Förderungen : "Industrie 4.0" im Förderfokus

Wenn von „diskreter Fertigung“ die Rede ist, dann ist damit nichts Unanständiges oder Verborgenes gemeint. Im Gegenteil: Es beschreibt das Idealbild der industriellen Produktion der Zukunft; die rentable Herstellung kleiner Stückzahlen bei gleichzeitig größtmöglicher Automatisierung und Digitalisierung. Dabei kommunizieren Menschen, Produkte, Maschinen und Werkstoffe in immer komplexeren computergesteuerten und per Internet verbundenen Systemen miteinander.

Damit diese Vision bald in die Realität umgesetzt werden kann, gibt es aktuell verschiedene Forschungsprogramme zur Forcierung des Konzepts „Industrie 4.0“. Alleine das Infrastrukturministerium schüttet in Zusammenarbeit mit der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) zu diesem Zweck 185 Millionen Euro im Jahr aus. Mehr als 20 Millionen Euro davon entfallen in diesem Jahr auf den Aufbau und die Etablierung von digitalen Pilotfabriken an den Technischen Universitäten Wien und Graz und der Johannes-Kepler-Universität Linz – jeweils mit Partnern aus der Industrie.

Detlef Gerhard ist Dekan der Fakultät für Maschinenwissenschaften und Betriebswissenschaften an der TU Wien. Er erklärt den Ansatz der Wiener Pilotfabrik in der Seestadt folgendermaßen: „Eine durchgängige Datenverarbeitung kann alle Schritte von der individuellen Konfiguration und Bestellung eines Produkts, über notwendige konstruktive Anpassungen, bis hin zur Teilefertigung und Montage automatisch miteinander verbinden.“ Die Vernetzung führt zu Optimierung und Effizienz, sodass auch kundenindividuelle Wünsche und kleine Stückzahlen ohne Mehrkosten produziert werden können. Der Gegensatz zwischen billigem Fließband und teurem Einzelstück gilt dann nicht mehr.

Losgröße 1 als Ziel

Welche Arbeitsschritte müssen demnächst erledigt werden? Wie kann man sie möglichst effizient zusammenfassen? Kann man die Reihenfolge der Schritte so wählen, dass Zeit und Energie gespart wird und die Maschinen optimal ausgelastet sind? Solche Entscheidungen lassen sich in einer modernen Fabrik nicht von Menschen treffen, dafür ist das Gesamtsystem zu kompliziert.

In der Pilotfabrik der TU Wien werden neue Industrie-4.0-Ansätze anhand der Produktion von 3D-Druckern untersucht. „Das ist ein Produkt, das sich für

unsere Zwecke sehr gut eignet“, meint Gerhard. „Es ist komplex genug, um als Beispiel zu dienen, vereint mechanische Komponenten mit elektrischen Antrieben, Elektronik und Software zur Steuerung und kann in vielen unterschiedlichen Varianten produziert werden, z. B. in verschiedenen Größen oder mit unterschiedlichen Druckköpfen. Das bringt entsprechende Herausforderungen für die Planung des Produktionsprozesses mit sich.“

In der Steiermark erforscht man an der „smartfactory@tugraz“, gemeinsam mit rund zwanzig Partnern aus der Wirtschaft, vor allem Fragen der Datensicherheit und Verlässlichkeit von computergesteuerten Produktionssystemen.

Eine vernetzte Fertigung ist potenzieller Angriffspunkt für Attacken von außen oder Spionage. Gleichzeitig ist eine hohe Verfügbarkeit und Korrektheit der Datenverarbeitung zu gewährleisten.

Mit an Bord bei der Grazer Pilotfabrik ist auch Siemens Österreich. Für Kurt Hofstädter, Leiter der Division Digital Factory, ist die voranschreitende Digitalisierung die Antwort auf den weiter zunehmenden internationalen Wettbewerb: „Mit neuen digitalen Verfahren können wir in der Produktion Effizienzsteigerungen erzielen, neue Dienstleistungen oder innovative Geschäftsmodelle entwickeln und damit Arbeitsplätze und Wertschöpfung in Österreich halten. Deswegen bringen wir uns sehr aktiv in die Pilotfabrik ein.“

Auch in Linz kooperieren 23 heimische Unternehmen mit der „LIT Factory“, um digitalisierte Produktionstechnologien erproben zu können, ohne die Fertigung im eigenen Betrieb zu stören. Darunter etwa die Greiner Gruppe oder der Schwertberger Anlagenbauer Engel, die die Pilotfabrik auch zur Schulung des eigenen Personals verwenden. Dadurch ist gewährleistet, dass die Pilotfabriken nicht zu Elfenbeintürmen verkommen, sondern die Fördergelder konkreten Mehrwert produzieren.

