Felsners Faktencheck : Werner Faymann im Münchhausen-Test

Felsners Faktencheck
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Lieber Herr Faymann,

vorab herzlichen Glückwunsch zur Wiederbestellung als österreichischer Bundeskanzler. Und auch, dass diese - wie der neue Regierungspakt offenbart - ohne namhafte Zugeständnisse an Ihren Koalitionspartner errungen wurde. Wobei umgekehrt auch die Volkspartei erfolgreich neue Forderungen der SPÖ verhindern konnte.

Symptomatisch für das neue Regierungsprogramm ist mir der Umgang mit der Pensionsproblematik herausgestochen. Es wurde ein „halbjährliches Monitoring“ der Entwicklung des faktischen Pensionsantrittsalters beschlossen. Hintergrund ist, dass die Österreicher im Vorjahr mit durchschnittlich 58,4 Jahren ihre Pension angetreten haben und sich das laut Experten in den nächsten Jahren nicht wirklich namhaft nach oben bewegen wird. Somit drohen in den nächsten Jahren weitere Budget- bzw. - um in Ihrem Parteijargon zu bleiben - Erwartungslöcher in Milliardenhöhe.

Ich habe etwas Schwierigkeiten, dieses neue Monitoring zu deuten. Ist der Hintergrund, dass dieses seit vielen Jahren bekannte Problem von Ihnen bis dato völlig negiert wurde? Oder glauben Sie, dass turnusmäßiges, genaues Hinschauen Probleme aus der Welt schafft? Jedenfalls geben Sie sich bis Ende 2015 Zeit, Rückschlüsse aus Ihrem Monitoring zu ziehen. Und falls wider Erwarten und speziell wider Ihre Wahlversprechen vom letztem Oktober sich die Situation weiter zuspitzt, werden Sie verbindliche Gegenmaßnahmen setzen. Steht zumindest so im Regierungspapier. Eine von vielen Überschriften ohne Inhalten.

Echte Gegenmaßnahmen wären beispielsweise die von Ihnen weiterhin vehement abgelehnte vorzeitige Angleichung des Regelpensionsantrittsalters für Frauen von 60 auf 65. Dies soll weiterhin erst zwischen 2024 und 2033 erfolgen. Stattdessen machen Sie sich Gedanken, wie Sie beispielsweise einem gesundheitlich völlig abgearbeiteten Maurer mit 59 Jahren eine krankheitsbedingte Rente verwehren können.

Wie soll das faktische Pensionsalter namhaft über 60 steigen, wenn Sie in den nächsten Jahren immer noch reguläre Rentenantritte von Frauen ab dem 55. Lebensjahr ermöglichen? Und gleichzeitig versuchen Sie, Anreizsysteme zu schaffen, länger zu arbeiten? Wenn das Einkommenssteuersystem auf Freiwilligkeit umgestellt würde, sollte man sich auch über rückläufige Einnahmen nicht wundern.

Wobei das Problem grundsätzlich ein völlig anderes ist. Immer weniger Beitragszahler (Erwerbstätige) müssen immer mehr Pensionisten und immer höhere Rentenansprüche finanzieren. Das ist seit Jahren Fakt und werden Sie Ende 2015 wahrscheinlich völlig überrascht im Monitoringverfahren feststellen - und neue Reformen daran aufhängen. Dennoch werden Sie gemeinsam mit Ihrem Pensionistenvertreter nicht müde, die gesetzliche Pension als die Absolution zu erteilen und jedem Österreicher zu suggerieren, dass diese für die Erhaltung seines Lebensstandards in der Rente ausreichen würde.

Lieber Herr Faymann, nehmen Sie sich ein Beispiel an der deutschen Regierung. In unserem Nachbarland wird offen über die Problematik der Finanzierbarkeit der gesetzlichen Rentenansprüche diskutiert. Jeder Deutsche erhält jährlich eine Hochrechnung seiner potenziellen Pensionshöhe und auch einer etwaigen krankheitsbedingten Rente. Mit der klaren Empfehlung, entsprechende private Vorsorgen zu treffen, weil der Staat die Last alleine nicht mehr stemmen kann. Vielleicht hören wir diese Aussagen in typisch sozialdemokratisch abgeschwächter Form auch Ende 2015 von Ihnen. Sicher nicht ganz zu spät, um das Ruder herumzureißen. Trotzdem wurden wieder zwei weitere wertvolle Jahre für dringend notwendige Reformen verloren.

Ronald Felsner ist Geschäftsführer der 4 sales development KG, Lehrbeauftragter an der Donauuniversität Krems und Trainer für die Finanzbranche mit Schwerpunkt gesetzliche Sozialversicherung.

www.sales-development.at