Geplante Pkw-Maut : Wirbel quer durch Europa um deutsche Mautpläne

Österreich will sich betreffend der deutschen Pkw-Maut alle rechtlichen Schritte offen halten. Zwar gelte es zunächst, das Gesetz sobald es vorliegt zu prüfen, aus derzeitiger Sicht sei der Vorschlag aber EU-rechtswidrig, erklärte Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) am Dienstag im Pressefoyer nach dem Ministerrat.

Man sei sich als Regierung "einig" und stehe voll hinter der Vorgangsweise von Infrastrukturministerin Doris Bures (SPÖ). Diese habe zu recht angekündigt, das Gesetz bei Vorliegen zu prüfen und sich alle rechtlichen Schritten vorzubehalten, so Faymann.

Der Kanzler betonte, dass das EU-Recht für große Länder genau so gelte wie für kleine. Wenn ein Land für andere Bürger der EU Maßnahmen einführt, sei des EU-rechtswidrig. "Wir behalten uns alle Möglichkeiten vor", meinte der Kanzler und erklärte weiter: "Wir werden das nicht augenzwinkernd zur Kenntnis nehmen."

Österreich werde nicht zulassen, dass jemand eine EU-rechtswidrige Lösung macht: "Deutschland spielt gut Fußball, aber hat sich auch an EU-Recht zu halten. Wir lassen uns keine Regelung gefallen, die EU-Recht widerspricht. Das nehmen wir genau unter die Lupe."

Vizekanzler Michael Spindelegger (ÖVP) erklärte, angesprochen auf die gestrigen Aussagen seines Klubchefs Reinhold Lopatka: "Wo die Zustimmung liegen soll, weiß ich nicht." Dies habe lediglich in der Interpretation mancher so ausgesehen.

Auch Spindelegger sprach sich für die Prüfung aller Schritte aus. Sollte das Gesetz EU-rechtskonform sein, werde man sich etwas überlegen, etwa was das Ausweichen auf Bundesstraßen in Österreich betrifft.

Der Vizekanzler geht davon aus, dass der deutsche Vorschlag EU-rechtswidrig ist. Aber er möchte nicht den ersten vor dem zweiten Schritt setzen. Auch Faymann ließ offen, ob im Fall des Falles eine ähnliche Lösung in Österreich denkbar wäre. (apa/pm)

Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) hält die Vorgangsweise Deutschlands, eine Pkw-Maut einzuführen, die lediglich Ausländer trifft, für "unfreundlich" gegenüber den Nachbarländern. Ob es sich dabei tatsächlich um eine Ungleichbehandlung handelt, werde voraussichtlich der Europäische Gerichtshof (EuGH) entscheiden, erklärte der Minister am Dienstag vor dem Ministerrat vor Journalisten.

Von der analogen Einführung von Studiengebühren für deutsche Studierende in Österreich hält er jedoch nichts: "Ich sehe dieses Revanche- und Anlassdenken schon problematisch." Wenn die Maut störe, und das tue sie Österreich, sollen die politischen und rechtlichen Möglichkeiten ausgeschöpft werden. Andernfalls wäre dies keine sachorientierte Vorgangsweise. Die Einführung von Studiengebühren für Deutsche wäre lediglich die "zweitbeste Lösung".

Verwunderung über Äußerungen Lopatkas

Angesprochen auf Aussagen von ÖVP-Klubobmann Reinhold Lopatka, der am Montag davon ausging, dass die geplante Regelung EU-konform sein werde, meinte Mitterlehner: Auf hoher See und vor Gericht könne man nie sagen, was passiert. Über die EU-Konformität werde man den EuGH entscheiden lassen müssen. (apa/pm)

Nach der Vorstellung des Konzepts des deutschen Verkehrsministers Alexander Dobrindt befürchtet der Deutsche Industrie und Handelskammertag (DIHK), dass eine Pkw-Maut in Deutschland für Ärger mit den Nachbarländern sorgen könnte.

"Wir müssen verhindern, dass wir die Pkw-Vignette einführen, die am Ende zum Streit mit unseren Nachbarn führt", sagte DIHK-Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben der Zeitung "Die Welt" (Dienstag). Die erhofften Einnahmen rechtfertigten dies nicht, sie lösten auch nicht den seit Jahren bestehenden Investitionsstau in Deutschland. Zudem sei zu befürchten, "dass unsere Nachbarländer mit ähnlichen Regelungen nachziehen werden und deutsche Fahrzeuge belasten", sagte Wansleben.

Dobrindts Konzept sieht eine Vignette für das gesamte Straßennetz in Form einer Infrastrukturabgabe vor. Der genaue Preis der Vignette richtet sich nach Öko-Klassen und Hubraum der Pkw. Deutsche Fahrzeughalter sollen die Vignette automatisch per Post erhalten. Im Gegenzug sollen sie von einer geringeren Kfz-Steuer profitieren.

