Hintergrund : Vollbremsung für Brasiliens Auto- und Stahlmarkt

Allein der VW-Konzern verkaufte seit Jahresbeginn fast 31 Prozent weniger Autos, Daimler will rund 1.500 Stellen streichen - neben China schwächelt ein weiterer großer Markt der deutschen Autobauer. Und es könnte sogar noch schlimmer kommen. Gerade Volkswagen do Brasil ist seit 1953 eine Erfolgsgeschichte, es ist der größte Auslandsmarkt nach China. VW betreibt drei Fahrzeugwerke und eine Motorenfabrik. 20.000 Beschäftigte gibt es, im März wurde das 22-Millionste Auto produziert. Doch nun schlägt die Krise voll durch. In den ersten sieben Monaten lieferte VW in Brasilien nur noch 245.900 Fahrzeuge aus - im Vergleich zum Vorjahreszeitraum ist das ein Rückgang von 30,6 Prozent.

"Brasilien hat das niedrigste Pkw-Nachfragevolumen seit 2007", sorgt man sich in der VW-Zentrale in Wolfsburg. Hauptgründe dafür seien neben einer zu Jahresbeginn angehobenen Industrieproduktsteuer die schwache Konjunktur und gestiegene Zinsen. Im Werk Taubaté ruht die Produktion derzeit sogar, auch Daimler stoppte in den vergangenen beiden Wochen in seinem LKW- und Buswerk Sao Bernardo do Campo die Produktion. Die Gewerkschaften stemmen sich gegen einen drohenden Stellenabbau.

Keine Alternative zum Stellenabbau

Allein der brasilianische Lkw-Markt ist im ersten Halbjahr um 44 Prozent geschrumpft - daher sieht Daimler keine Alternative dazu, 1.500 Stellen zu streichen. Bisher haben die Schwaben hier knapp 11.900 Mitarbeiter. Es habe bereits "kollektiven Urlaub, temporäre Freistellungen zur Weiterbildung sowie freiwillige Abfindungsprogramme" gegeben, betont das Unternehmen. "Leider ist der Markt so schwach, dass die bisherigen Maßnahmen nicht ausreichen."

Die Krise kommt dabei zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt: Audi und BMW wollen eigentlich in Brasilien angreifen und investieren - da Brasilien hohe Einfuhrzölle für Autos erhebt, ist man fast gezwungen, im Land selbst zu produzieren. BMW eröffnete erst vor knapp einem Jahr ein Werk in Araquari (Bundesstaat Santa Catarina). Im Juli wurden 1.401 Autos in Brasilien ausgeliefert - da der Konzern vorher kaum präsent war, ein Zuwachs. "Die Investitionen belaufen sich in den nächsten Jahren auf über 200 Millionen Euro", sagt eine Sprecherin. Geplant sei eine Produktion von 30.000 Autos jährlich.

Volkswagen hält an Produktion fest

Doch ob das Ziel zu halten ist? VW hat bereits reagiert. "Volkswagen nutzt derzeit mit den Gewerkschaften abgestimmte Flexibilisierungsmaßnahmen wie Kurzarbeit und freiwillige Abfindungsprogramme", sagt VW-Sprecher Eric Felber. Zudem würden "Instrumente" diskutiert, "um die Belegschaft anzupassen". Seit Jahren klagen deutsche Unternehmen auch über zu viel Bürokratie und Hemmnisse für Investitionen. Trotz allem hält VW bisher im Werk Curitiba an den Vorbereitungen für die Produktion des Golf und des Audi A3 fest. Ab 2016 soll dort auch der Audi Q3 vom Band rollen. Von Jänner bis Juni 2015 verkaufte Audi in Brasilien mehr als 10.000 Autos, gegen den Trend ein Plus von fast 40 Prozent. Die VW-Tochter sieht hier "kurz- und langfristig gute Perspektiven". Der Anteil des Premiumsegments liege in Brasilien erst bei zwei Prozent, in Europa seien es 20 Prozent.

Die deutschen Autobauer könnten 2016 noch weniger Autos verkaufen, auch dann droht eine Rezession. Rousseff baute diese Woche schon einmal vor. Sie scheint selbst nicht an eine rasche Besserung zu glauben: "Ich kann nicht garantieren, dass die Lage 2016 schön sein wird". Überhaupt ist ein Ende der Krise nicht in Sicht: 9,5 Prozent Inflation werden für dieses Jahr in Brasilien erwartet. 8,4 Millionen Arbeitslose gab es bis Juli - 23,5 Prozent mehr als vor einem Jahr. Durch den größten Korruptionsskandal in der Geschichte Brasiliens gibt es zudem eine politische Lähmung, die rasche Reformen erschwert. Politiker wurden bei Auftragsvergaben jahrelang mit "Provisionen" geschmiert.

Auch Stahlkonzerne wanken

Neben Thyssenkrupp und dem Stahwerk, dass statt einem großen Coup zu landen einige Probleme hervorgerufen hat, hat auch Brasiliens Stahlriese CSN große Probleme und muss deshalb sein Kerngeschäft wieder stärken. Deshalb wird der Stahlproduzent einige seiner nicht zum Kerngeschäft gehörenden Geschäftsfelder veräußern. (apa/dpa)