Konzernstrategie : VW-Vorstand: So manche Autofabrik ist heute nicht zukunftsfähig

Tausende Arbeiter schrauben bei VW im deutschen Salzgitter an Motoren, ebenso bauen Tausende Kollegen in Kassel Getriebe. Doch beides ist künftig weniger gefragt. Im Wettlauf zur Elektromobilität sind nach Ansicht von Volkswagens Personalvorstand Karlheinz Blessing die teilebauenden VW-Fabriken zu grundlegenden Reformen gezwungen.

"Der Wandel wird sich künftig besonders auf die Standorte auswirken, die Getriebe und Verbrennungsmotoren fertigen. Das lassen wir natürlich nicht einfach geschehen. Wir arbeiten intensiv an einem Konzept, das auch diese Standorte zukunftsfest macht", sagte der Manager dem "Handelsblatt". Der VW-Konzern rechnet damit, dass 2025 jedes vierte Auto mit reinem Elektroantrieb vom Band rollt. Diese Wagen haben weder einen klassischen Verbrennungsmotor noch entsprechende Getriebe.

Kritische Situation für die Werke in Kassel und Salzgitter

Für die sogenannten Komponentenwerke wie Kassel (Getriebe) und eben Salzgitter (Motoren) bedeutet das große Umwälzungen. Sie stehen schon heute im konzerninternen Wettbewerb, etwa aus Osteuropa.

Zu Salzgitter mit seinen rund 7.000 Beschäftigten sagte Blessing: "Der Verbrennungsmotor wird auf lange Sicht an Bedeutung verlieren. Damit würden dem Werk Produkt und Arbeit verloren gehen. Deshalb braucht Salzgitter langfristig betrachtet neue Aufgaben." Man prüfe daher Aktivitäten bei Batterien. "Bisher gibt es keine festen Pläne, aber eines ist klar: Wir wollen bei der Transformation ein Maximum an Arbeitsplätzen und alle Standorte erhalten."

VW prüft eigene Batterieproduktion

Bekannt ist bereits, dass VW über eine eigene Produktion von Batterien nachdenkt, die das neue Herz der E-Mobilität bilden. Dabei will der Autobauer jedoch die Zellen, die die Batterie bilden, offensichtlich nicht selber machen. "Das wäre ein Witz", sagte Konzernchef Matthias Müller kürzlich mit Blick auf die Kosten.

Der VW-Betriebsrat und die Arbeitgeberseite verhandeln derzeit einen "Zukunftspakt", der bei kritischen Punkten wie dem Motorenwerk in Salzgitter Sicherheiten für die Belegschaft regeln soll - also etwa Zusagen für künftige Produkte, Investitionen und Personalbedarf. Dieser Pakt soll weitgehend bis zur Etatrunde im November stehen.

Blessing sagte der Zeitung allerdings, dass die Frage nach der Batteriekompetenz wahrscheinlich mehr Zeit benötige: "Bei der Elektromobilität geht es um die Grundsatzfrage: Wo beginnt künftig unsere Wertschöpfungskette? Eine finale Antwort darauf werden wir bis November vermutlich nicht haben, denn wir müssen das Thema umfassend analysieren."

Keine betriebsbedingten Kündigungen und Werkschließungen geplant

Generell schloss er betriebsbedingte Kündigungen und das Schließen einzelner Standorte aus - mehr dazu in diesem Artikel auf Seite 2. Blessing betonte aber auch den Handlungsdruck für einen Wandel: "Wir können uns das gar nicht aussuchen, wir müssen den Umbau vorantreiben, wenn wir Konzern und Marke zukunftsfest aufstellen wollen."

Zuletzt hinkte der von der Abgaskrise gebeutelte Konzern seinem Beschäftigungsrekord im Inland hinterher. Im ersten Halbjahr sank die Zahl der Mitarbeiter hierzulande um 600 auf 278.100. Zum Ende des ersten Quartals war der Schwund mit rund 800 noch größer ausgefallen. Weltweit ist der VW-Konzern dagegen weiter auf Wachstumskurs. (dpa/APA/red)

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Der mit den Folgen des Abgasskandals kämpfende Volkswagen-Konzern will über die Nichtbesetzung freiwerdender Stellen Personal abbauen. Wenn Arbeitsplätze frei würden, etwa durch den Pensionsantritt von Mitarbeitern, sollten sie möglichst nicht wieder besetzt werden, so Personalvorstand Karlheinz Blessing gegenüber dem "Handelsblatt". Blessing hatte seinen Job zum Jahreswechsel angetreten und damit nach Bekanntwerden des Abgasskandals bei VW im September 2015.

"Ich habe noch nie betriebsbedingte Kündigungen ausgesprochen"

Wie umfangreich der Personalabbau ausfallen soll, wollte er nicht sagen: "Jede Zahl wäre spekulativ." Betriebsbedingte Kündigungen lehnte Blessing ab. "Ich habe in meinem Leben noch nie betriebsbedingte Kündigungen ausgesprochen. Darauf bin ich stolz, und ich möchte das weiterhin so handhaben", sagte er dem "Handelsblatt". Das sei auch die allgemeine Haltung im Konzern. Sollten über die Nichtbesetzung freier Stellen hinaus weitere Reduzierungen nötig werden, "haben wir gute Erfahrungen mit zurückhaltenden Einstellungen, Qualifizierungsmaßnahmen und Altersteilzeitangeboten gemacht".

Blessing zufolge hilft die geburtenstarke Babyboomer-Generation beim Abbau von Stellen - die ersten dieser Kohorten gingen 2019 in Rente. Zudem solle lebenslanges Lernen im Beruf helfen, um Mitarbeiter für neue Aufgaben fit zu machen. "Es gibt aber auch Beschäftigte, denen wir nicht mehr mit IT-Qualifizierung kommen können, zum Beispiel, weil sie nur noch wenige Jahre bis zur Rente haben. In diesen Fällen haben wir Instrumente wie Altersteilzeit", so der Personalvorstand.

Der Konzern hatte vor knapp einem Jahr zugeben müssen, dass in Millionen Dieselfahrzeuge weltweit über Jahre eine verbotene Software eingebaut wurde, die den Abgasausstoß bei Labortests drückt. Das Bekanntwerden des Skandals stürzte Volkswagen in eine tiefe Krise. Für das vergangene Jahr verbuchte der Konzern einen Rekordverlust von knapp 1,6 Mrd. Euro. Weltweit drohen hohe Strafzahlungen, hinzu kommen die Kosten für Rückrufe und Reparaturen. (AFP/APA/red)

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