Bauindustrie : Wegen neuem Gesetz: Ziviltechniker sehen ihren Berufsstand bedroht

Aufgrund eines Urteils des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) muss das Berufsgesetz der Ziviltechniker geändert werden. Durch den in Begutachtung befindlichen Gesetzesentwurf sieht die Kammer der ZiviltechnikerInnen nun aber gleich den ganzen Berufsstand gefährdet. "Es ist eine Übererfüllung von einem EuGH-Urteil. Das gibt das Urteil nicht her", warnt Kammer-Präsident Erich Kern im Gespräch mit der APA.

Kern ist Ziviltechnikerkammer-Präsident für Wien, Niederösterreich sowie Burgenland und ortet eine Übererfüllung von EU-Vorgaben (Golden Plating). Das aktuelle Berufsgesetz der Ziviltechniker verstößt laut EuGH-Urteil gegen die Dienstleistungsrichtlinie. Die Bedeutung hochqualifizierter, unabhängiger Experten für die Gesellschaft sei von der EU-Kommission und dem Gesetzgeberin offenbar nicht erkannt worden, heißt es in einer gemeinsamen Stellungnahme aller Länder-Ziviltechnikerkammern.

Durch die Gesetzesnovelle sollen künftig nur 50 Prozent des Kapitals von Ziviltechnikergesellschaften von berufsbefugten Ziviltechnikern, Ziviltechnikergesellschaften oder interdisziplinären Ziviltechnikergesellschaften gehalten werden müssen. Außerdem soll durch die Novelle die Möglichkeit geschaffen werden, dass Ziviltechniker künftig interdisziplinäre Gesellschaften mit Angehörigen anderer Berufe bilden um andere Tätigkeiten als jene des Ziviltechnikerberufs auszuüben.

"Mit diesem Gesetzesentwurf erfolgt eine Nivellierung, die letztendlich großen Strukturen zu Gute kommt und eine Bedrohung für KMU und EPU darstellt", kritisieren die Ziviltechniker-Länderkammern. Der Gesetzesentwurf enthalte auch zahlreiche Umgehungsmöglichkeiten. Kammervertreter Kern hat die Befürchtung, dass durch Unternehmensverschachtelungen der Anteil von Ziviltechnikern an Ziviltechnikergesellschaften unter 50 Prozent sinken könnte. Außerdem sei durch die mögliche Beteiligung von ausführenden Unternehmen, etwa Bauunternehmen, an Ziviltechnikergesellschaften die Unabhängigkeit gefährdet.

Beruf des Ziviltechnikers in der Kaiserzeit eingeführt

In der Österreichisch-Ungarischen Monarchie wurde 1860 - also vor 160 Jahren - der freie Beruf des Ziviltechnikers inklusive Beurkundungsrecht eingeführt, um die öffentliche Verwaltung bei ziviltechnischen Aufgaben und Dienstleistungen zu entlasten. Ziviltechniker sind heute unter anderem als Planer, Berater, Prüfer/Gutachter, Aufsichts- und Überwachungsorgane und als kommerzielle und organisatorische Abwickler von Projekten aktiv. Sie können die Auftraggeber berufsmäßig vor Behörden und Körperschaften öffentlichen Rechts wie etwa Bau-, Vermessungs-, Gewerbe- oder Wasserrechtsbehörde vertreten.

Die Ziviltechniker-Berufsvertretung drängt den Gesetzgeber die geplante Novelle abzuändern, "um den Berufsstand nicht zu zerstören". Die Kammervertreter fordern, dass eine Beteiligung facheinschlägig ausführender Unternehmen nur bei den neu geschaffenen "interdisziplinären Ziviltechniker-Gesellschaften" möglich sein sollte, wobei diese Gesellschaften zu Urkundstätigkeiten nicht befugt sein sollen. (apa/red)