4D-Druck : 4D-Druck: Durchbrüche in der vierten Dimension der additiven Fertigung

Skylar Tibbits ist der Mann für den 4D-Druck. Er gilt als Vordenker. Während viele Unternehmen noch nicht einmal einen 3D-Drucker im Betrieb haben, denkt der Amerikaner schon weiter. Der Wissenschaftler arbeitet am Self-Assembly Lab des Massachusetts Institute of Technology (MIT). Er und seine Kollegen haben ein Ziel: dem 3D-Druck die Zeit als vierte Dimension hinzufügen, heißt es auf der Hannover Messe. Tibbits bringt Dynamik in die Komponenten. Beim 4D-Druck werden bewegliche und veränderbare Objekte hergestellt, wie etwa flache Bausätze, die sich zu einem späteren Zeitpunkt zu dreidimensionalen Objekten entfalten lassen, oder sogar Objekte, die ihre Form in Abhängigkeit von äußeren Einflüssen ändern können. Und Tibbits will sie mit einem Magnetfeld, Schall, chemischer Reaktion, Vibration oder Wärme zum Selbstaufbau bringen. Dadurch werden Stromzufuhr oder Steuerung für künftige 4D-basierte Technologien überflüssig, da sie sich durch ihre Materialeigenschaften selbst regulieren. Tibbits kooperiert aufgrund seiner Forschungsarbeit schon seit längerem mit dem Druckerhersteller Stratasys und Autodesk.

Durchbruch bei Formveränderung

Doch nicht nur in den USA arbeiten Wissenschaftler an der vierten Dimension der additiven Fertigung – auch in Zürich an der ETH. Den Forschern in der Schweiz ist ein Durchbruch gelungen, wenn es um die Formveränderung geht. Zu diesen Forschern gehört Kristina Shea, Leiterin des Labors für Produktentwicklung und rechnerbasierte Methoden. Ihr Artikel im Fachmagazin Nature sorgte für Aufsehen. Das Forschungsteam schuf ein Konstruktionsprinzip, dank dem sich die Formänderungen genau kontrollieren lassen, heißt es in einer Pressemitteilung der Universität. „Unsere flach hergestellten Strukturen verändern ihre Konfiguration nicht irgendwie, sondern genau wie von uns vorgesehen“, erklärt Tian Chen, Doktorand in Sheas Gruppe. Außerdem können die Strukturen mit Gewicht belastet werden. Solche tragfähigen 4D- Druck-Objekte konnte vor den ETH-Wissenschaftlern noch niemand herstellen, berichtet die Universität stolz.

Raumfahrt und Rohre

Kern des Konstruktionsprinzips ist ein von ihnen entwickeltes Hubelement, das einen von zwei möglichen Zuständen einnehmen kann: Es ist entweder eingezogen oder ausgefahren. Die Forschenden kombinierten solche Elemente zu komplexeren Strukturen. Weil die Einzelelemente nur die beiden definierten Zustände annehmen, können die Wissenschaftler die stabilen dreidimensionalen Formen der Gesamtstruktur voraussagen. Möglich sind auch Strukturen, die mehrere stabile Formen einnehmen können. Und weil die Forschenden auch eine Simulationssoftware entwickelten, können sie auch Formen und Kraft, die für Formänderungen aufgewandt werden muss, genau im Voraus bestimmen. Dies dient ihnen beim Entwurf von Objekten. „Der 4D-Druck hat mehrere Vorteile“, erklärt Shea. „Eine flache Ausgangsform mit starren und beweglichen Abschnitten in einem Schritt zu drucken, ist äußerst effizient. Viel komplexer und zeitaufwendiger wäre es hingegen, solche Objekte dreidimensional herzustellen oder sie aus mehreren losen Komponenten zusammenzubauen.“ Außerdem können die flachen Strukturen platzsparend transportiert und erst an ihrem Bestimmungsort entfaltet werden. Ähnliche Ansätze werden schon seit einiger Zeit in der Raumfahrt verfolgt, beispielsweise um Werkzeuge in einem komprimierten Zustand platzsparend ins All zu transportieren. Die Raumfahrt ist daher eines von vielen möglichen Anwendungs- gebieten für den 4D-Druck. Die Wissenschaftler denken aber auch an die einfache Konstruktion von Strukturen für die Gebäudetechnik, etwa Ventilationssysteme, heißt es in dem Paper. Aber auch Rohrleitungssysteme könnten von der Technologie profitieren – das Material passt sich beispielsweise neuen Umweltbedingungen an und das Rohr bestimmt selbstständig die Durchflussmenge.

Gartner definiert den 4D-Druck neben smarten Robotern, künstlicher Intelligenz und Plattformen als eine der wichtigsten Zukunftsinnovationen – aber es brauche noch zehn Jahre, bis 4D-Druck Mainstream sein werde, meinen die Analysten.

Vor drei Jahren erklärte Ralf Gärtner von Protiq gegenüber diesem Magazin: „Die digitale Prozesskette, die wir im Werkzeugbau geschaffen haben, müssen wir jetzt übertragen. Der digitale Zwilling ist auch im 3D-Druck entscheidend.“ Die Digitalisierung schreitet unaufhaltsam voran. Heute nutzen Gärtner sowie seine Kolleginnen und Kollegen Deep-Learning-Methoden. Warum? Protiq produziert sehr viele individuelle Teile in seinen Druckern. Die Blomberger nutzen dafür das Selective-Laser-Sintering (SLS)-Verfahren. Der Vorteil dieser Technologie: Anwender können in einem Bauraum nicht nur ein Bauteil, sondern eine beliebige Anzahl unterschiedlicher Bauteile herstellen. Da diese dreidimensional im Raum geschachtelt sind, kann der Bauraum besser genutzt werden. Vom Kundeninterface im Netz bis zum Drucker ist bei Protiq eigentlich alles automatisiert. Nur eben den Bauraum muss noch ein Mitarbeiter freigeben, sprich das fertige Produkt herausnehmen, nachbearbeiten und in den Versand schicken. Die Zuordnung dieser Teile zum jeweiligen Kundenauftrag war in der Vergangenheit mit einem hohen Aufwand verbunden. An dieser Stelle hat ein Algorithmus das Problem gelöst.

Deep-Learning-Methoden

Zusammen mit der Universität Paderborn entwickelten die Ingenieure eine neuartige Technologie, die diese Bauteilerkennung mittels Deep-Learning-Methoden automatisiert. Tobias Nickchen war vonseiten der Forschung für das Projekt mitverantwortlich. „Unser System muss jeden Tag neue Bauteile erkennen“, unterstreicht er im Podcast „KI in der Industrie“ die Herausforderung in dem Protiq-Projekt.

Die Bauteilerkennung in der klassischen Serienfertigung muss im Vorfeld meist händisch definierte Produkte oder Bauteile erfassen. Indem die KI bei Protiq sich in jeder Produktion selbstständig an die neuen Bauteile anpassen muss, lernt das System ständig dazu. Die Datenbasis dazu stellen 3D-Abbildungen aus CAD- Daten dar. „Damit wird das System trainiert“, so Nickchen. In der Produktion gleicht also die KI die realen Bauteilbilder mit den Aufträgen ab und erkennt so deren Zugehörigkeit. Anschließend können für jeden Auftrag die entsprechenden Bauteile auf der Scanfläche visuell markiert werden. Der Vorteil: Das System sortiert schnell, minimiert den manuellen Aufwand und reduziert Fehler – ein Gewinn in der digitalen wie realen Prozesskette.