Standort Wien : Kritik der Industrie: Abwanderung der Betriebe aus Wien geht weiter

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© Peter Martens

Wien hat seit 2001 Betriebsflächen im Ausmaß von 640 Fußballfeldern verloren - weil die Grundstücke für den Wohnbau freigegeben wurden. Das hat die Wirtschaftskammer Wien errechnet. Kammerpräsident Walter Ruck und Industrie-Obmann Stefan Ehrlich-Adam kritisierten diese Entwicklung. Die Produktionswirtschaft verliere in der Stadt damit weiter an Boden.

Zahlen bestätigen den Trend

Insgesamt gingen rund 460 Hektar an möglichen Produktionsstätten verloren. Dies sei ein "klassisches Eigentor", zeigten sich die Kammervertreter überzeugt. Denn Wiener würden nicht nur dringend Wohnungen brauchen, sondern auch Jobs. "Nur: Wo sollen diese entstehen, wenn immer mehr Betriebe aus Wien abwandern?", pochte Ruck auf einen "Strategiewechsel".

Den Trend zur Absiedlung wurde von der Kammer ebenfalls mit Zahlen untermauert: 2001 waren noch 1.143 Industriebetriebe mit mehr als 69.000 Beschäftigen in Wien tätig. 15 Jahre ist die Zahl auf knapp 700 Unternehmen mit 50.700 Beschäftigten geschrumpft. Seit 1992 haben sich sogar sechs von zehn Industriebetrieben aus Wien verabschiedet.

Sowohl die Vorteile als auch die Nachteile von Wien werden stärker

Eine Umfrage unter Industrieunternehmen verdeutlicht laut Wirtschaftskammer zudem, dass der Standort Wien zunehmend polarisiert. Denn sowohl die Vorteile als auch die Nachteile hätten zugelegt, hieß es. Lobend wurden die gute Erreichbarkeit, die Nähe zu den Staaten Mittel- und Osteuropas und die Infrastruktur erwähnt. Kritisiert wurden hohe Lohn- und Betriebskosten sowie eine "übersteigerte" Bürokratie.

34 der 162 befragten Unternehmen haben laut Ehrlich-Adam in den vergangenen Jahren zumindest einige Betriebsteile verlagert. Die Mehrheit davon bleibt in Österreich. Gewechselt wird in diesem Fall meist nach Niederösterreich. Von den Firmen, die sich im Ausland engagiert haben, tat dies der größte Teil (77 Prozent) in Ungarn.

Brach liegende Gewerbeflächen nutzen statt neue zubetonieren

Gefordert wird nun, dass zusätzliche Betriebsflächen im Ausmaß von 230 bis 330 Hektar für die nächsten zehn Jahren sichergestellt werden. Die aktuelle Umwidmungspolitik solle hingegen beendet werden, verlangen die Wirtschaftsvertreter. Ältere Betriebsgebiete wiederum seien attraktiver zu gestalten. Wobei durchaus Zuversicht besteht, dass sich "etwas zum Positiven" ändern könnte, wie die Wirtschaftsvertreter mit Verweis auf aktuelle Gespräche über ein Standortabkommen mit der Stadt betonten.

Was bei Forderungen nach mehr Raum gerne nicht erwähnt wird: Der Flächenverbrauch in Österreich ist enorm und gehört im Vergleich zu den Ländern in ganz Europa zu den höchsten. So werden in Österreich Tag für Taag 20 Hektar fruchtbares Land verbaut. Das entspricht 30 Fußballfeldern - täglich.

Offiziell verliert Österreich jedes jahr 0,5 Prozent seiner Agrarflächen. Das heißt, wenn es so weitergeht, wird in wenigen Jahrzehnten die für den Anbau von Pflanzen und als Naturraum verfügbare Fläche dramatisch geschrumpft sein.

Parallel gibt es hierzulande inzwischen weit über 130.000.000 Quadratmeter Industriebrachen - ungenutzt wohlgemerkt. Das sind zubetonierte, zuasphaltierte und zugebaute Flächen, die leer stehen, aber als Agrarfläche unwiederbringlich verloren sind. (apa/red)

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