Out-of-the-box-Robotik : Robotik: Wie Pilz, Igus & Co den Markt aufmischen wollen

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Zugang zu mehr als 50 Applikationen, ohne großes Programmier-Know-how bedienbar: Wenn Helmut Schmid über Leichtbauroboter spricht, kommt er ins Schwärmen. Doch er gibt auch ganz glaubhaft den Pragmatiker: Nach weniger als einem Jahr sind die leichten Helfer der Dänen in der Regel amortisiert - und in Zeiten proppenvoller Auftragsbücher fast noch wichtiger: "In maximal zwei Wochen sind sie auslieferbereit", sagt Schmid, der bei Universal Robots das Geschäft in Westeuropa managt.

Am Image der jungen Wilden haben die Skandinavier auch nach dem Kauf durch den amerikanischen Konzern Teradyne nichts eingebüßt. Der einzige Angreifer im Segment der Mittelstandsrobotik ist man freilich auch nicht mehr. Eine Vielzahl von Anbietern von Low-cost-Automatisierungstechnik ist am Vormarsch. Sie stoßen direkt ins Herz der deutschen Industrie, den Mittelstand, vor.

Dauerlaufanalysen sprechen zwar für die Premiumanbieter und gegen romantische Verklärung der Leichtbaurobotik, die im Extremfall sogar aus dem 3D-Drucker kommt. "Dass ein Pickroboter ausfällt, können wir uns nicht erlauben", betont Schmid. Unterschätzen dürfe man die Entwicklungen in Richtung Billigautomation "allerdings auch nicht", sagt er nachdenklich.

Ein Markt erwacht

Wenn sich unter die nordische Kühle etwas Vorsicht mischt, spätestens dann ist klar: Der Markt befindet sich im Umbruch. In der Automobilmontage, wo Industrieroboter im Dreischichtbetrieb arbeiten, sind die Felle unter den Big Four - ABB, Kuka, Yaskawa und Fanuc - vielleicht verteilt. Neue Anwendungen mit geringeren Belastungen wie einfacheren Handhabungstätigkeiten, Greif- und Platzierarbeiten oder dem Palettieren aber könnten die Karten neu mischen.

Zuletzt sorgte gleich eine Reihe von Herstellern mit neuen Konzepten der Automatisierung für Aufsehen. Einer davon ist der Industrieautomatisierer Pilz, der seine Zentrale südlich von Stuttgart hat und dort auch die Produktion seiner Service Robotik Module aufgenommen hat. "Wir kommen aus der klassischen Sicherheitstechnik und komplettieren mit Manipulator, Steuerungsmodul, Bedienmodul sowie Software-Modulen auf Basis des Software-Frameworks Robot Operating System unser Portfolio", berichtet Bernd Müller, seit 2012 Industry Manager bei Pilz.

Auch andere Player rücken stärker in den Markt für Leichtbaurobotik vor: Das Roboter-Start-up Franka Emika, an dem sich zuletzt Voith eine zehnprozentige Beteiligung sicherte, ist einer davon. Auch der südkoreanische Konzern Doosan stellte zuletzt einen Prototypen vor, ein Player aus China, den man sich für die Zukunft merken muss, ist Techman. Und der Kölner Hersteller von Kunststoff-Energieketten Igus hat seinem Gelenkbaulasten - vorgestellt wurde die Lösung für die Low-Cost-Automatisierung Beta-Testern 2009 - heuer nochmals ein Update verpasst.

Suche nach der Nische.

Aus Sicht der jüngeren Player ist die Strategie nachvollziehbar: Im alten, angestammten Brot- und Buttergeschäft der Industrieobotik - der Automatisierung im Automobilbereich - mache es überhaupt keinen Sinn für neue Herausforderer, großartig technologische Aufbauarbeit zu leisten: "Dort ist der Zug abgefahren", meint Helmut Schmid von Universal Robots. Da verdienen nur die großen, renommierten Player der Industrieautomatisierung, für die die Automobilindustrie nach wie vor der große Umsatzbringer ist, gut.

Die großen zweistelligen Steigerungsraten aber - lässt man den Automatisierungshunger in Asien beiseite - bietet das Segment der Mittelstandsrobotik. Das will man nicht anderen überlassen. Schon Anfang der 2000er suchten sich Marktriesen wie ABB und Kuka in der Pharma- oder Elektronikindustrie neue einträgliche Nischen. "Auch heute ist der Drang der Herstellerriesen, Vollsortimenter zu sein, groß", beobachtet ein Branchenkenner. Und das laufe laut einem Geschäfsführer eines KMU-Roboterbauers dann so: Mit der selben Philosophie und derselben Logik, mit der man klassische Bestandsgeschäft in der Autoindustrie betreibt, versuchen die Hersteller auch den Leichtbaubereich zu entern", sagt er. Ein tragfähiges Geschäftsmodell sehe anders aus, findet er.

