Kranbauer : Palfinger Marine: Untiefen

launch & recovery systems pfh life boat marine cranes palfinger
© Palfinger

Ende Juli ließ Andreas Klauser nichts über seinen Vorgänger kommen. „Ohne Herbert Ortner wäre Palfinger nicht das, was es heute ist“, meinte der Vorstandsvorsitzende des Salzburger Kran- und Hebebühnenproduzenten im Gespräch mit dem INDUSTRIEMAGAZIN. Andreas Klauser war damals zwei Monate im Job und gerade dabei, sich einen Überblick im 11.000 Mitarbeiter großen Unternehmen zu schaffen. Heute, vier Monate später sind Klausers Worte in einem doppelten Sinn zu verstehen: Das Erbe Herbert Ortners droht die erfolgsverwöhnten Kranbauer um Jahre zurückzuwerfen. Denn es gibt für den neuen CEO mehr aufzuräumen als erwartet.

Boom und Krise

Das Unternehmen befindet sich in einer schizophrenen Situation: Weite Teile der Produktreihen der Salzburger sind am Markt gefragt wie nie zu vor – und dennoch, oder gerade deswegen, steckt das Unternehmen in einer Krise. Ohne Hochkonjunktur würde das Unternehmen in ernste Schwierigkeiten kommen.

Die Auftragsbücher von Palfinger quellen besonders im Bereich der LKW-basierten Kräne über: Die florierende Baukonjunktur und die nach den Sturmkatastrophen schwer getroffene Forstwirtschaft sorgen für eine nahezu unstillbare Nachfrage. Kunden berichten von Lieferzeiten von neun Monaten und mehr – und dies je nach Wahrnehmung seit mindestens eineinhalb Jahren. In einem Firmenblog hofft Andreas Klauser, „den Auslieferungsrückstand in den nächsten Monaten abzubauen.“

Ganz anders – und für das Unternehmen akut bedrohlicher sieht es für Palfinger zu Wasser aus: Der 2016 getätigte Kauf des Marineausrüsters Herkules Harding Holding AS (damals 800 Mitarbeiter, 140 Millionen Euro Umsatz) in Seimfoss entwickelt sich zum Millionengrab. Im Oktober kam auch die Österreichische Prüfstelle für Rechnungslegung (OePR) zu diesem Schluss. Sie forderte in der Bilanz 2017 eine Wertberichtigung der „Business Area Marine“. Die Palfinger-Division Sea sei weniger wert als dies in den Büchern steht.

Der Firmenwert von Harding war Ende 2017 noch bei 156,5 Mio. Euro angesetzt. Das gebe die Situation nicht mehr her, meinte die OePR. Jetzt rechnet der Palfinger-Vorstand damit, diesen Ansatz nachträglich um „rund die Hälfte dieses Firmenwertes“ nach unten korrigieren zu müssen – mit schwerwiegenden negativen Auswirkungen auf Eigenkapitalquote und Verschuldensgrad. Auch wenn diese Bilanzmaßnahme keinen Einfluss auf die operativen Zahlen des Unternehmens haben, so unterstreichen sie den Wertverfall, den die größte Palfinger-Akquisition in der Firmengeschichte genommen hat – und derer waren in der Ära Ortner einige.

Schwere See

Nach mehr als zwei Jahren Zugehörigkeit von Harding zur Palfinger-Gruppe nehmen die Probleme eher zu als ab. Palfinger-Sprecher Hannes Roither bestätigt, dass es in Norwegen einen höheren Kapitalbedarf als erwartet gäbe. Zahlen wollte er dabei aber keine nennen. Im Bericht für das dritte Quartal werden die bisherigen Restrukturierungskosten für das Segment Sea mit 8,5 Mio. Euro angegeben. 2017 waren es zum gleichen Zeitraum weniger als die Hälfte (4,1 Mio.). Zulieferer berichten, dass in Vorbereitung befindliche Kapazitätserweiterungen an österreichischen Standorten aufgeschoben wurden – und zwar unter dem Hinweis, erst die Kalamitäten in Norwegen beseitigen zu müssen. Auch von geplanten Dividendenkürzungen ist die Rede, da die um rund fünf Prozent sinkende Eigenkapitalquote nicht anders ins Lot gebracht werden könne. Palfinger-Sprecher Hannes Roither dementiert beide Gerüchte: Die Investitionsvorhaben für die kommenden Jahren blieben unverändert. Und von einer Änderung der Dividendenpolitik könne keine Rede sein. Richtig sei, dass es im Segment Sea Restrukturierungsbedarf gäbe, dies „habe man aber bereits kommuniziert“. Das Konzerneigenkapital beträgt vor der Wertberichtigung 575,7 Mio. Euro, was einer bisherigen Eigenkapitalquote von 37,3 Prozent entspricht. Im Zuge der Wertberichtigung wird das Eigenkapital um etwa 75 bis 80 Mio. Euro schrumpfen.

