmen

Die europäischen und britischen Pensionspläne von Opel/Vauxhall verbleiben größtenteils bei GM, ein Teil der deutschen Pensionslasten ("German Actives Plan") werden an PSA übertragen. Für die vollständige Begleichung übertragener Pensionsverpflichtungen zahlt GM drei Milliarden Euro an die Franzosen.

Peugeot will mit Opel Kunden gewinnen, die kein französisches Auto kaufen. Dabei soll die Traditionsmarke mit dem Blitz als Logo als eigenständiges Unternehmen erhalten bleiben. Die Franzosen haben in West-Europa, wo sie mit 1,5 Millionen Autos rund die Hälfte ihrer Fahrzeuge absetzen, einen Marktanteil von 9,7 Prozent. Opel kommt mit knapp einer Million verkauften Autos auf 6,6 Prozent.

Wohin die Reise im neuen Konzern gehen wird, ist schon an aktuellen Modellen zu besichtigen, die aus einer 2012 gestarteten Kooperation zwischen GM und PSA entstanden sind. In weiten Teilen baugleich rollen gerade der Opel Crossland X, der Citroen C3 Picasso und der Peugeot 2008 auf die Straßen, allesamt im Opel-Werk Saragossa gefertigt. "Alles was man sehen und berühren kann, stammt von Opel", sagt Crossland-Chefingenieur Olaf Kaden. Das Übrige kommt weitgehend aus dem PSA-Baukasten und steht auf einer Plattform der Franzosen.

Die gemeinsamen Modelle haben zahlreiche Kostenvorteile nicht nur im Einkauf. Sofern bereits erprobte Teile eingebaut werden, entfällt aufwendige Prüf- und Zertifizierungsarbeit. Das Rad muss sozusagen nicht jedes Mal neu erfunden werden. Trotz vieler Gleichteile ist ein unterschiedliches Tuning möglich. Deutsche Ingenieure und Kunden achten mehr auf fahrstabiles Handling, während bei den Franzosen der Komfort an erster Stelle der Fahrwerksabstimmung steht. Zwei andere Gemeinschaftsautos entstehen bereits in den PSA-Werken am Stammsitz Sochaux und im nordspanischen Vigo. (apa/dpa/Reuters)