Vollsortimenter halten dagegen.

Andererseits tut man den großen Herstellern unrecht, ihnen mangelnde Wandlungsfähigkeit oder gar Blindheit für die KMU-Themen zu bescheinigen. Ein Standbein in der Leichtbaurobotik etwa schuf sich gerade der Augsburger Hersteller Kuka mit einer Neuvorstellung eines Leichtbau-Modells (LBR iisy). Einen "Produktionsweltenwandler" nennen die Deutschen stolz ihr Baby, das über Drehmomentsensoren in den Gelenken und eine Hülle aus Kunststoff, die auch stoßdämpfend ausgeführt sein kann, verfügt. Mit einer Traglast von drei Kilo zielt der Roboter speziell auf kollaborative Einsatzszenarien in der Elektronikindustrie ab.

Doch die Konkurrenz gibt sich für dieses neue Feld, an dem die Goldgräberstimmung so groß ist, kämpferisch. Im Juni stellte der Hersteller Pilz seine Servicerobotikmodule auf der Automatica vor, mittlerweile ist die Fertigung der Module für erste Pilotkunden am Standort Ostfildern in der Felix-Wankel-Straße 2 angelaufen. Ende diesen Jahres sollen dann auch schon Bundles bestehend aus der Hard- und Software konform zur ISO-Norm 10218-1 - sie regelt die Sicherheitsanforderungen bei Industrierobotern - an Kunden ausgeliefert werden. Dass man - von der Sensorik- und Safetyseite kommend - alles andere als einen Nachteil gegenüber den etablierten Lieferanten von Roboterzellen hat, ist man bei Pilz überzeugt. Man wähnt sich sogar in einer regelrecht blendenden Ausgangslage.

"Die Robotik mitsamt der gesamten Sensorik und Sicherheitstechnik bekommen sie bei den klassischen Anbietern nicht aus einer Hand", heißt es bei Pilz. Und auch: Man sei kein klassischer Roboterhersteller. Hersteller im eigentlichen Sinne sei derjenige, "der einen Roboter aus den Modulen unseres Baukastens zusammensetzt", sagt Müller.

Böses Blut in gemeinsamen Projekten, bei denen beispielsweise Kuka oder Yaskawa den Roboter stellt und Pilz die Sensorik beisteuert, will er deshalb ob der neuen Ausgangslage jedenfalls nicht wahrnehmen. „Wir möchten auch Roboterhersteller zu unseren Kunden zählen, die von uns Module beziehen“, fügt er hinzu.

Feuer aus allen Rohren

Die Überzeugung, frühzeitig die Weichen für den Einstieg in die Leichtbaurobotik zu stellen, machte sich im Pilz-Management jedenfalls frühzeitig breit: Schon 2012, als in den Normungsgremium immer mehr das Thema Servicerobotik aufkam, war darin einer besonders involviert: Pilz-Geschäftsführer und Miteigentümer Thomas Pilz. Jetzt gehe es erst einmal darum, sich möglichst viele Anwendungsfälle anzuschauen, sagt Pilz-Experte Bernd Müller. Das Ziel war ja von Anfang an, sich nicht auf Roboter zu beschränken. Alles aus einer Hand - bis hin zur CE-Kennzeichnung - sei die Devise. 2019 werde man dann auch in Österreich Kunden live von den Vorteilen der Pilz´schen Modullogik überzeugen.

Fremdeln mit dem low-cost-Image

Am Heimmarkt rechnen die Automatisierer von Pilz schon heute Kunden vor, wie sie durch die Nutzung der Module Kosten in ihren Automatisierungsprojekten sparen. In die low-cost-Ecke drängen lassen will man sich nicht. "Dass wir bei Parametern wie Dauerlauf und Genauigkeit Abstriche machen, kann ich nicht unterschreiben", sagt Müller. Man stelle die Qualität bereit, die Branchen wie die Medizintechnik oder Logistik bräuchten. "Aber natürlich werde man sich weiterentwickeln und im Feld Erfahrungen sammeln", heißt es bei Pilz.

Fest steht: Um Auftragsspitzen in der Produktion mittels leistbarer Automatisieurngstechnik abzufangen, gibt es mittlerweile reichlich Auswahl.