Serie Ventures Almanach : Zeit ist Geld

© Timeular

Was, schon wieder 20 Uhr? Der Tag ist mal wieder wie im Flug vergangen, womit habe ich mich eigentlich die ganze Zeit beschäftigt? Die meisten kennen das Problem: Man kann am Ende des Tages oder am Ende der Woche gar nicht wirklich einschätzen, wie viel Arbeitszeit für dieses Projekt und jene Aufgabe draufgegangen ist. Dabei wäre das nicht nur für die Kalkulation von Bedeutung, sondern auch für die Balance zwischen Beruf und Freizeit. Stets bleibt das Gefühl, man hätte sich den Tag und die Woche ja irgendwie besser einteilen können, aber für eine echte Verbesserung des eigenen Verhaltens mangelt es an den notwendigen Daten. Zwar gibt es einige Möglichkeiten, die Minuten und Stunden einer bestimmten Tätigkeit zu messen, zum Beispiel mit Hilfe von Apps am Smartphone. In der Praxis ist das aber relativ umständlich, ungenau oder sauteuer. Zeit ist eben Geld.

Das Grazer Start-up Timeular ist sicher, die Lösung für diese Problematik parat zu haben: Ihr Zeiterfassungssystem, das den Namen „ZEI°“ trägt, ist eine Kombination aus Software und Hardware; es besteht aus einem achtseitigen Würfel und einem zugehörigen Programm für Computer und Mobilgeräte. Der Würfel wird drahtlos mit dem Gerät verbunden, auf seinen acht Seiten kann jeder nach Belieben diverse Tätigkeiten aufschreiben, es können also beispielsweise Meeting, Projektarbeit, Pause, Brainstorming etc. vorgegeben werden. Beginnt man mit der jeweiligen Arbeit oder auch mit der dringend notwendigen Zigarettenpause, wird die entsprechende Seite nach oben gedreht. Die Software erkennt über Bluetooth die aktuelle Position des Würfels und sobald dieser gedreht wird, beginnt die jeweilige Zeitmessung zu laufen. In der Praxis bedeutet das: Die Nutzer müssen nicht umständlich am Handy oder PC herumtippen oder sich in Listen eintragen, sondern drehen einfach den Würfel in die gewünschte Stellung. Danach erfolgt die Auswertung in Form von detaillierten Berichten. Nach dem Motto: „Aha, schon wieder zwei Stunden mit Projekt X verplempert, das nur wenig einbringt.“

Zeiterfassung selbst beansprucht Zeit

Drei Südtiroler und ein Deutscher haben sich also in Graz zusammengetan, um die Zeit besser zu stoppen. Ihre Motivation: Im Moment ist Zeiterfassung ein notwendiges Übel, das viel Geld, Nerven und ironischerweise auch Zeit in Anspruch nimmt. Schätzungen zufolge sollen Mitarbeiter in Firmen üblicherweise jeden Tag zwischen 5 und 30 Minuten für die Zeiterfassung aufwenden, das soll mit dem neuen System deutlich rascher und vor allem bequemer gehen. „Als Software-Entwickler und Designer haben wir selbst die Erfahrung gemacht, wie mühsam es ist, Zeiterfassung sauber zu erledigen, und das, obwohl es bereits viele gute Lösungen am Markt gibt. Das wollten wir ändern“, berichtet Manuel Bruschi, CEO der jungen Firma und Absolvent der TU Graz. Das Ziel ist also: Zeiterfassung soll einfach, effizient und verlässlich funktionieren. „Wir wollen den Kunden dabei helfen, besser zu verstehen, womit sie ihre Zeit verbringen.“

Software alleine reicht für eine Zeiterfassung aber nicht aus, es braucht auch etwas Haptisches – das war den Gründern von Anfang an klar und das ist der wichtigste Unterschied zu ähnlichen Entwicklungen. Die Entwicklung dauert natürlich länger und ist aufwändiger als nur eine weitere App herauszubringen. Anfangs haben die Timeular-Gründer etwa mit Styroporwürfeln ausprobiert, wie das Ganze dann in der Praxis aussehen und funktionieren könnte. Der Aufwand hat sich gelohnt, mit ZEI° hebt man sich deutlich aus der Masse an anderen Zeiterfassungssystemen ab. Angesprochen werden mit der Lösung einerseits große Unternehmen, andererseits Freelancer, Kleinbetriebe und andere Start-ups.

Beta-Phase mit zahlenden Kunden

Die Startphase von Timeular wurde zunächst aus eigenen Mitteln finanziert. „Dadurch waren wir zwar nicht so schnell, gleichzeitig hat uns das aber dabei geholfen, fokussiert, kreativ und engagiert zu arbeiten“, berichtet Bruschi. Um die Kosten für die Entwicklung des Prototyps und für die frühe Testphase zu decken, wurde mit rund hundert Kunden eine bezahlte Beta-Phase durchgeführt, in der wertvolles Feedback gesammelt werden konnte. Ein Punkt, den die Gründer als wichtigen Schritt betonen, der auch für andere Start-ups empfehlenswert sein könnte.

Das Interesse der Investoren wurde inzwischen geweckt: Heute sind an Timeular unter anderem die österreichische Pioneers Ventures und der Risikokapitalgeber Enchant aus Singapur beteiligt. Das Interesse aus dem Ausland ist groß, das Produkt und der Onlineshop wurden von Anfang so konzipiert, dass es für den Weltmarkt interessant ist, nicht nur für Österreich oder Europa. Im Herbst des Vorjahres wurde zudem eine Kickstarter-Kampagne erfolgreich abgeschlossen: Mehr als 3.000 Personen haben rund 314.000 Euro zur Verfügung gestellt. „Jetzt sind wir gerade dabei, mit unseren Herstellern in Deutschland die finalen Vorbereitungen für die Serienproduktion zu machen“, berichtet Bruschi vom nächsten Schritt. Zunächst werden ZEI°-Systeme an die Kickstarter-Unterstützer versendet, dann soll ZEI° auch für alle anderen Kunden direkt über den Onlineshop erhältlich sein – dort wird das System (Hard- und Software) in der ersten Zeit günstiger zu bekommen sein. Was die nächsten Ziele angeht, hat das Timeular-Team konkrete Vorstellungen und dabei durchaus nicht nur das rasche Umsatzwachstum im Blick: In einem ersten Schritt soll nicht weniger als „ein Bewusstsein für die eigene Zeit und deren Wert“ geschaffen werden. „Längerfristig möchten wir Lösungen entwickeln, die Menschen dabei unterstützen, sich ihre Zeit besser einzuteilen und sie besser zu investieren“, sagt Bruschi.

Doch wie sieht es mit der Einstellung zum Thema Zeit im Start-up selbst aus? Genau damit wird ja in der Euphorie der Anfangsphase bisweilen recht fahrlässig umgegangen. „Wir leben unsere Vision, seine Zeit besser verstehen und investieren zu können, auch in unserem eigenen Team“, meint Bruschi. Ein Start-up sei stets auch ein Wettlauf gegen die Zeit. „Ein Topteam und dessen Zeit sind eben die wichtigsten Ressourcen.“

Mehr zur heimischen Start-up-Szene finden Sie in unserem Ventures Almanach.