Kommentar : Trump(f)karte

Es kommt nicht oft vor, dass österreichischen Industrieunternehmen Dumping vorgeworfen wird. Deshalb hat diese Nachricht besonders überrascht: Die US-amerikanischen Töchter von ArcelorMittal und SSAB orteten bei Voestalpine-Blechen aus Kohlenstoff- und Legierungsstahl Unterpreisverkäufe. Das US-Handelsministerium reagierte prompt: Gegen die Voestalpine (und weitere Stahlkocher aus Europa und China) werden ab sofort Strafzölle erhoben.

Voestalpine-Chef Eder gibt sich gelassen. „Das ist ein Randaspekt im großen Spiel, das derzeit abläuft“, sagt er. Randaspekt, weil die Voestalpine nur mit einigen tausend Tonnen Spezialstahl betroffen ist. Das große Spiel ist die Expansion der Voestalpine. Nordamerika soll der Haupttreiber für das weltweite Wachstum der Voestalpine in den kommenden Jahren werden.

Dabei hätte Eder angesichts der Strafzölle durchaus Grund, aufzumerken: Die USA sind gerade im Stahlbereich immer schon protektionistischer als die Europäische Union, deren knieweiche Unterstützung gegen chinesisches Dumping er als Präsident des Europäischen Stahlverbandes immer kritisiert hat. Mit Donald Trump („NAFTA ist der schlechteste Deal der Welt“, „Zölle von 35 Prozent sind gerechtfertigt“) wird ab Januar 2017 ein veritabler Freihandels-Skeptiker ins Weiße Haus einziehen.

Zwar könnte sich Wolfgang Eder genüsslich zurücklehnen und das Schauspiel beobachten. Mit seinem neuen Mega-Werk in Texas verfügt er über lokale amerikanische Produktion, die sich im Falle protektionistische US-Politik als Trump(f)karte herausstellen wird. Und bisher macht er das Amerika-Business ohnehin nur in den USA. Mit einer Milliarde Euro wurde im Vorjahr fast der gesamte NAFTA-Umsatz in den Vereinigten Staaten erwirtschaftet.

Doch da wäre noch die NAFTA-Strategie, mit der die Voestalpine jetzt wachsen soll: In den nächsten drei Jahren soll der Umsatz in Kanada (bisher 179 Millionen Euro) und Mexiko (bisher 62 Millionen Euro) vervielfacht werden. Diese Pläne könnten sich als durchaus optimistisch erweisen: Denn eine Neuverhandlung des Freihandelsabkommens zwischen den drei Staaten ist spätestens nach der Ansage des kanadischen Präsidenten Trudeau ausgemachte Sache. Der derzeitige Hauptprofiteur des Freihandelsabkommens, Mexiko, wird dabei als Verlierer aus dem Rennen gehen. Immerhin werden rund 80 Prozent der Exporte des mittelamerikanischen Landes in die Vereinigten Staaten geliefert.

Zwar ist die Arbeitsteilung innerhalb der NAFTA für US-Unternehmen ein wichtiger globaler Wettbewerbsfaktor geworden – Widerstand der amerikanischen Industrie also zu erwarten. Doch wenn die neue US- Regierung ihre Versprechen, Jobs in die USA zurückzuholen, auch nur im Ansatz wahr machen möchte, dann wird das wohl über die Automotive-Zulieferjobs von Ford, General Motors, Volkswagen oder BMW passieren. Es ist einfacher, mit einem Federstrich Mexiko als Automotive-Werkbank für den US-Markt unrentabel zu machen, als die Produktion von iPhone-Komponenten aus China zurückzuholen.

Das scheint den Voestalpine-Chef nicht zu irritieren: „Mexiko hat als Automotive-Standort enormes Zukunftspotenzial, das wir langfristig nutzen wollen. Daran ändern aufgrund des massiven Engagements vor allem europäischer Automobilhersteller auch die aktuellen politischen Entwicklungen im Nachbarland USA nichts“, sagt Wolfgang Eder.

Tatsächlich ist Eder eher Getriebener als Treiber: Solange europäische Automotivekunden nach Mexiko ziehen (und bis vor Kurzem taten sie es), muss er folgen, will er verhindern, dass die Voestalpine Metal Forming Division abgehängt wird. Auch wenn seine Kunden ihre Rechnung wohl noch ohne Trump gemacht haben. Nur: Das unternehmerische Investitions-Wagnis trägt dabei die Voestalpine: Der Kauf der kanadischen Summo Corp. mit ihren Produktionsstandorten in Burlington, Kanada, und Monterrey, Mexiko, war ein logischer Schritt. Die sechs neuen Assemblierungslinien für die Fertigung von deutschen Premium-Autos im mexikanischen Aguascalientes sind ebenso folgerichtig. Dort will die Voestalpine in knapp einem Jahr Querträger, Dachrahmen und Heckkomponenten produzieren. Ob sich die Produktion für Eders Kunden dann jedoch noch lohnt, wird die Zeit zeigen.