Außenhandel : Türkische Zentralbank kämpft gegen dramatischen Verfall der Lira

Die Türkei stemmt sich gegen den dramatischen Verfall der Lira. Die Zentralbank des Landes kündigte am Montagmorgen an, die Liquiditätsversorgung der Geschäftsbanken sicherzustellen. Sie werde den Finanzmarkt genau beobachten und alle notwendigen Schritte ergreifen, um die Finanzstabilität zu sichern. Das half der Lira aber nur kurzfristig. Die türkische Währung legte zunächst zu, rutschte dann aber wieder ab.

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Der türkische Finanzminister Berat Albayrak hatte am Wochenende einen Aktionsplan für die Wirtschaft angekündigt, der die Märkte beruhigen und den starken Kursverfall der Lira stoppen sollte. "Von Montagmorgen an werden unsere Institutionen die notwendigen Schritte unternehmen und dies den Märkten mitteilen", sagte der in einem Interview der Zeitung "Hürriyet".

Zentralbank greift ein

Die Zentralbank erklärte, dass sie die Bestimmungen für Lira-Reserven gesenkt habe. Dadurch würden dem Finanzmarkt rund zehn Mrd. Lira, sechs Mrd. Dollar sowie Goldguthaben im Wert von drei Mrd. Dollar an Liquidität zugeführt. Zusätzlich zum Dollar könnten auch Euro zur Absicherung von Lira-Reserven genutzt werden.

Lira hat 40 Prozent an Wert verloren

Die Lira hat seit Jahresbeginn mehr als 40 Prozent ihres Wertes verloren. Allein am Freitag hatte sie 18 Prozent eingebüßt und war auf ein Rekordtief von 7,24 zum Dollar gestürzt. Es war der größte Verlust an einem einzigen Tag seit 2001.

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Zentrale Ursache des Währungsverfalls ist der Kurs von Erdogan

Ein wesentlicher Grund dafür sind Befürchtungen, Präsident Recep Tayyip Erdogan, der seit einer Verfassungsänderung mit besonders großer Machtfülle ausgestattet ist, könnte sich massiv in die Wirtschaft und die Währungspolitik einmischen. So wächst die Besorgnis, dass die Notenbank ihre Unabhängigkeit verliert. Zudem liegt Erdogan mit dem NATO-Partner USA bei mehreren Themen über Kreuz, darunter die unterschiedlichen Interessen im Syrien-Konflikt.

Albayrak, der Schwiegersohn von Erdogan, nannte die Schwäche der Lira einen Angriff. Ähnlich äußerte sich Erdogan. Am Wochenende bezeichnete er den Kursverfall der Lira als "Raketen" in einem Wirtschaftskrieg gegen sein Land. Der Weg aus der "Währungsverschwörung" bestehe darin, die Produktion zu steigern und die Zinsen zu senken.

Erdogan verbietet Firmen die Insolvenz

Erdogan hat sich selbst wiederholt als "Gegner der Zinsen" bezeichnet und angekündigt, eine größere Kontrolle über die Geldpolitik auszuüben. Er will, dass die Banken billige Kredite vergeben und so das Wirtschaftswachstum ankurbeln. Anleger befürchten jedoch, dass es zu einer Überhitzung kommen könnte. Experten haben zuletzt betont, eine deutliche Zinserhöhung könnte den Lira-Verfall bremsen.

Im Streit mit den USA hat Erdogan die Unternehmen der Türkei aufgefordert, sich von der erschwerten Wirtschaftslage nicht beeinflussen zu lassen. Er sei nicht nur die Pflicht der Regierung, die Nation am Leben zu erhalten - "es ist auch die Pflicht der Industriellen und der Händler", so Erdogan.

Er warnte die Firmen davor, Bankrott anzumelden: "Wenn ihr das macht, begeht ihr einen Fehler!" Erdogan verlangte außerdem, dass die türkischen Industriellen keine Fremdwährungen ankaufen sollten - dies könnte die türkischen Banken noch mehr unter Druck setzen. Der Staatschef hatte zuvor davon gesprochen, die USA führten einen Wirtschaftskrieg gegen die Türkei.

Situation der Firmen vor Ort:

Verfall der Lira: Türkische Unternehmen stehen mit dem Rücken zur Wand >>

Ankara lässt Streit um amerikanischen Pfarrer eskalieren

Vergangene Woche hatte US-Präsident Donald Trump eine Verdoppelung der Sonderzölle auf Stahl und Aluminium aus der Türkei angeordnet. Die massive Währungskrise wird derzeit stark verschärft durch die Auseinandersetzung um das Schicksal des amerikanischen Pfarrers Andrew Brunson.

Dieser betrieb mehr als zwanzig Jahre lang eine kleine christliche Kirche im Westen der Türkei. Seit zwei Jahren sitzt er im Gefängnis, weil ihm Behörden der Türkei Terrorismus vorwerfen.

Weiters zum Fall Brunson:

Lira auf Rekordtief: Geschäfte mit der Türkei werden zum Problem >>

Neue Strafzölle Washingtons

Nach der Eskalation des Streits in den vergangenen Wochen hatte US-Präsident Donald Trump am Freitag die Verdoppelung der Strafzölle auf Stahl- und Aluminiumimporte aus der Türkei verkündet.

Ab sofort wird Stahl aus der Türkei mit Abgaben in der Höhe von 50 Prozent statt bisher 25 Prozent belegt. Gleichzeitig hatte hatte Trump angekündigt, auch die Strafzölle auf Aluminium aus der Türkei auf 20 Prozent zu verdoppeln. Für diese Anhebung wurde aber noch kein Datum genannt.

Erdogan drohte daraufhin mit einer wirtschaftlichen und politischen Abkehr vom Westen und kündigt eine stärkere Hinwendung zu Russland, China und der Ukraine an.

Die Türkei habe Alternativen, schrieb Erdogan in einem Meinungsartikel in der "New York Times" vom Wochenende. Wenn die USA die Souveränität der Türkei nicht respektierten, könne die Partnerschaft in Gefahr geraten. Dann könne es für die Türkei nötig werden, sich "nach neuen Freunden und Verbündeten umzuschauen".

(Von Daren Butler, Reuters mit dpa/APA/red)