Standort Ungarn : So hat Ungarn BMW nach Debrezin gelockt

Ungarn ist attraktiv für die internationale Autoindustrie. Umgekehrt spielt die Autobranche eine bedeutende Rolle beim Wirtschaftswachstum des Landes. Der Autobau soll bereits nahezu ein Drittel aller ungarischen Export ausmachen, was laut Wirtschaftsexperten zugleich für eine Abhängigkeit Ungarns vom Autobau spricht.

BMW investiert eine Milliarde Euro

Das beweist auch die jüngste Investition von BMW. Der bayerische Autobauer will um eine Milliarde Euro ein Werk in der ostungarischen Stadt Debrezin bauen (ungarische Schreibweise: Debrecen). Auf dem ungarischen Markt präsent sind bereits seit Jahren Opel in Szentgotthard, Audi in Györ, Mercedes-Benz in Kecskemet und Suzuki in Esztergom.

"Im harten Wettbewerb um die Standorte konnte sich Ungarn sehr erfolgreich behaupten", erklärte Csaba Kilian, Generalsekretär des ungarischen Verbandes der Automobilindustrie, im einem APA-Gespräch.

Niedrige Löhne und weniger Arbeiterrechte

Ungarn ist ein Standort mit niedrigen Lohnkosten, gut ausgebildeten Arbeitskräften und schwachen Gewerkschaften. Bei der Entscheidung für die Donaurepublik spielen diese Aspekte ebenso eine Rolle wie Subventionen, Steuerermäßigungen und ein dichtes Zulieferer-Netz.

"In Ungarn und in anderen Ländern Mittelosteuropas liegen die Löhne nur bei einem Drittel der Löhne in Westeuropa", sagt Kilian. "Neben diesem deutlichen Kostenvorteil müssen aber auch die Effizienz und Produktivität sichergestellt werden." Weitere wichtige Standortfaktoren für Ungarn seien seine ideale geografische Lage, die gute Infrastruktur und das Autobahnnetz.

Auch das ungarische Bildungssystem sei bemüht, sich den modernen technischen Herausforderungen anzupassen. Hinzu kämen hohe staatliche Subventionen für den Großinvestor. "Diese Fördermittel amortisieren sich innerhalb kurzer Zeit, haben sie doch zugleich großen Einfluss auf andere Branchen", erinnerte Kilian.

Arbeitskräftemangel in bestimmten Regionen

In den Regionen, wo sich die großen Autobauer angesiedelt haben, herrsche inzwischen bereits Arbeitskräftemangel. BMW jedoch werde keine Probleme haben genügend Arbeitskräfte zu finden, da in der ostungarischen Region um Debrecen die Arbeitslosigkeit vergleichsweise hoch sei. "Noch dazu ist es mit hohem Prestige verbunden, für einen deutschen Autobauer zu arbeiten", betonte Kilian.

Eckdaten zur Investition in Debrezin

BMW begründete seine Entscheidung für Debrezin, wo es auch einen Flughafen gibt, mit einer sehr guten Infrastruktur, der Nähe zum Lieferanten-Netzwerk und qualifizierten Arbeitskräften vor Ort. Dabei will der deutsche Autobauer mit seiner Großinvestition mehr als 1.000 Arbeitsplätze schaffen. Jährlich sollen bis zu 150.000 Fahrzeuge mit Verbrenner-, Elektro- und Hybridantrieben das Werk verlassen. Die Bauarbeiten sollen im kommenden Jahr beginnen. Der Zeitpunkt der Inbetriebnahme des Werks steht noch nicht fest.

Opel, Audi und Mercedes-Benz schon länger vor Ort

Die anderen deutschen Autobauer, Opel, Audi und Mercedes-Benz, sind schon lange in Ungarn präsent. General Motors eröffnete 1991 mit 660 Mitarbeitern sein Opel-Werk im westungarischen Szentgotthard. 1992 rollte der erste Opel Astra vom Band des größten europäischen Werkes von Opel.

2012 eröffnete Opel mittels einer Investition von 500 Mio. Euro ein neues Motorenwerk mit 800 Arbeitsplätzen und einer Kapazität von 500.000 Motoren im Jahr. 2013 wurde das Motorenwerk erweitert. Aktuell produziert die Fabrik nach offiziellen Angaben mit 1.160 Arbeitnehmern Motoren und Komponenten. Im Vorjahr sah es noch schlecht aus um das Fortbestehen des Werkes, nachdem der französische Automobil-Konzern PSA Opel von General Motors erworben hatte. Im März des Jahres titelten ungarische Medien aber "Werk in Szentgotthard überlebt", nachdem die ungarische Regierung Verhandlungen mit den Franzosen aufgenommen hatte. Details sind nicht bekannt.

Audi Hungaria Györ wurde 1993 als Tochtergesellschaft der Audi AG gegründet und produziert im westungarischen Györ Motoren für Audi und andere Marken des Volkswagen-Konzerns. Im Jahr 2013 weihte das Unternehmen sein neues Automobilwerk ein, in dem der komplette Fertigungsprozess abgedeckt ist. Im gleichen Jahr begann Audi mit der Serienproduktion der Audi A3 Limousine und des Audi A3 Cabriolet. 2014 begann die Serienfertigung des Audi TT Coupe und des Audi TT Roadster.

Mit der neuen Serienproduktion von Elektroantrieben begann heuer eine neue Ära. Der erste E-Antrieb soll im Audi e-tron zum Einsatz kommen. Audi Hungaria fertigte im Vorjahr 105.491 Autos und 1.965.165 Motoren und ist damit einer der größten Motorenproduzenten weltweit. Mit rund 12.300 Beschäftigten ist Audi der größte Arbeitgeber der Region.

Mercedes-Benz errichtete 2012 mit einem 800-Millionen-Euro-Investment sein Werk nahe der südungarischen Stadt Kecskemet und begann mit rund 4.000 Mitarbeitern mit dem Bau von Kompaktmodellen der A- und B-Klasse sowie CLA-Modellen. Im Vorjahr wurden 190.000 Autos hergestellt.

Mit einer Investition in Höhe von einer Milliarde Euro soll nun das erste Full-Flex-Werk entstehen, in dem verschiedene Modelle mit unterschiedlichen Antriebsarten an einem Band produziert werden können. Das neue Werk soll 2.500 neue Arbeitsplätze schaffen und Anfang des kommenden Jahrzehnts seinen Betrieb aufnehmen. In einem Zentrum für duale Ausbildung, das ab September seinen Lehrbetrieb bei Mercedes beginnt, sollen 250 Schüler und Studenten ihre praktische Ausbildung aufnehmen.

Das 1991 gegründete ungarische Werk des japanischen Autoherstellers Suzuki in der nordungarischen Stadt Esztergom komplettiert die Reihe der Autobauer in Ungarn. 1992 wurde in Esztergom der erste Suzuki Swift gebaut. Produziert werden hier aktuell von 3.000 Mitarbeitern SX4 S-Cross und Vitara. Bis 2017 verließen drei Millionen Fahrzeuge das Werk. Exportiert wird auf Märkte weltweit. (APA/red)