Standort Österreich : Österreich: Zubetonierung fruchtbarer Böden erreicht bedrohliche Dimensionen

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© Peter Martens

Statistiker, Politiker und Vertreter der österreichischen Hagelversicherung haben ihren dringenden Appell an die heimische Wirtschaft und Entscheider in der Politik wiederholt, den rasend schnell steigenden enormen Zubau fruchtbarer Böden zu verlangsamen.

Bei der Zerstörung fruchtbarer Böden liege Österreich damit europaweit an der Spitze, sagt Kurt Weinberger, Chef der Österreichischen Hagelversicherung. Der Bodenverbrauch gefährde die Lebensgrundlage der nächsten Generationen.

In einem gemeinsamen Appell fordern Weinberger, Salzburgs Grünen-Chefin LHStv. Astrid Rössler, Statistik-Austria-Generaldirektor Konrad Pesendorfer sowie Karl Kienzl vom Umweltbundesamt eine dringende Änderung der derzeitigen Bodenpolitik und eine Reform der Raumordnung.

Dazu einige Zahlen:

In den letzten zehn Jahren wurden an jedem einzelnen Tag durchschnittlich 20 Hektar (das entspricht 30 Fußballfeldern) verbaut. In der Periode 2014-2016 waren es knapp 15 Hektar (das entspricht 24 Fußballfeldern).

Österreich verliert jährlich ein halbes Prozent seiner Agrarflächen. Zum Vergleich: Deutschland und die Schweiz verbauen 0,25 Prozent, Tschechien 0,17 Prozent. Wenn die Entwicklung in Österreich so weiter geht, gibt es rein rechnerisch in 200 Jahren so gut wie keine Agrarflächen mehr hierzulande.

Österreich hat mit 15 Meter pro Kopf eines der dichtesten Straßennetze der Welt. Deutschland verfügt pro Einwohner über ein Straßennetz von 7,9 Metern und die Schweiz über 8,1 Metern.

In Österreich gibt es laut Umweltbundesamt 13.000 Hektar (entspricht 130.000.000 Quadratmetern) an brach liegenden Industrieflächen. Inklusive von Gewerbeflächen und leer stehenden Häusern beträgt die verbaute, aber ungenutzte Fläche mehr als 40.000 Hektar (400.000.000 Quadratmeter). Das entspricht der Fläche der Stadt Wien.

Österreich hat mit 1,8 Quadratmetern die höchste Supermarktfläche pro Kopf. In Italien liegt der Wert bei einem Quadratmeter und in Frankreich bei 1,2 Quadratmetern.

(red)

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"Wir Österreicher sind Europameister bei der Zerstörung unserer Böden":

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Bei der Verbauung von Äckern und Wiesen ist Österreich führend. "Es wird sechsmal so viel verbaut wie in der Nachhaltigkeitsstrategie der Österreichischen Bundesregierung im Jahr 2002 festgeschrieben wurde. Wir sind somit bei der Zerstörung unserer Böden leider Europameister im negativen Sinn", betonte Hagelversicherungs-Chef Kurt Weinberger bei einem Hintergrundgespräch mit Experten.

Der Bodenverbrauch gefährde so die Lebensgrundlage der nächsten Generationen. In den vergangenen zehn Jahren wurden pro Tag durchschnittlich 20 Hektar Äcker und Wiesen verbaut, was der Fläche von 30 Fußballfeldern täglich entspricht.

Interdisziplinärer Appell

"Wir fordern daher eine Korrektur der Bodenpolitik und eine Reform der Raumordnung", so der gemeinsame Appell von Weinberger, Salzburgs Grünen-Chefin LHStv. Astrid Rössler, Statistik-Austria-Generaldirektor Konrad Pesendorfer sowie Karl Kienzl vom Umweltbundesamt.

"Die verbaute Fläche nahm von 2001 bis 2016 um rund 24 Prozent zu. Das entspricht einem Plus von rund 1.090 Quadratkilometern", was umgerechnet rund dem 2,5-Fachen der Landesfläche Wiens entspricht, erläuterte Pesendorfer. Damit wuchs die Beanspruchung von Flächen seit 2001 deutlich schneller als die österreichische Bevölkerung (plus 8,7 Prozent), so der Experte weiter.

Ein folgenschweres Umweltproblem sei die fortschreitende Bodenversiegelung, also die Abdeckung des Bodens durch wasserundurchlässige Schichten, etwa Asphalt. Der Anteil der versiegelten Flächen an den Siedlungs- und Verkehrsflächen in Österreich betrug 2016 rund 41 Prozent.

Das Umweltbundesamt präsentierte die aktuellen Werte der Verbauung, die zumindest einen Rückgang erkennen lassen. In den Jahren 2014 bis 2016 wurden pro Tag durchschnittlich 14,7 Hektar an Boden verbaut, während es in der Periode 2013 bis 2015 noch täglich 16,1 waren. Die Böden stehen infolge für die landwirtschaftliche Nutzung nicht mehr zur Verfügung.

Der Wegfall von Versickerungsfläche erhöht zudem die Gefahr von Überschwemmung und Hochwasser. Von den 14,7 Hektar an täglichem Bodenverbrauch werden sechs Hektar versiegelt. Das bedeutet, dass kein Wasser- und Luftaustausch für den mehr Boden möglich ist und die natürlichen Bodenfunktionen verloren gehen, erläuterte Kienzl die Konsequenzen.

Die Gesamtfläche von Industriebrachen wächst ständig - betoniert wird trotzdem

Der Umwidmung von Agrar- in anderweitige Nutzflächen steht andererseits eine enorme Fläche an ungenutzten Gewerbe- und Industriegründen und Gebäuden gegenüber, wie Weinberger ausführte: "In Österreich stehen rund 40.000 Hektar an Industriebrachen leer, das entspricht in etwa der Fläche der Stadt Wien. Diese sollten durch finanzielle Anreize wieder wirtschaftlich genutzt werden." Weitere Fakten zum Bodenverbrauch zeigen zudem, dass Österreich mit 1,8 Quadratmetern die höchste Supermarktfläche pro Kopf hat (Italien: 1,0, Frankreich: 1,2) und mit 15 Metern pro Kopf eines der dichtesten Straßennetze (Deutschland: 7,9, Schweiz: 8,1).

Zumindest in Salzburg will die Landesregierung diesen Entwicklungen mit einem neuen Raumordnungsgesetz entgegenwirken. Die Novelle soll Anfang 2018 in Kraft treten, kündigte Rössler an. Damit erfolgt unter anderem die Ansiedlung von neuen Märkten künftig nach strengen Kriterien. "Bei Verbrauchermärkten wird auf eine ausreichende Anzahl an Einwohnern im Nahbereich geachtet. Neue Handelsgroßbetriebe an den Ortseinfahrten oder unmittelbar an einem Kreisverkehr oder auf der 'grünen Wiese' sollen damit der Vergangenheit angehören", sagte Rössler.

(apa/red)