Förderung von Ausgründungen

Wenn Forschungsergebnisse nicht wirtschaftlich umgesetzt werden können, sondern ungenutzt in der Schublade verschwinden, ist das doppelt schade. Zum einen wegen der Arbeit, die investiert wurde, zum anderen wegen der Potenziale, die verloren gehen. Um das zu verhindern, fördert die Initiative „Spin-off Austria“ seit diesem Jahr Gründerinitiativen an Universitäten und Forschungseinrichtungen. Akademische Arbeit in konkrete Geschäftsideen zu gießen und die Gründung von Unternehmen voranzutreiben, ist das Ziel der gemeinsamen Initiative von Wissenschaftsministerium, aws und FFG.

Welche teils enorme Innovationskraft an heimischen Forschungseinrichtungen vorhanden ist, beweist das Beispiel der Mettop GmbH. Das Unternehmen beschäftigt sich mit der Optimierung und Entwicklung von Technologien im Bereich metallurgischer Prozesse und ist ein Leobener Spin-off. „Ein Programm wie Spin-off Austria hätte während meiner Zeit an der Montanuniversität den mitunter beschwerlichen Weg von der Idee bis zur Unternehmensgründung enorm erleichtert“, meint Iris Filzwieser, die 2005 gemeinsam mit Partnern die Mettop GmbH gründete und mittlerweile zu einem Global Player machte. Für sie sind vor allem die finanzielle Unterstützung und die Freistellung von anderen Lehr- oder Universitätsverpflichtungen die größten Vorteile von Spin-off Austria. „Auch die Möglichkeit, sich bereits frühzeitig Investoren zu öffnen, ist in meinen Augen ein entscheidender Vorteil des neuen Programms“, ergänzt sie das Potenzial dieser Förderung.

Zielgruppe von Spin-off Austria sind alle forschungs- und gründungsaffinen Personen, die mindestens einen Bachelorabschluss haben und für die Laufzeit eines Spin-off Fellowships (maximal 18 Monate) an einer Forschungseinrichtung angestellt sind.

Auch die Apeiron Biologics AG war einmal ein Spin-off. Sie wurde 2006 vom heimischen Top-Wissenschaftler Josef Penninger gegründet. Auf der Basis seiner Forschungsarbeit ist das Wiener Unternehmen mittlerweile eine feste Größe im Bereich der Immun-Onkologie. Apeiron arbeitet an Immuntherapien gegen Krebs und wurde auf seinem Weg von der akademischen Idee zum konkreten Unternehmen von aws, FFG und der Vienna Business Agency gefördert. Vor kurzem erhielt Apeiron den Zuschlag für ein Förderdarlehen in der Höhe von 25 Millionen Euro von der Europäischen Investitionsbank.

Mit diesen Mitteln kann am Unternehmensstandort in St. Marx noch einmal intensiv in Forschung und Entwicklung investiert werden. Der Cluster „Vienna Biocenter“, in dem sich neben Apeiron noch 17 weitere Biotech-Unternehmen, Forschungseinrichtungen und eine Fachhochschule befinden, ist sichtbares Zeichen dafür, dass die Förderung von Forschung und Entwicklung eine enorme Sogkraft und echte wirtschaftliche Impulse bringt. 1.700 Angestellte, 1.300 Studenten und elf Wittgenstein Awards sprechen eine deutliche Sprache.

Aws fördert Industrie 4.0

Das modulare Förderprogramm der aws bietet Barzuschüsse für alle Phasen der Implementierung von Methoden der Industrie 4.0 und Digitalisierung von Geschäftsprozessen. Gefördert werden die Analyse- und Konzeptphase, Investitionen in Industrie 4.0-fähige Anlagen sowie Schulungs- und Qualifikationsmaßnahmen. Zu den finanzierbaren Kosten zählen dabei interne/externe Personalkosten, IKT-Kosten, Sensorik/Aktorik/Robotik, spezielle Komponenten zur Kommunikation von Maschinen und Produkten und avancierte Steuerungseinrichtungen.

Die Förderung erfolgt in Form von Barzuschüssen in der maximalen Höhe von insgesamt 500.000 Euro pro Projekt und Unternehmen. Die Einreichung ist jederzeit möglich. Die Grenze für De-minimis Förderung liegt bei 200.000 Euro pro Unternehmensgruppe, wobei andere De-minimis Förderungen im laufenden und in den zwei vorangegangenen Geschäftsjahren einzurechnen sind.

Spin-off Fellowship

Abgewickelt wird die Förderung durch die Österreichische Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) im Auftrag des Wissenschaftsministeriums. Die Laufzeit des Fellowships beträgt mindestens 12 und maximal 18 Monate, abhängig vom Aufwand und Umfang der noch durchzuführenden Weiterentwicklungen. In dieser Zeit können die Kosten für Forschung und die technische Weiterentwicklung des Innovationsprojekts sowie die Kosten für Weiterbildung, Coaching und Mentoring gefördert werden.

Die Förderung pro Spin-off beträgt mindestens 100.000 Euro und maximal 500.000 Euro.