Innovationsserie : Buntmetall Amstetten: Alles Kupfer oder was?
Zwei sportliche Mittvierziger. Sprinter der eine, Dauerläufer der andere. Akkordiertes Markenzeichen: aufgekrempelte Ärmel und Zug zum Tor. Alfred Hintringer, der Mann fürs Kaufmännische, ist seit sieben Jahren an Bord. Anton Zierhut steht seit einem Jahr der Technik vor. Kumpelhaft sitzt die Doppelspitze der „Buntmetall amstetten GmbH“ nebeneinander am Chefsessel - und doch ist man per vertrautem „Sie“: eine Art formelle Würdigung an den Partner, an die ergänzenden Qualitäten in der vereinten Schlagkraft. Gut unterwegs. Die Buntmetall Amstetten GesmbH sieht sich europaweit als eine der modernsten Produzenten für Fertigteile, vor allem aber für Halbzeug aus Kupfer und Kupferlegierungen. 631 Mitarbeiter sorgen für einen Jahresausstoß von 35.000 Tonnen. Unter dem Mutterdach der deutschen Wieland-Gruppe wurden vor zwei Jahren die bis dahin eigenständigen Werke Amstetten und Enzesfeld-Caro in eine Firma zusammengeführt. „Im Prozess des Zusammenwachsens sind wir mittendrin“, erläutert Hintringer, „aber ganz gut unterwegs.“ Gemeinsamer Umsatz: 234 Millionen Euro. Exportanteil: 89 Prozent. Stets am Ball. Im Portfolio der Buntmetall sind bedingt durch die Kombination aus Werkstoffen, Dimensionen, Abmessungen und Anforderungen des Kunden allein am Standort Amstetten rund 3000 verschiedene Produkte. „Auch wenn’s im Außen nur nach Rohren, Stangen und Profilen ausschaut, so führen und entwickeln wir doch eine Unmenge an hochkomplexen Bauteilen.“ Zierhut: „Innovation ist Teil unseres täglichen Geschäfts. Allein im letzten Jahr haben wir 250 neue Produkte auf den Markt gebracht.“ – „Unser Geschäft sind die Nischen“ ergänzt Hintringer. „Und unsere Grundwerkstoffe sind Kupfer und Legierungen mit verschiedensten Derivaten.“ In Summe somit ein sehr breites Spielfeld „wo wir stets am Ball sein müssen und wollen“. Zehnfach größere Mutter. Zur kundenspezifischen Werkstoffinnovation gesellt sich als weiteres Feld die Technologie. Vor drei Jahren wurde in eine Conform-Anlage investiert. Conform ermöglicht ein durchgehendes Produzieren von beinahe endlosen Kupferprodukten und dadurch die Erzeugung von maßgenauen Profilen mit feinkörnigem Gefüge. Nunmehr können in Amstetten Produkte aus Kupferdraht und nicht nur klassisch aus Kupferbolzen gefertigt werden. „Das sind dann“, so Hintringer mit unüberhörbarem Stolz „mehr oder minder schon Endprodukte.“In enger Verbindung mit der zehnfach größeren Mutter, mit Universitäten, Verbänden und Experten in aller Welt wird Grundlagenforschung betrieben. „Wo immer der Trend hingeht wollen wir mit unseren Werkstoffen dabei sein.“ Hintringer: „Derzeit forschen wir stark in Richtung Elektromobilität. Und da ist Kupfer nicht unwesentlich.“ Beispielsweise sind die Läuferstäbe in E-Motoren aus Kupfer. Läuferstäbe nehmen in den Motoren die Energie auf und entwickeln ein Drehmoment. Auch wenn Kupfer teurer und schwerer als Aluminium ist, so hat es wegen seines geringeren Widerstands eine höhere Leistung. Und ein Mehr an Effizienz ist schließlich das Maß aller Motoren. Gleiches gilt für Generatoren. Ganze drei Jahre hat das mittelständische Unternehmen aus Niederösterreich für einen Giganten der weltweiten Energieszene ein kleines Kupferteil entwickelt. Aus vertragsrechtlichen Gründen gilt Geheimhaltungspflicht. Nicht verschweigen aber wollen die Chefs, dass „durch unsere Beigabe aus Kupfer der Kunde 1 Prozent mehr an Output schafft. Und das bringt über wenige Jahre gerechnet viele Millionen Euro an Savings.“ „Wer nicht scheitern kann...