Pragmatische Breite : Autotest: Renault Latitude

Diesmal gingen die Autobauer der Grande Nation auf Nummer sicher. Keine Design-Experimente mehr wie beim Vel Satis. Keine Versuche, zwei Klassen zu kreuzen und eine Mischung aus Coupe und Van auf die Straße zu schicken, wie beim glücklosen Avantime. Nachdem der Markt zwar immer Mut fordert, ihn aber nur Ausnahmefällen mit Absatz bedankt, gab man in Boulonge-Billancourt den Latitude in Auftrag.Gemeinsam mit unserem Tester Karlheinz Sandler stehen wir nun vor knapp fünf Metern französischer Oberklasse und rätseln über die optischen Qualitäten des Latitude. Die silbergraue Limousine gibt sich als klassischer Dienstwagen: klar gezogene Linien, keine Ecken oder Kanten, die polarisieren könnten. „Ein sehr gefälliger Wagen, zweifellos“, meint der Geschäftsführer der Raiffeisen Leasing und belässt es dabei erst einmal mit seinem Urteil. Wir steigen ein, Sandler startet den Wagen mit der Kunststoffkarte und fährt los wie mit seinem Dienstwagen. Erklärungen? Keine notwendig. Routinier. Sandler verantwortet in der dreiköpfigen Geschäftsführung der Raiffeisen Leasing den Bereich Leasing für Corporates und die Bauträgertätigkeit des Unternehmens. Er betreibt sein Geschäft seit nun 24 Jahren mit souveräner Routine und solidem Wachstum. Seinem Gesprächspartner vermittelt er das Gefühl, dass dieser Umstand keiner weiteren Erläuterung darf. Von der Qualität seiner Arbeit muss er niemanden mehr überzeugen - dass er den Immobilienbereich praktisch auf- und ausgebaut hat, ist ihm nur mit vielen rhetorischen Mühen zu entlocken. Eigentumswohnungen in Wien, Einkaufszentren in Tschechien, Slowenien aber auch Wohnbauprojekte in Skandinavien gehören heute für ihn zum Alltag des Broterwerbs. „Wir sind als Wohnbauträger gar nicht so bekannt, stemmen aber ein großes Volumen“, sagt der Manager. Mit wirklicher Freude spricht Sandler von neuen Projekten im Luxussegment. In Kitzbühel baut die Raiffeisen Leasing Immobilien Management derzeit 22 Appartements und 2 Villen am Lebenberg in toller Lage. Begeistert erzählt er von diesen Projekten und fast meint man, er habe selbst bei der Auswahl der Badezimmerfliesen noch ein Wörtchen mitgesprochen. Name ist Programm. Doch zurück zum Start. Der Latitude ist Renaults Antwort auf die Übermacht der deutschen Hersteller in der oberen Mittelklasse, wenngleich vorrangig für den asiatischen Markt entwickelt. Er liegt in der Größenordnung eines Mercedes E und in der Preisklasse eines VW Passats. Sandlers erstes Fazit von der bewegten Limousine fällt positiv aus: „Der Wagen fährt sich sehr leicht, und vor allem vermittelt er ein gutes Raumgefühl.“ Beruflich fährt der Manager einen 5er-BMW-Kombi und meint nonchalant, „ich weiß eigentlich gar nicht, wie viel PS der hat.“ Jedenfalls, so Sandler, fühle er sich hier ebenso wohl wie in seinem Alltagsfahrzeug. Einzig beim Öffnen der Heckklappe runzelt er die Stirn: der eigentlich voluminöse Kofferraum des Latitude ist für den Jäger und Golfspieler nicht geeignet. Autos betrachtet Sandler eher mit Pragmatismus als mit Euphorie – sträflich ist dieser Zugang in diesem Fall nicht.Der Latitude ist ein echtes Konzernprodukt. Er ist auf der Plattform des Samsung SM5 aufgebaut, seinem koreanischen Schwestermodell, Teile stammen von Nissan, andere, wie der Motor, von Renault selbst. Das Produkt globaler Wertschöpfung als rollende Charmeoffensive zu bezeichnen, erscheint vermessen, aber falsch gemacht haben die Franzosen