Zulieferindustrie : Streit mit Zulieferern: Volkswagen droht jetzt mit Ordnungshaft

Im Streit mit zwei Zulieferern will Volkswagen alle rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen, um ein Ende des Lieferstopps bei seinen externen Partnern durchzudrücken. Am Ende könnte also der Gerichtsvollzieher zur Not mit der Polizei im Schlepptau die dringend benötigten Teile vom Lieferanten holen.

Der Autobauer sei gezwungen, "die zwangsweise Durchsetzung der Belieferung vorzubereiten, und zwar mit den uns zur Verfügung stehenden gesetzlich vorgesehenen Mitteln. Dazu gehören Ordnungsgeld, Ordnungshaft, Beschlagnahme, die über das Gericht beantragt werden", sagte ein VW-Sprecher heute, Freitag. Zuerst hatte die "Süddeutsche Zeitung" darüber berichtet.

Produktion in vier Werken stockt

Weil die sächsischen Zulieferbetriebe Car Trim und ES Automobil Guss Sitzbezüge und Getriebeteile nicht liefern, kommt die Produktion bei VW in mittlerweile vier Werken teilweise zum Stillstand.

Laut dem Pressebericht sind etwa 20.000 Beschäftigte in Emden, Kassel, Zwickau und Wolfsburg bereits in Kurzarbeit oder werden dies bald sein. Modelle wie der Golf oder der Passat laufen nicht mehr wie gewohnt vom Band. Es gab aber laut der "SZ" weiterhin keine Hinweise auf eine gütliche Einigung, obwohl Volkswagen in beiden Fällen bereits vor dem Landgericht Braunschweig vorläufig Recht erhalten hatte.

Laut der einstweiligen Verfügung des Gerichts müssten die beiden Zulieferbetriebe ihre für die Produktion bei Volkswagen benötigten Teile ausliefern, doch tun sie dies weiterhin nicht. Wie das Braunschweiger Landgericht der "SZ" mitteilte, hat VW nun das Recht, Gerichtsvollzieher zu schicken. Diese könnten dann die Sitzbezüge und Getriebeteile pfänden und zu den VW-Werken schaffen lassen.

Die Ankündigung des Autobauers verwundert nicht. Allein schon zum Wohle seiner Aktionäre muss VW alle möglichen Hebel in Bewegung setzen, um die verfahrene Lage zu entschärfen. Bei dem Autobauer ruhen die Fließbänder teilweise schon, für 7.500 Mitarbeiter steht bereits Kurzarbeit an, mehr als 20.000 könnten es noch werden.

Produktion des VW Golf wird gestoppt

Allein im Stammwerk Wolfsburg dürfte die Ausweitung der Kurzarbeit einem Insider zufolge mehr als 10.000 Beschäftigte betreffen. Ein VW-Sprecher sagte, man habe die Logistikunternehmen darüber informiert, dass die Produktion des wichtigen Kompaktmodells Golf am Stammsitz von Montag bis Freitag kommender Woche stillstehen werde.

Allerdings betonte der VW-Sprecher auch, dass der Autobauer die Lage keinesfalls einseitig weiter verschärfen mag. "Parallel versuchen wir weiterhin eine gütliche Einigung mit dem Lieferanten herbeizuführen."

VW liegt im rechtlichen Clinch mit zwei Zulieferern. Einerseits ist das der Getriebeteilespezialist ES Automobilguss, andererseits die Car Trim. Beide sind eigenen Angaben der Prevent-Gruppe zuzurechnen.

Zumindest deren deutscher Teil, die Prevent DEV GmbH mit Sitz in Wolfsburg, reklamiert für sich, "nicht juristisch" mit den genannten Gesellschaften verbunden zu sein. "Wir haben auch keinen Durchgriff auf die betroffenen Gesellschaften. Gleichwohl bedauern wir die Eskalation des aktuellen Konflikts sehr", teilte die Firma mit.

Darum geht es in dem Konflikt - hier der aktuelle Stand

Hintergrund ist ein Rechtsstreit mit der Wolfsburger Unternehmensgruppe Prevent. Zwei Töchter des Konsortiums haben die Lieferung von Bauteilen an VW eingestellt. Bei VW sind es fehlende Sitzbezüge und Getriebegehäuse, die die Wolfsburger von den Prevent-Töchtern Car Trim und ES Automobilguss beziehen.

Lies, der das Land im VW-Aufsichtsrat vertritt, sagte, es sei nicht einfach, die Hintergründe der Auseinandersetzung mit der Prevent-Gruppe vollständig zu durchschauen. Volkswagen selbst habe erklärt, Hintergrund sei ein eskalierter Streit über einen Entwicklungs- und Liefervertrag mit den Unternehmen der Prevent-Gruppe. Noch reichten die Information nicht für eine abschließende Bewertung aus. Die bisherigen Schilderungen ließen jedoch den Schluss zu, dass dies ein unglaubliches und für ihn nicht nachvollziehbares Verhalten von Prevent sei.

Der Fall zeigt nach Ansicht von Experten, welche verheerenden Auswirkungen ein Lieferstopp auf die komplexen Produktionsabläufe bei Autobauern haben kann, bei denen Lieferanten direkt an die Bänder liefern. Wenn ein Teil fehlt, weil ein Lieferant ausfällt oder sich sperrt, gerät die ganze Produktion ins Stocken.

Die Zulieferer sind alteingesessene deutsche Hersteller

Car Trim aus dem sächsischen Plauen schickt schon seit einiger Zeit keine Sitzbezüge mehr an die VW-Tochter Sitech, die dann die Autositze für VW-Modelle fertigt. Deshalb meldete Volkswagen für einen Großteil der Belegschaft in Emden Kurzarbeit an. In dem VW-Werk mit insgesamt gut 9.000 Beschäftigten läuft das Mittelklassemodell Passat in verschiedenen Varianten vom Band, darunter auch der CC. Im Schnitt werden dort 1.250 Fahrzeuge am Tag produziert.

Beim Landgericht Braunschweig hatte Volkswagen vergangene Woche eine Einstweilige Verfügung erwirkt - das Gericht befand, Car Trim müsse wieder liefern. Über diesen Beschluss habe sich das Unternehmen jedoch hinweggesetzt, erklärte VW. Prevent hat Car Trim erst im April übernommen. Im Juni hatte die Chemnitzer Regionalzeitung "Freie Presse" über eine Kündigungswelle bei der sächsischen Firma berichtet.

Auswirkungen in Sachsen

Weil ein weiteres Unternehmen aus diesem Firmengeflecht, die ES Automobilguss GmbH, die Lieferung für Gussteile für Getriebe an Volkswagen einstellte, kam nun auch das Werk Kassel unter Druck. Dort können laut VW bestimmte Getriebe nicht gefertigt werden, wodurch wiederum Teile der Produktion von Golf und Sportsvan in Wolfsburg beeinträchtigt seien. Auch Zwickau ist davon betroffen.

ES Automobilguss, eine alteingesessene Zulieferfirma aus dem Erzgebirge, äußerte sich nicht. Ein Sprecher erklärte auf Anfrage, man sei wegen des Rechtsstreits mit VW zur Vertraulichkeit verpflichtet. Car Trim war ebenso wenig für eine Stellungnahme zu erreichen wie ihre Muttergesellschaft Prevent. (AFP/Reuters/dpa/APA/red)