“Die 30-köpfige Abteilung „Qualität und Entwicklung“ ist das hausinterne Epizentrum für Innovation. Dem dortigen Dickicht aus Qualitätsmanagement, Labor, Entwicklung und Prüfung ist ein (auf Basis Lotus Notes) eigenentwickelter, fünfstufiger Stage-Gate-Prozess übergelegt. Klassisch: von Projekteröffnung über wertgrenzendefinierte Genehmigungsverfahren bis zum Go in die Serienproduktion. Ein mittelfristiges Ziel des technischen Geschäftsführers ist ein „breiteres Einbinden aller Kräfte im Haus. Ich rede darüber sehr viel mit meinen Kollegen von der Plattform für Innovationsmanagement. Bei diesen Treffen kann sich jeder Partner vom anderen das Best-of an- und abschauen.“„Der wesentliche Innovationstreiber bei uns“, so Anton Zierhut „ist die Achse zum Kunden, also der Vertrieb. Als Hersteller von Halbzeug sehen wir uns ja verantwortlich für die Probleme des Kunden.“ Augenscheinliche Lösungen werden im kleinen Kreis angedacht und „ohne fünf Meetings und zehn Papierln“ ruck-zuck probiert. „Bei uns im Haus herrscht der Grundsatz: wird schon schief gehen“, lacht Alfred Hintringer. Und meint das durchaus wörtlich: „Wer nicht scheitern kann, hat von vorneherein schon verloren.“ Schnelle Umsetzer. Genauer betrachtet ergibt sich top down folgendes Bild: Mit der Konzernmutter werden alle wesentlichen Projekte abgestimmt. Bei Buntmetall selbst trifft sich alle zwei Monate ein eigenes Steuerteam für Entwicklungen. Diesem Steuerteam, bestehend aus den beiden Geschäftsführern und den Bereichsleitern für Qualität und Entwicklung, präsentieren die Projektleiter den Stand ihrer Entwicklungen. Die Zwischenstufen werden von einem Management-Team betreut, das sich aus allen Bereichsleitern - mit dabei auch Vertrieb und Produktion - zusammensetzt. Hier werden Produkt-, Potential- und Verfahrensentwicklung gemeinsam diskutiert. Anton Zierhut: „Dass die Entscheider sehr rasch an einem Tisch sitzen ist der große Vorteil unserer Größe.“„In der Wieland-Gruppe sind wir Österreicher als schnelle Umsetzer bekannt“, spannt Hintringer den Bogen wieder zurück. „Wir sind einfach pragmatischer. Bei uns gilt die 80 zu 20 Regel: Wenn 80 Prozent okay sind, dann folgen die restlichen 20 auch. Bei vielen deutschen Unternehmen braucht’s am Papier 98 Prozent, um endlich aufs Ganze zu gehen.“ – „Ja“, zeigt Anton Zierhut sein schönstes Grinsen „das erleben wir öfter. Während in anderen Unternehmen noch gegrübelt wird, sitzt unser Verkaufsleiter schon bei den Kunden und sagt: Schau, so könnt’s gehen.“ Josef Neumayr Plattform für InnovationsmanagementDie Plattform für Innovationsmanagement (PFI) ist die führende Organisation für Innovationsmanagement in Österreich. Seit 2003 hat sich die PFI zur größten Community für Anwender, Experten und Interessenten im Innovationsmanagement entwickelt – derzeit 144 Mitglieder mit weltweit über 40.000 Beschäftigten. Zielsetzung der PFI ist die Steigerung der Innovationsleistung der Mitglieder durch branchenübergreifende Zusammenarbeit und Erfahrungsaustausch in gemeinsamen Projekten, Seminaren und Veranstaltungen. Die PFI ist als Verein organisiert. Mitglieder sind Industrie- und Dienstleistungsunternehmen verschiedener Branchen. Die PFI besteht aus KMU und Großunternehmen, sowie Forschungs- und Bildungseinrichtungen, öffentlichen Einrichtungen und Interessensvertretungen. Zielgruppe sind Führungskräfte und Mitarbeiter mit Verantwortung für F&E, Innovationsmanagement, Produktmanagement, Marketing, Vertrieb und Strategieentwicklung sowie Vorstände, Geschäftsführer und Investoren. Der Nutzen liegt im breiten Verständnis für Innovationsmanagement, Vermittlung der wichtigsten Hebel zur Steigerung der Innovationsleistung, Anwendung bewährter Methoden und aktueller Trends sowie überbetriebliche Kooperation. Die Serie im Industriemagazin entsteht in Kooperation mit dem PFI. Infos unter www.pfi.or.at