Gehobene Sicherheit

Die Probleme im Sea-Bereich haben nahezu ausschließlich mit der norwegischen Neuakquisition zu tun. Zwischen 2010 – der Spartengründung – bis 2013 war der Marine Bereich mit teilweisen zweistelligen Margen hochpositiv. Dann kam die Ölkrise mit einem globalen Investitionsstopp. Hauptkunden im Sea-Bereich sind Werften, Reedereien und Bohrplattformen, die vor allem ihre Sicherheitseinrichtungen mit Palfinger-Kränen ausrüsten sollen. Als Harding 2016 ins Boot geholt wurde, verschärften sich die Abgänge. In den ersten drei Quartalen 2018 lag das operative Ergebnis des Marinebereichs (EBIT) bei minus 13,3 Mio. Euro, nahezu der doppelte Abgang der Vorjahresperiode. Der Umsatzanteil der Sea-Sparte sank dabei von 20 Prozent vor zwei Jahren auf mittlerweile 14 Prozent.

So erodiert der Stellenwert des maritimen Palfinger-Segments zusehends und wird zum Subventionsempfänger der Land-Sparte, die zuletzt mit einem fulminanten Ebit von 133 Mio. Euro (QIII) aufwarten konnte.

Zwei Welten

In einem Interview mit dem INDUSTRIEMAGAZIN Ende Juli des Jahres bekannte sich Palfinger -CEO Andreas Klauser unverbrüchlich zur Übernahme von Harding: „Sie können keinen Rettungskran verkaufen, wenn Sie nicht das Rettungsboot dazu liefern.“ Die Notwendigkeit für Änderungen läge aber auf dem Tisch: „Land und Sea sind separate Welten. Die Synergien wurden nie gesucht und nie gehoben.“ Das gelte es zu ändern. Er kündigte an, die Beschaffung übergreifend zu organisieren und die Innovationsprojekte sowie Verkaufsaktivitäten zusammenzuführen. Die Kosten sollen so um 10 bis 15 Prozent gesenkt werden, gab sich Klauser noch sommerlich optimistisch.

Zähe Sanierung

Bis heute laufen die Dinge schlecht. Der für die Restrukturierung der maritimen Sparte zuständige Palfinger-Vorstand Felix Strohbichler steht entsprechend unter Druck. Denn die Marktentwicklung erweist sich deutlich schwächer als erwartet. Zwar stiegen die Ölpreise seit Beginn des Jahres – was die Service-Geschäfte von Harding wieder etwas aufleben ließ, doch scheinbar unaufhaltsame Absturz des Preises des Schwarzen Golds seit Mitte November ist für die Salzburger ein Alarmsignal. Auch bei der Neuausrüstung mit Rettungssystemen bei Fähren, Frachtern und Tankern gibt es keine positive Entwicklung. Außerdem greifen nach Aussagen von Palfinger-Mitarbeitern die Kostensenkungsprogramme nur sehr langsam. Ein gemeinsamer Einkauf oder auch ein vereinter Verkaufsauftritt der Land- und Sea-Segmente sei nur schwer umzusetzen. Dazu hätten Rettungsboote und Kräne zu geringe Überschneidungen.

Wenn nichts hilft

Der frühere Palfinger-Chef Herbert Ortner hatte die Akquisition der norwegischen Harding stets damit begründet, Palfinger durch ein zweites Standbein krisensicherer zu machen. Den Nachweis dieser Strategie überlässt er durch seinen überraschenden Abschied im Herbst 2017 aber seinen Nachfolgern. Die Symbiose aus Boot und Kran fällt schwerer als geplant. Die Geduld des hart zupackenden Nachfolgers Andreas Klausers scheint begrenzt. Er will Harding und den gesamten Sea-Bereich bis Ende 2019 in die Gewinnzone bringen. Wenn dies nicht gelingt, gäbe es nur einen Ausweg: „Sonst müssen wir verkaufen“