Anklage : Asbest-Skandal in Italien: Schweizer Industrieller erneut vor Gericht

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Mehr als 18 Jahre sind vergangen, seit ein italienischer Beamter den Namen des Industriellen Stephan Schmidheiny ins Register der Straftaten in Turin schrieb. Fahrlässige Tötung in neun Fällen lautete der erste Eintrag, verglichen mit späteren Vorwürfen fast harmlos. Die Kausalkette der italienischen Justiz war simpel: In den Eternit-Werken wurde Asbest verarbeitet, Asbest war tödlich, Schmidheiny war schuld. Im Laufe der Zeit stieg die Zahl seiner angeblichen Opfer auf mehrere Tausend.

Im Februar 2012 verurteilte ihn das Strafgericht in Turin zu 80 Millionen Euro Schadensersatz und 16 Jahren Haft. Schmidheiny ging in Berufung. Im Juni 2013 erhöhten die Richter die Strafe auf 90 Millionen Euro und 18 Jahre Haft. Sie zeichneten den Schweizer Industriellen als Fratze des Kapitalisten: skrupellos und gierig. Für seinen Profit habe er Leben geopfert. Im November 2014 wurden beide Urteile vom obersten italienischen Gericht aufgehoben, im Mai 2015 begann ein neues Verfahren, im Mai 2019 kam ein neues Urteil.

Zurück in der Gegenwart

Ein erneuter Prozesses gegen den Schweizer Unternehmer Stephan Schmidheiny wegen fahrlässiger Tötung ist in der norditalienischen Stadt Novara nun kurz nach der Eröffnung auf den 5. Juli vertagt worden. Beim Verfahren geht es um den Tod von 392 Arbeitnehmern, die laut Anklage auf asbestbedingte Krankheiten zurückzuführen wären. Die Anwälte des Angeklagten bemängelten, dass mehrere Akten des Prozesses ungenau ins Deutsche übersetzt worden seien.

Die von Schmidheiny geführte Schweizer Eternit-Gruppe SEG war von 1973 bis zum Konkurs 1986 zunächst größter und später Hauptaktionär der Eternit Italia SpA. Der Hauptsitz der Eternit-Gruppe liegt im oberösterreichischen Vöcklabruck. Allerdings war der Industrielle nie Verwaltungsrat oder Manager des italienischen Unternehmens, behaupten seine Verteidiger. Der neue Prozess ist eines mehrerer Verfahren, die in Italien seit Jahren gegen Eternit laufen.

Schmidheiny war 2019 in Turin der fahrlässigen Tötung von zwei Personen schuldig gesprochen und zu vier Jahren Haft verurteilt worden. Laut der Anklage stehen die beiden Todesfälle im Zusammenhang mit einer von der Eternit SpA in der Ortschaft Cavagnolo betriebenen Asbestzement-Fabrik. Ein weiterer Prozess, der von 2009 bis 2014 dauerte, endete mit einem Freispruch für Schmidheiny. Dieser ist der jüngere Bruder von Thomas Schmidheiny, dem Großaktionär des Schweizer Zementherstellers Lafarge-Holcim.