Lokalaugenschein : Trumpf: Das Werk im Werk

Festes Schuhwerk schadet nicht. Denn im weitläufigen Ditzinger Werk des Maschinenbauers Trumpf fallen die Laufwege mitunter länger aus – zentrales Verbindungselement der Produktionseinheiten ist ein Tunnelsystem. „600 Meter ist die längste Teilstrecke lang“, erzählt Michael Tiefelt heiter. Er hat leicht lachen. Um solche Wege zurückzulegen, stehen Trumpf-Mitarbeitern „diverse Transportmittel“ zur Verfügung. Die lassen sich heute aber nicht blicken – und selbst wenn, müsste man wohl den Fußweg antreten. Der sich aber auszahlt. Denn Tiefelt ist bei den Deutschen für das Trumpf-Produktionssystem (Synchro) zuständig, einer Gesamtstrategie zur verschwendungsfreien Produktion. Seit 13 Jahren halten die Schwaben schon an der Strategie fest. Und so glänzt das Werk, das im Jahr über 700 Maschinen zur Blech- und Rohrbearbeitung verlassen, mit vielem, was anderswo vergeblich zu suchen wäre: An den Arbeitsplätzen herrscht peinliche Ordnung. Längst sind Kennzahlensysteme etabliert. Und über das Ausmaß der (Zwischen-)Bestände, die in der Industrie mehr die Bedeutung eines Elefanten als einer Mücke haben, wacht man mit Argusaugen: „Kein Teil liegt hier ab“, setzt Tiefelt eine beschwörende Miene auf. Wartung im Uhrzeigersinn. INDUSTRIEMAGAZIN hatte Mitte November die Gelegenheit, den Betrieb von innen zu erleben. Und einiges traf den Besucher hier, wo vier Maschinen-Grundtypen in 32 Leistungsvarianten montiert werden, ziemlich unvorbereitet: Dass der Ist-Zustand stets der schlechtest denkbare der schlanken Produktion ist, ist beim 2300-Mitarbeiterbetrieb (weltweit: 8800) schwer zu glauben. Der älteste Teil, die Produktionseinheit Laserbaugruppen, wurde 1972 auf die grüne Wiese gestellt. Hier werden – bei einer Fertigungstiefe von unter 20 Prozent – hauptsächlich Komponenten wie der Grundträger für den CO2-Laser gebaut. Von der Planung bis zur Fertigungssteuerung arbeitet die Einheit praktisch autark – „eigentlich ein kleines Werk im Werk“, veranschaulicht Tiefelt. Im „Steuerungsraum“ erfassen die Deutschen Probleme der Fertigung visuell auf Aushängen. Ein roter Punkt ist auf einer Raumkarte zu sehen – das sieht ernst aus. Deshalb sind Führungskräfte – etwa Abteilungsleiter – am Vormittag frei von Besprechungen: „Sie sollen vor Ort zur Lösung des Problems beitragen“, sagt Tiefelt, der die Blicke aufs Jungvolk lenkt: 130 Auszubildende hat der Maschinenbauer derzeit – seit kurzem sind sie wirklich voll integriert: „Wir haben bewusst die Wand zwischen Produktion und Ausbildungsbereich niedergerissen“, lacht Tiefelt. Ebenso augenfällig: Wie ernst die Deutschen die vorbeugende Wartung ihrer Produktionsanlagen nehmen. Für jede Maschine gibt es einen maßgeschneiderten Wartungsplan. Der ist jede Woche einzuhalten – abgearbeitet wird er „im Uhrzeigersinn“, so der Trumpf-Mann. Luftkissenfahrt. Ungehobenes Mitarbeiter-Know-how ist für den Maschinenbauer eine besonders unvernünftige Form von Verschwendung. Deshalb zieht sich das Farbschema (rot – gelb – grün) auf Listen oder Problemreports durchs gesamte Werk. Basis dafür sind nicht immer betriebswirtschaftliche Kennzahlen – „die Eindrücke der Mitarbeiter sind ebenso viel wert“, so Michael Tiefelt. Für einen optimalen Materialfluss haben die Deutschen feste Holpunke und Holzeiten für Transporte eingeführt – es geht hier wie an einer Bushaltestelle zu. Spätestens im Wareneingang werden alleLieferungen von außerhalb auf einheitliche Paletten – meist Euro-Paletten –aufgeladen: „Das beschleunigt den Milkrun“, so der Trumpf-Mann, der schon wieder seine Schritte beschleunigt.Denn jetzt geht es von Ditzingen hinüber nach Gerlingen. Hier hat Trumpf seit 1989 seine Lasermaschinenfabrik. In einer Fließlinie mit zwölf Stationen werden hier „bei einer Taktzeit von zehn Stunden“ (Tiefelt) unter anderem kombinierte Stanz-Laserschneidmaschinen für Blechstärken bis zu acht Millimeter montiert. „Auch in Sonderfarben, wenn der Kunde es so will“, sagt Tiefelt. 80 Prozent der Komponenten werden hier just in time – also jeweils zu Taktbeginn – an der Linie bereitgestellt. Eine Besonderheit: Mit Internetkameras halten sich die Trumpf-Werke auch untereinander „über den Montagefortschritt auf dem Laufenden“, erklärt der mitgereiste Trumpf Maschinen Austria-Chef Alfred Hutterer. Auf Luftkissen rücken die Laser-Maschinen von Station zu Station. Zusatzmodule wie der Laser docken einfach an. Eine riesige Anzeige zeigt: Am Montag, 7 Uhr 33, startet der nächste Takt. Tägliche Kennzahlen.Das Fehlermanagement des Maschienbauers ist direkt ans SAP angebunden. Der Qualitätsmanager behält die Übersicht. Auch untereinander sind die Mitarbeiter in der Montage gut organisiert. „Wichtige Maschinen gehen vor“, sagt Tiefelt. Mitarbeiter anderer Montagestationen springen also ein, wenn irgendwo „Not am Mann“ sei. Eine Strategie, die erst das weitläufige Schulungszentrum möglich macht. Unzählige Übungsmaschinen finden sich hier – „von der Einstiegsmaschine bis zur vollautomatisierten“ (Alfred Hutterer). In der Produktionseinheit „Blechbaugruppe“ dürfen die Jungen zeigen, was sie können: „Auszubildende helfen hier bei Sonderaufträgen mit“, so Michael Tiefelt. Viele der hier gebauten Abdeckungen und Träger für Biegemaschinen finden dann ins Paschinger Werk. Auch hier fällt die Liebe fürs Detail auf: Im Schweißbereich hängt eine Anwesenheitstafel mit kleinen Bildchen aller Mitarbeiter an der Wand.Mit „Synchro Plus“, dem nachgeschärften Produktionssystem, zündeten die Deutschen unlängst die zweite Stufe: In vielen Bereichen sattelte man schon von einem monatlichen Kennzahlensystem auf ein tägliches System um. Tiefelt: „Alles wird noch transparenter“. Der Fußweg für Besucher aber vermutlich nicht kürzer.