nichts. Latitude – zu Deutsch „Die Breite“ ist Programm: es sitzt sich prächtig hier, das Raumangebot ist üppig und von der flotten Automatik bis zum Xenonscheinwerfer der auch in die Kurven leuchtet gibt es keine Lücken in der Ausstattungsliste. Einzig die Seele des Wagens erscheint ein wenig matt.Und so ist die Zielgruppe für den Latitude klar umzirkelt: der preisbewusste Fuhrparkmanager, der aus der Volkswagen-Gruppe ausbrechen will. In Deutschland wird der Latitude erst gar nicht verkauft, sondern wechselt nur als Leasing-Modell seinen Besitzer. Und so ändern sich die Zeiten: war früher ein Selbstzünder im Limousinensegment stets die zweite Wahl, so wird der Latitude in Österreich ausschließlich in verschiedenen Dieselvarianten ausgeliefert. Die Palette reicht vom 150-PS-Vierzylinder bis zum von uns getesteten Sechszylinder mit drei Litern Hubraum und 240 PS. Das tadellose Aggregat treibt die Limousine recht munter an, „das Motorengeräusch ist angenehm dezent“, sagt Sandler. Mitunter bringt der Sechszylinder den Vorderradantrieb an seine physische Grenze – dann führt Vortriebskraft zu Traktionsverlust. Diesen Versuchen ist es wohl auch geschuldet, dass wir statt der versprochenen 7,2 Liter im Schnitt knapp 9 verbrauchen. Für einen Wagen dieser Größe immer noch ein akzeptabler Wert. Auf der Autobahn will ihn auch Karlheinz Sandler verifizieren und liest bei Tempo 130 6,5 Liter am Bordcomputer ab. „Das ist schon in Ordnung“, sagt er und fügt hinzu: „Mittlerweile ist bei Fahrzeugen der CO2-Wert ja die wichtigste Kenngröße.“ Zum Dienstwagen in seinem Unternehmen könnte es der Latitude demnach nicht bringen – mit 188 g/km überschreitet der Franzose die Firmenobergrenze von 150 g/km zu deutlich. Innere Werte. Am wohlsten fühlt man sich mit dem Latitude auf der Langstrecke. Die Sitze heizen und kühlen, in der von uns getesteten Initiale-Ausführung sorgt eine Bose-Anlage für die Beschallung. „Man findet sich gut zurecht“, sagt Sandler über die üppige Auswahl an Schaltern und Reglern. Nur die Funktionen von drei Knöpfen in der Mittelkonsole haben sich mangels erfühlbarer Wirkung erst nach dem Studium der Gebrauchsanleitung erschlossen. Das ist zum einen ein Ionisator, der Luft im Innenraum mehr Frische verleihen soll. Die solcherart verjüngte Luft lässt sich auch noch mit zwei verschiedenen olfaktorischen Beigaben beduften. Wofür sich auf dieser Welt ein Markt findet, ist immer wieder beeindruckend. Immerhin kommt die Lufbearbeitungsanlage serienmäßig mit dem Latitude, so wie praktisch alle Einträge in der Ausstattungsliste. In der Initiale-Ausführung gibt es überhaupt nur mehr zwei verrechenbare Extras – das Panoramadach und ein vollwertiges Reserverrad. „Das Preis-Leistungsverhältnis ist beachtlich“, sagt Sandler über die Business-Limousine. Wie er die Marktchancen für den Franzosen einschätzt? Er denkt kurz nach meint, „ja, eigentlich recht gut?“Hans F. Zangerl Renault Latitude V6 dCi 240 InitialeDie viertürige Limousine treibt ein 3-Liter-Sechszylinder mit 241 PS an, der den Wagen von 0 auf 100 in 7,6 Sekunden beschleunigt. Der Selbstzünder bringt bei 1500 Umdrehungen pro Minute ein Drehmoment von 450 Nm auf die Welle. Die Kraftübertragung erfolgt über ein 6-Gang-Automatikgetriebe. Mit an Bord sind Bordcomputer mit Naivationssystem, BOSe-Radio und eine elektronische 3-Zonen-Klimautomatik. Preislich beginnt der Latitude bei 31.600 Euro für den 150 PS-Diesel, der Wert des getestete Wagen war 45.670 Euro.