Ausländische Fahrer sollen an Tankstellen Zehn-Tages-Vignetten zum Preis von 10 Euro und Zwei-Monats-Vignetten für 20 Euro kaufen können. Per Internet können sie auch eine Jahresvignette bestellen, die wie bei Deutschen nach den Fahrzeugeigenschaften berechnet wird.

Auch der Verkehrsminister des Bundeslands Nordrhein-Westfalen, Michael Groschek, befürchtet ein flächendeckendes Maut-Netz in Europa. "Das könnte der erste Schritt zu einer europaweiten Maut für alle überall sein", sagte er den Dortmunder "Ruhr Nachrichten". Die Wirtschaft im kleinen Grenzverkehr werde dadurch ausgebremst.

Nach Angaben von Gerd Landsberg, dem Hauptgeschäftsführer des deutschen Städte- und Gemeindebundes, stelle die Pkw-Maut "einen ersten Einstieg" dar. Langfristiges Ziel müsse sein, im Sinne des Bürokratieabbaus und zur Erleichterung der Reisemöglichkeiten die Mautsysteme in Europa zu vereinheitlichen. (dpa/apa/pm)

Die Niederlande haben Protest gegen die geplante Einführung einer Maut-Gebühr in Deutschland angekündigt. "Die Gebühr hat besonderes nachteilige Folgen für niederländische Autofahrer, vor allem im Grenzgebiet", teilte die Ministerin für Infrastruktur und Umwelt, Melanie Schultz van Haegen, am Montag in Den Haag mit.

Sie äußerte sich enttäuscht, dass der deutsche Verkehrsminister Alexander Dobrindt nicht auf die bereits vor Wochen geäußerten niederländischen Bedenken Rücksicht genommen habe. Sie will nun den für Verkehr zuständigen EU-Kommissar Siim Kallas auffordern zu prüfen, ob die Maßnahme mit europäischem Recht vereinbar ist.

Der niederländische Automobilclub ANWB startete am Montag eine Kampagne gegen die Maut. Bürger können online eine Petition unterzeichnen, die dem europäischen Parlament angeboten werden soll. (dpa/apa/pm)

Die österreichischen Frächter haben mit der aktuellen Diskussion über die geplante Deutsche Lkw-Maut wenig Freude. Sie sei "scheinbar willkommener Anlass, um vom eigenen Gestaltungsunwillen in Sachen österreichischer Verkehrspolitik abzulenken", so der neue Obmann des Fachverbandes Güterbeförderung, Franz Danninger.

Sein ernüchterndes Resümee über die heimische Verkehrspolitik: "Sämtliche wichtigen Entscheidungen werden vertagt, sei es beim Thema der Aufhebung des Lkw-Nacht-60ers oder bei der bundesländerübergreifenden Erteilung von Ausnahmegenehmigungen. Jetzt mit dem Finger auf andere zu zeigen und empört den Gang zum Europäischen Gerichtshof zu fordern, ist nichts anderes, als von eigenen Versäumnissen abzulenken."

Kritik kommt auch von der FPÖ. "Diese ewige Klagsdrohung von (Verkehrsministerin )Doris Bures wird nicht verlockender, nur weil sie gebetsmühlenartig wiederholt wird." Die FPÖ meint, man könne in Österreich das deutsche Modell weitgehend übernehmen. "Wir sollten den Vorstoß der CSU positiv sehen und nicht jeden Ansatz patriotischer Politik in Brüssel anzeigen", fordert FPÖ-Verkehrssprecher Gerhard Deimek.

Für ein gänzlich anderes Modell spricht sich der gebürtige Deutsche Verkehrsexperte Sebastian Kummer, Vorstand des Institut für Transportwirtschaft und Logistik an der WU-Wien, aus. Er fordert eine einheitliche Vignette für die Region Deutschland, Österreich, Schweiz ("DACH"-Region) statt eines "Mautflickenteppich". "So sehr man den Ärger verstehen kann und so geschickt, sich Frau Bundesministerin Bures im Sinne der politischen Ökonomie der Wählerstimmen gegen die deutsche Maut positioniert - ich denke, dass eine Klage, die das Ziel hat die Gegenfinanzierung zu verhindern Österreich wenig nützt", so Kummer.

Seine Begründung: "Ob Deutschland seinen Bürgern die Maut erstattet oder nicht ist für die österreichischen Pkw-Fahrerinnen und Fahrer vielleicht emotional von Bedeutung, zahlen müssen Sie so oder so. Eine Klage birgt immer gewisse Risiken und hohe Kosten. Auch ist eine Argumentation gegen die Kompensation nicht unproblematisch, denn eine Kompensation über eine Reduktion der Kfz-Steuer hat Österreich bei der Einführung der Lkw-Maut auch angewendet. In Italien erhalten inländischen Frächter Mineralölsteuerrückvergütungen, die ausländischen Lkw defacto nicht zustehen." (apa/pm)