Forschung : Kann man die komplette Supply Chain simulieren?

Stapler lager intralogistik
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Viel typischer kann ein österreichisches Unternehmen nicht sein. Metallverarbeiter, ein paar Dutzend Mitarbeiter, Umsätze im einstelligen Millionenbereich. Mitten im oberösterreichischen Industriegürtel gelegen, kämpft es wie viele KMU permanent mit der Optimierung seiner logistischen Prozesse – nicht zuletzt aufgrund der personellen Kapazitäten. Das Unternehmen ist österreichischer Durchschnitt. Und es existiert nicht.

„Ein großer Schritt weiter“

Zumindest nicht reell. In den Rechnern des Logistikums der FH Oberösterreich in Steyr ist die Firma quicklebendig. Logistik-Labor – „LogLab“ – heißt das Projekt, das unter Leitung des Logistikprofessors Gerald Schönwetter seit rund einem Jahr läuft. Bis zum Sommer 2018 soll das Projekt eine Simulation schaffen, die die Planungsprozesse in einer Wertschöpfungskette realistisch nachvollzieht.

„Simulationen“, sagt der FH-Professor, „sind natürlich nichts prinzipiell Neues, es gibt mehrere Ansätze mit konkreten Unternehmen und natürlich auch diverse Planspiele im Rahmen der Ausbildung. Wir möchten aber einen großen Schritt weiter gehen: Indem wir den kompletten Prozess entlang der logistischen Kette betrachten, wollen wir ein Modell erstellen, das die konkrete mittelfristige Planung – in erster Linie für KMU – möglich macht.“

Gerald Schönwetter und sein Team gehen vom Modell des Sales & Operations Planning aus, also der ganzheitlichen Betrachtung der Faktoren Produktivität, Bestandsoptimierung und Termintreue im Rahmen eines integrierten Geschäftsprozesses. Dazu gehört etwa auch das Thema Absatzplanung: Wie können Unternehmen den tatsächlichen Auftragseingang mit den Forecasts zur Deckung bringen? Und wie auf stochastische Schwankungen reagieren und damit Risiken minimieren?

„Wir beginnen die Erstellung der Simulation auf der Kundenseite“, erzählt Gerald Schönwetter, „und arbeiten uns durch die Supply Chain des ganzen Unternehmens bis hin zur Ebene der Lieferanten.“

Grenzüberschreitend

Das Logistikum hat sich für das LogLab-Projekt einen Partner im nahen Bayern gesucht: Am Technologie-Campus Grafenau der technischen Hochschule Deggendorf (dem „Silicon Forest“) ist man auf Datenanalytik in Supply Chains spezialisiert – und vor allem auf den Umgang mit und die Analyse von großen Datenmengen. Auch die bayerisch-österreichische Interreg-Förderung 2014-2020 ist eine grenzüberschreitende und finanziert dieses Projekt.

Die Forscher entschieden sich bewusst dagegen, den Simulationen im LogLab die Daten eines existierenden Unternehmens zugrunde zu legen. Die aus langjährigen Firmenkontakten abgeleiteten „idealtypischen“ Daten eines klassischen KMU eignen sich in Schönwetters Augen eher dazu, eine möglichst allgemeingültige Simulation zu erstellen.

Schwerpunkt Didaktik

Die Ergebnisse des LogLab werden in erster Linie der Aus- und Weiterbildung bildung dienen. Die Simulation wird in ein innovatives didaktisches Konzept eingebettet, „die Studierenden sollen die Prozesse, die sie später einmal eigenverantwortlich umsetzen müssen, möglichst realitätsnah ausprobieren können“, sagt Schönwetter, „wir wollen die künftigen Logistiker damit möglichst anschaulich an das Thema Sales & Operations Planning heranführen. Diesen Ansatz zu stärken, ist mir ein besonderes Anliegen.“

Wie aus LogLab einmal ein Geschäftsmodell entstehen wird, indem die Simulation auch Unternehmen angeboten wird, ist noch offen. Dass der Bedarf bestünde, bestätigt auch Gerald Schönwetter. „Vor allem bei kleinen und mittleren Unternehmen gibt es sehr häufig Verbesserungspotenzial in den Planungsprozessen, vom Bereich Absatz bis hin zu den Lieferanten.“ Zunächst sucht das Team nach weiteren Partnerunternehmen, denen sie das LogLab vorstellen kann, um gemeinsam eine Art Praxis-Validierung zu erreichen.

Und wenn das Projekt 2018 abgeschlossen ist? „Die Simulation wird bis dahin komplett sein“, sagt Gerald Schönwetter, „und die Basis für weitere Forschungsaktivitäten .“

Bernhard Fragner