Felsners Faktencheck : Andreas Khol im Münchhausen-Test

Felsners Faktencheck
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Lieber Herr Khol,

zuerst einmal ein großes Lob für Ihre konstruktive Zusammenarbeit mit Ihrem sozialistischen Pendant Karl Blecha in den letzten Jahren. Ihre gemeinsame kategorische Ablehnung zu allen Maßnahmen, die zur Aufweichung von Pensionsprivilegien geführt hätten, hat Ihre Stammwählerschaft voll überzeugt und letztendlich der großen Koalition weiterhin die absolute Mehrheit gesichert.

Politischen Stillstand gibt es also auch ohne streiten. In diesen Tagen wurden einige Studien renommierter Experten veröffentlicht, wonach das faktische Pensionsalter noch nicht wie von der Regierung erhofft ansteigt und die staatlichen Pensionszuschüsse daher über die bisherigen 10 Milliarden Euro hinaus explodieren werden. Ihrer Einschätzung nach wird hier wieder einmal die Apokalypse heraufbeschworen.

Ihr Bauchgefühl sagt Ihnen, das faktische Rentenalter wird schneller steigen. Es ehrt Sie, dass Sie die neue Wahlkampflinie Ihrer Fraktion "Partei der Optimisten" so stark verinnerlicht haben. Hoffentlich ist das innerparteilich nicht allzu ansteckend und Ihre Kollegin aus dem Finanzministerium rechnet nun nicht mit 5 Milliarden Euro Überschuss aus der staatlichen ÖBB-Beteiligung, um Ihre überzogenen Pensionsprivilegien finanzieren zu können.

Lieber Herr Khol, in Ihrer langen und für das Land verdienten Laufbahn als Politiker haben Sie verschiedenste Ämter bekleidet und Ressorts geführt. Da kann man sich natürlich nicht überall einen absoluten Expertenstatus aneignen. Um unsere Diskussion auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen, habe ich nachstehend versucht, das Problem auf einfache Art und Weise zu skizzieren.

Unser Pensionssystem basiert auf dem „Umlageverfahren“. Pensionsansprüche werden aus Beiträgen bzw. Abgaben der aktiv Erwerbstätigen finanziert. Grundsätzlich werden die Rentenansprüche damit wie in einem Pyramiden- bzw. Schneeballsystem finanziert. Ich selbst beispielsweise habe bis dato bereits rund EUR 170.000,- an Pensionsbeiträgen bezahlt. Diese Summe ist zu 100% an aktive Rentner gegangen. Ich selbst habe zwar einen fiktiven Pensionsanspruch erworben, der sogar schriftlich auf meinem Pensionskontoauszug niedergeschrieben ist, mein Geld wurde aber bereits von Ihrer Generation zur Gänze vereinnahmt.

Für mich bleibt daher zu hoffen, dass auch hinter mir eine Erwerbsgeneration nachkommen wird, die meine Pensionen finanziert. Und das ist der Knackpunkt. Der Staat muss derzeit über 10 Milliarden Euro dem Umlagesystem zuschießen. Tendenz – zwar nicht für Optimisten, aber für Realisten – stark steigend. Das Kernproblem in unserem Pensionssystem liegt – wie bei jedem Pyramidenspiel – darin, dass immer weniger neue Zahler immer mehr, immer länger und zudem zu hohe Pensionsprivilegien finanzieren müssen.

Es gibt zwei Möglichkeiten, das Problem direkt im Umlageverfahren zu lösen. Die Beiträge der aktiv Erwerbstätigen zu erhöhen oder die Pensionen zu reduzieren. Ersteres halte ich durch die der arbeitenden Generation auferlegten Rentenkürzungen für völlig unzumutbar. Ein kurzes Beispiel – fiktiv errechnet mit den Sozialversicherungswerten von 2013 –, wie maßlos sich die Pyramidenspieler der aktiven Rentnergeneration bedienen konnten. Bis zur Pensionsreform 2003 genügten EUR 158.967,- an Pensionsversicherungsbeiträgen, um mit 58 Jahren mit EUR 49.728,- Jahrespension in Rente gehen zu können. Mit dem 61. Lebensjahr dieses Arbeitnehmers übernahm somit der Staat bereits zur Gänze die Finanzierung dieses Rentenanspruchs.

Ich selbst als 1973 geborener Erwerbstätiger müsste EUR 637.762,- an Pensionsversicherungsbeiträgen aufwenden, um zumindest auf dem Papier mit dem 65. Lebensjahr (7 Jahre später als früher!!!) auf die gleiche Rentenhöhe zu kommen. Pyramidenspiele sind übrigens weitestgehend verboten.

Lieber Herr Khol, noch hat der Staat die finanzielle Kraft, entsprechende Zuschüsse in das Pensionssystem zu leisten. Diese gehen natürlich zulasten anderer wichtiger Aufgaben der Republik wie Bildung, Gesundheit, Pflege, Infrastruktur, Familien, etc. Die Fehler der Vergangenheit lasten schwer auf der erwerbstätigen Generation. Sobald die Geburtsjahrgänge ab 1955 nach dem neuen Pensionsrecht ihre Rente antreten werden, wird wohl Ihre Beteuerung von einem absolut heilen Pensionssystem gewaltige Risse bekommen. Stellt sich nun die Frage: Den Zahlern im Pyramidensystem reinen Wein einschenken und die zweite und dritte Rentensäule forcieren oder bei der nächsten Wahl weiter die Realität verweigern und noch ein letztes Mal Dank der Pensionisten mit dem Koalitionspartner weiterregieren.

Ronald Felsner ist Geschäftsführer der 4 sales development KG, Lehrbeauftragter an der Donauuniversität Krems und Trainer für die Finanzbranche mit Schwerpunkt gesetzliche Sozialversicherung.

www.sales-development.at