Hintergrund : VW will mit Herbert Diess ein neuer Konzern werden

Neuer Chef, neuer Vorstand, neue Struktur: Der Volkswagen-Konzern leitet den größten Umbau in seiner Geschichte ein. Der Aufsichtsrat beschloss eine Reihe tiefgreifender Veränderungen - auch um sich für die Elektromobilität fit zu machen.

Mit sofortiger Wirkung löst der bisherige VW-Markenchef, der Österreicher Herbert Diess, den im Dieselskandal gebeutelten Matthias Müller an der Spitze des weltgrößten Autobauers ab. Der 59-Jährige verantwortet künftig zusätzlich die Konzernentwicklung und Forschung. Außerdem lenkt er die Fahrzeug-IT, also alles rund um die Vernetzung des Autos. Zur Person Herbert Diess: "Unsere Diesel sind die besten der Welt" >>

"Der richtige Mann für eine Neuaufstellung"

Herbert Diess sei der richtige Mann für eine Neuaufstellung, so Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch: "Dr. Diess hat bei der Marke Volkswagen erfolgreich bewiesen, mit welchem Tempo und welcher Konsequenz er tiefgreifende Transformationsprozesse umsetzen kann." Daher sei er für das Amt des Konzernchefs "prädestiniert" gewesen. Es war Diess gelungen, die Effizienz der im Vergleich zur Konkurrenz lange Zeit ertragsschwachen Kernmarke zu verbessern.

Rückendeckung für Diess kommt auch vom mächtigen Betriebsratschef Bernd Osterloh. Zuletzt hat Osterloh wegen des Sparprogramms "Zukunftspakt" noch Kritik an Diess geäußert. Nun kündigt er die Unterstützung der Arbeitnehmerseite an. Er begrüße es ausdrücklich, dass der Konzern und seine Kernmarke wieder von demselben Menschen geführt werden, so Osterloh in einem Brief an die Mitarbeiter.

Zwei Österreicher leiten Aufsichtsrat und Vorstand

Beim weltgrößten Autobauer leiten damit zwei Österreicher sowohl den Aufsichtsrat als auch den Vorstand, denn auch Hans Dieter Pötsch stammt aus der Alpenrepublik. Das muss kein Zufall sein. Mehr dazu: Wer regiert VW? Machtübergabe in den zwei Familien hinter VW >>

Matthias Müller bleibt im Vorstand

Der bisherige Konzernchef Müller gibt seinen Posten im gegenseitigen Einvernehmen ab, soll aber Mitglied des Vorstands bleiben. Sein Vertrag läuft bis 2020. "Eine Aufhebung würde keinen Sinn machen, da die Abfindung genauso hoch sein würde wie der laufende Vertrag", so ein Insider zum "Handelsblatt". Im Vorjahr bekam Müller mehr als 10,1 Mio. Euro.

Müller hatte vor zweieinhalb Jahren zu Beginn der Dieselaffäre das Steuer von Martin Winterkorn übernommen. Pötsch sagte, Müller habe Volkswagen nicht nur durch die schwierige Zeit gesteuert, sondern strategisch neu ausgerichtet. Er habe dafür gesorgt, dass das Unternehmen in der Spur geblieben sei. Unter Müller hatte Volkswagen trotz hoher Lasten bei der Aufarbeitung des Dieselskandals zuletzt einen Rekordgewinn eingefahren.

Diess startet sofort mit einer neuen Strategie

Der neue Vorstandschef, der schon die lange ertragsschwache Hauptmarke auf Kurs brachte, drückte dem Wolfsburger Konzern gleich seinen Stempel auf: Die zwölf Fahrzeugmarken werden in drei Markengruppen zusammengefasst; insgesamt wird es künftig sechs Geschäftsfelder sowie die Region China geben. Die Nutzfahrzeugsparte wird durch die Umwandlung in eine Aktiengesellschaft für einen Börsengang vorbereitet.

Mit dem größten Umbau in der 80-jährigen Firmengeschichte gibt es auch eine Reihe von Neubesetzungen im Vorstand. Die Wechsel im Vorstand im Überblick: Mit der neuen Strategie kommen neue Chefs >>

Neue Markengruppen und ein Börsengang

Die zwölf Fahrzeugmarken werden in drei Gruppen gegliedert, die Nutzfahrzeugsparte soll an die Börse. Der Überblick:

Die Gruppe "Volumen" für den Massenmarkt mit Volkswagen, Skoda, Seat

Die Gruppe "Premium" mit Audi sowie

Die Gruppe "Super Premium" mit Porsche, Bentley, Bugatti und Lamborghini. Mehr zur Aufteilung: Volkswagens neue Gruppen >>

Die Nutzfahrzeugsparte wird zu einer eigenen Aktiengesellschaft umgebaut und soll anschließend an die Börse, Insidern zufolge schon Anfang 2019. Hier finden Sie alles zu den Plänen für MAN und Scania.

Druck von Finanzfirmen und vom Markt

Mit der neue Aufteilung soll der Konzern schneller entscheiden und Synergien besser nutzen. Volkswagen reagiert damit auch auf den Druck von Investoren, die schon länger mehr Rendite sehen wollen.

Diess bekommt mehr Macht im operativen Geschäft

Der neue VW-Boss bekommt mit der Leitung der Volumengruppe mehr direkten Einfluss auf das operative Geschäft als Müller hatte. Die Machtfülle des früheren BMW-Managers bei Volkswagen ist vergleichbar mit der von Winterkorn. Der hatte neben seiner Aufgabe als Konzernchef auch die umsatzstärkste Marke VW geleitet. Winterkorns Vorgänger Bernd Pischetsrieder, der einst ebenfalls von BMW kam, hatte bei Volkswagen bereits so genannte Markenwelten entwickelt, die aber nie umgesetzt wurden.

"Premium" und "Super Premuim" an Chefs von Audi und Porsche

Der schon mehrmals als Abschusskandidat im Dieselskandal gehandelte Audi-Chef Rupert Stadler ist vom großen Stühlerücken nicht betroffen. Er leitet die künftige Premium-Gruppe, wie VW mitteilte. Porsche-Chef Oliver Blume wird ordentliches Mitglied im Konzernvorstand und Chef der "Super Premium"-Gruppe. Sie umfasst Insidern zufolge neben dem Sportwagenbauer Porsche auch die Luxusmarken Bentley, Bugatti und Lamborghini.

Die beiden größten Gewinnbringer - Audi und Porsche - in einer Gruppe zusammenzufassen wäre schwierig geworden, weil keine der beiden selbstbewussten Marken der anderen die Führung überlassen hätte. sagte eine mit den Plänen vertraute Person. Die für die Markengruppen verantwortlichen Vorstandsvorsitzenden übernehmen zusätzliche Führungsaufgaben im Konzern, um Diess zu entlasten.

(red mit Reuters, dpa, APA)