6G : 6G: Das bringt die nächste Mobilfunkgeneration

TU Graz Klaus Witrisal
© Helmut Lunghammer

Während die fünfte Generation in der Mobilkommunikation noch im Aufbau ist, wird in der F&E schon nach Lösungen für noch höhere Datenraten und somit das 6G-­Netz gesucht. Steirische Forscher sind in einem europäischen Forschungskonsortium prominent vertreten, das im Bereich der Antennentechnik an der technischen Machbarkeit der sechsten Mobilfunkgeneration arbeitet, um der Nachfrage nach immer höherem Datendurchsatz gerecht zu werden. „Die Welt wird immer vernetzter, der Datendurchsatz wächst“, weiß Klaus Witrisal, Experte für drahtlose Kommunikationstechnik am Institut für Signalverarbeitung und Sprachkommunikation der TU Graz. Mehr und mehr Daten müssten von immer mehr drahtlosen Geräten ausgesendet, empfangen und verarbeitet werden. Im Horizon-2020-­Projekt Reindeer erarbeite man deshalb ein Konzept, „mit dem die Datenübertragung in Echtzeit praktisch ins Unendliche skalierbar ist“, sagt Witrisal.

Frequenzen bis in den Terahertz-Bereich

Er fasst die Ausgangslage wie folgt zusammen: Immer mehr Daten sollen über drahtlose Datennetze blitzschnell übertragen werden. Dazu müssen höhere Übertragungsraten und kürzere Verzögerungszeiten ermöglicht werden, Grundpfeiler sind Funkstandards, die über 5G hinausgehen. Zur Anbindung der Mobilfunkzellen sind leistungsfähige Übertragungsstrecken bei hohen Frequenzen bis in den Terahertz-­Bereich notwendig. Mit diesem Blick auf zukünftige Mobilfunkstandards arbeitet ein europäisches Konsortium an der nächsten Antennengeneration für drahtlose Netzwerke. Österreich sei mit Unternehmen und Forschungseinrichtungen im Bereich des Mobilfunks und der Nachrichtentechnik vertreten, heißt es in einem APA-­Interview. Die Gratkorner NXP Semiconductors Austria und die Villacher Technikon Forschungs-­ und Planungsgesellschaft als Koordinator sind die österreichischen Partner in dem Konsortium mit weiteren Experten aus Belgien, Schweden und Spanien.

Basisstationen sind Flaschenhals

Bei bisherigen Funkstandards wie UMTS, LTE (Long Term Evolution) oder auch aktuell 5G erfolgt die Signalübertragung über Antenneninfrastruktur, die fest an einer Position verortet ist. Je dichter das Netz an ortsfester Infrastruktur ist, umso höher ist der Durchsatz – jene Datenmenge, die in einem bestimmten Zeitfenster übertragen und verarbeitet werden kann. Diese Basisstationen stellen zugleich den bisherigen Flaschenhals dar. Je mehr drahtlose Geräte mit einer Basisstation verbunden sind, desto instabiler und langsamer ist die Datenübertragung. „Wir wollen eine sogenannte RadioWeaves­-Technologie entwickeln – eine Art Antennengewebe, das an jedem Ort in beliebiger Größe installiert werden kann. Etwa in Form von Wandfliesen oder als Tapete. So können ganze Wandflächen als Antennenstrahler fungieren“, erklärt Witrisal den Ansatz. So solle mit der RadioWeaves-­Technologie der Flaschenhals verschwinden, „weil wir anstelle eines einzigen Knotenpunktes beliebig viele Knotenpunkte einhängen können“, sagt er.

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Bisher unerreichte Abdeckung in Industriehallen

Für das private Heim ist die Technologie nicht gedacht – auch wenn sie den Alltag verändern wird. Laut Witrisal berge sie vor allem für industrielle und öffentliche Anlagen Möglichkeiten, die weit über 5G-­Netzwerke hinaus­ gehen würden: „Wenn in einem Sportstadion 80.000 Menschen, alle ausgerüstet mit einer Virtual­-Reality-­Brille, das entscheidende Tor zeitgleich aus der Perspektive des Torschützen anschauen möchten, ist das mit dem RadioWeaves­-Antennenfeld zukünftig möglich.“ Funkwellen würden zugleich die drahtlose Energieversorgung der VR-­Brillen sicherstellen. In Industriehallen könnte die Technologie für eine bisher unerreichte Abdeckung sorgen. So werde es machbar, tausende von Objekten in Echtzeit zu lokalisieren.

Ende des Jahrzehnts spruchreif

Für die funkbasierte Ortungstechnologie sieht der TU­-Experte überhaupt große Chancen: Gemeinsam mit den Forschenden seiner Arbeitsgruppe geht er davon aus, dass mit der RadioWeaves­-Technologie Güter sogar auf zehn Zentimeter genau ortbar würden. „Damit lassen sich dreidimensionale Modelle von Güterströmen realisieren: für die Produktion und Logistik bis hin zur er­ weiterten Realität auf der Verkaufsfläche.“

Das Projekt ist zu Jahresbeginn angelaufen, bis 2024 möchte das Konsortium einen ersten Hardware­-Demonstrator entwickeln, um die Technologie experimentell validieren zu können. „6G wird erst Ende dieses Jahrzehnts spruchreif werden – doch dann wollen wir sicherstellen, dass der schnelle drahtlose Zugang dort ist, wo wir ihn brauchen, wenn wir ihn brauchen“, zeigt sich Witrisal motiviert. Reindeer (Resilient Interactive applications through hyper Diversity in Energy Efficient RadioWeaves technology) wird im Rahmen von Horizon2020 mit insgesamt 4,6 Millionen Euro gefördert. 600.000 Euro davon entfallen auf die TU Graz.