Konzernstrategie : Volkswagen setzt im Lkw-Geschäft auf die USA - trotz allem

Trotz Milliardenkosten für den Dieselskandal in den USA hält Volkswagen im Lkw-Geschäft langfristig an den Expansionsplänen für die Region fest. Erst soll die Kooperation zwischen den Nutzfahrzeug-Töchtern MAN und Scania intensiviert und die Leistung in der Gruppe gesteigert werden, wie VW-Truck-Chef Andreas Renschler in einem Reuters-Interview sagte.

"Natürlich werden wir auch über Wachstumsmöglichkeiten diskutieren." Dazu gehörten auch die USA, "denn wir wollen weiße Flecken füllen". Anders als die Konkurrenten Daimler oder Volvo ist VW auf diesem wichtigen Markt für Schwerlaster nicht aktiv.

Die Wolfsburger haben sich vorgenommen, im nächsten Jahrzehnt sogenannter Global Champion der Branche und damit profitabelster Anbieter zu werden. Renschler machte deutlich, dass dieses Ziel auch die Präsenz in den USA beinhaltet. "Diese Aussage gilt weiterhin." Auf die Frage, ob auch der VW-Konzernvorstand dies unterstütze, antwortete der Truck-Chef: "Ja. Das bleibt auch so." Er habe auch angesichts des Dieselskandals und seiner milliardenschweren Folgen den Kopf dafür frei.

Am Dienstag reichten drei US-Bundesstaaten Klage gegen Volkswagen wegen des Abgasbetrugs ein; sie verlangen hunderte Millionen Dollar an zusätzlichen Strafen. Erst im Juni hatte sich der Konzern mit US-Behörden und Privatklägern auf einen bis zu gut 15 Mrd. Dollar (knapp 14 Mrd. Euro) teuren Vergleich geeinigt, um den Dieselskandal beizulegen. Am Mittwoch teilte VW mit, die Rückstellungen weiter zu erhöhen.

Renschler führte aus, für den Einstieg in den US-Lkw-Markt gebe es unterschiedliche Möglichkeiten. Das Geschäft dort selbst aufzubauen, würde "Milliarden versenken", sagte er. "Das macht überhaupt keinen Sinn." Erwartet wird, dass VW im Nutzfahrzeuggeschäft in den Vereinigten Staaten zukauft oder eine Kooperation eingeht.

Als mögliche Partner werden die US-Hersteller Paccar oder Navistar vermutet. Renschler hielt sich zu seinen Plänen bedeckt: "Man braucht den richtigen Moment, um den richtigen Schritt zu tun. Und man braucht auch ein Stück weit Glück." Der Truck-Chef will im Zuge der Internationalisierung zudem die Kooperation mit dem chinesischen Lkw-Hersteller Sinotruk ausbauen, an dem MAN rund ein Viertel der Anteile hält. "In China schauen wir natürlich, wie wir diese Partnerschaft intensivieren können."

Die früher stark rivalisierenden Lkw-Töchter MAN und Scania sieht Renschler beim Ausbau der Zusammenarbeit "gut unterwegs". Es gehe darum, gemeinsame Plattformen zu schaffen. Wichtigstes Feld sei der Antriebsstrang, der für 60 Prozent des Werts eines Lastwagen stehe, erläuterte der Manager. Dazu zählten Motor, Abgasnachbehandlung, Getriebe und Achsen. "Genau dort spiegelt sich unsere Initiative wider. Wir machen Fortschritte in allen Projekten der Zusammenarbeit."

Auch die gemeinsame Motoren-Entwicklung wird derzeit festgezurrt. Der Konzern will durch die engere Kooperation der drei Nutzfahrzeugmarken, die unter dem Dach der Nutzfahrzeugholding VW Truck & Bus zusammengefasst sind, bis 2025 eine Milliarde an Kosten sparen; allein durch gemeinsamen Einkauf sind es 200 Millionen. Die Entwicklung eines Motors verschlingt weitaus mehr Geld - hier liegt immenses Sparpotenzial.

Dass Scania in Zukunft die großen Motoren federführend entwickeln soll und MAN die oft kleineren Spezialmotoren, wollte Renschler nicht bestätigen. Scania macht vor allem große Lkw und damit große Renditen, MAN viele unterschiedliche Spezialfahrzeuge mit kleineren Motoren, was beides auf die Marge drückt. Zudem hatten die Münchner zuletzt mit der Marktflaute in Brasilien und hausgemachten Schwierigkeiten zu kämpfen. Die Synergieeffekte ergäben sich, wenn der jeweilige Motor zum Einsatz komme, was ungefähr fünf Jahre dauere, sagte Renschler.

MAN wird derzeit restrukturiert, der Stellenabbau ist fast abgeschlossen. "Wir sind noch nicht dort, wo wir hinwollen", sagte Renschler. Welche Renditeerwartungen VW künftig an MAN und Scania stellen wird, und wie sie sich unterscheiden, wollte der Nutzfahrzeug-Chef nicht sagen. Dies soll im Herbst bekannt gegeben werden. Auf der Nutzfahrzeugmesse im September will er eine gemeinsame Plattform für neue digitale Dienste vorstellen, mit denen die Lkw-Bauer künftig mehr Geld verdienen sollen.

Auf die Frage, ob er die Früchte der Bemühungen um eine schlagkräftige Lkw-Allianz nach 2020 selber ernten werde, sagte Renschler, soweit denke er nicht. "Es kommt immer darauf an, wie es mir geht, ob ich überhaupt noch Lust habe, operativ zu arbeiten oder nicht. Ich habe einen Fünfjahresvertrag, ich habe versprochen, den zu erfüllen." (apa/reuters/red)