Preisausschläge : Frachtraten-Entwicklung im Herbst

„In Österreich ist die nachgefragte Transportmenge heuer um zehn Prozent gestiegen“, schätzt Reinhard Just, Landverkehrsvorstand von Schenker. Für Logistiker bedeutet das ein Kapazitätsproblem: In der Krise stillgelegte LKW fahren zwar wieder, sofern die Frächter nicht in die Pleite geschlittert sind, „aber es hat keiner investiert, keiner etwas repariert, die Banken haben nicht finanziert, und der Fahrerberuf ist auch nicht attraktiver geworden“. Die Folge: „Zu wenig technische Kapazität, zu wenig Personal“, speziell in den Westeuropa-Verkehren. „Es mangelt immer noch an Laderaum“, bestätigt Paul Schröter von der europaweit agierenden Frachtenbörse Trans: „Der Frachtüberhang beträgt je nach Region zwischen 15 und 35 Prozent.“ Das zieht eine Spur durch die Kosten, und die Frächter sitzen am längeren Hebel: „Im Einkauf sind die Preise heuer im Schnitt um drei bis fünf Prozent gestiegen“, beziffert Schenker-Vorstand Just die Knappheitsprämie.Und das noch ohne die leidigen Dieselpreiszuschläge. Hier sieht Just die Logistiker in der Zwickmühle zwischen Frächtern, die an Dieselpreisindex gekoppelte Garantiepreise verlangen und auch bekommen, und seinen Verladern, die um jeden Zuschlag feilschen: „Viele Kunden versuchen lange gleitende Durchschnitte, Schwellenwerte oder zeitverzögerte Weitergabe durchzusetzen.“ Kosten sparen und Kapazität freimachen könne hingegen eine bessere Organisation der Schnittstellen, meint Just. Auch wenn der Trend momentan in eine andere Richtung gehe, etwa durch die „Unsitte, dass man über Internettplattformen in den Verteilzentren Entladefenster buchen soll.“Der aktuelle Transport Market Monitor von Transporeon und Capgemini spiegelt Kapazitätsprobleme und die zeitverzögerte Weitergabe von Kostenveränderungen wider: Trotz gestiegener Treibstoffkosten sank der Preisindex im ersten Quartal 2011 im Vergleich zum vierten Quartal 2010 um 5,6 Prozent; in zweiten Quartal stieg er dafür um 7,8 Prozent, obwohl der Dieselpreis im selben Zeitraum nur um 5,8 Prozent zulegte. Der Preissprung ist auf die deutlich gestiegene Nachfrage zurückzuführen. (siehe Grafik). Frachtraten im Keller, Treibstoffzuschlag auf dem Gipfel.Ganz anders das Bild bei der Seefracht. Der Baltic Dry Index, ein Indikator für Schüttgut, fiel im August auf die Hälfte des Wertes von Herbst 2010. Die Frachtraten erreichten ihren Nachkrisenhöchststand Mitte 2010. „Seither hat sich der Preis für containerisierte Exportsendungen nach Fernost - trotz steigenden Exportvolumens - um bis zu 50 Prozent reduziert,“ beobachtet Michael Fraberger, Produktmanager Seefracht bei Gebrüder Weiss. Ähnlich stark seien die Seefrachtraten im Export an die südamerikanische Ostküste zurückgegangen. Nicht einmal überhöhte Treibstoffzuschläge der Reedereien konnten das Abbröckeln der Frachtraten kompensieren: Von 2008 bis 2011 stiegen die reinen Bunkerkosten um 186, der „Bunker Adjustment Factor“ aber um 227 Prozent. Stabilisiert haben sich hingegen die Preise für Exportsendungen nach USA, Australien, Südafrika, Ozeanien sowie an die südamerikanische Westküste. Dass auch die lokalen Kosten in Europa steigen, liege, so Fraberger, an den Hafen- und Terminalbetreibern: „Sie haben die lagergeldfreien Zeiten sehr reduziert und setzten das auch rigoros durch.“Hauptgrund für fallende Frachtraten ist das Überangebot an Schiffsraum: Derzeit kommen viele Großfrachter auf den Markt, die noch im Boom 2008 bestellt wurden. Und es geht in derselben Tonart weiter. Bis 2014 sollen an die 175 Containerschiffe mit Transportkapazitäten von jeweils mehr als 10.000 TEU (Zwanzig-Fuss-Standardcontainer) in Dienst gestellt werden. Um die Betriebskosten zu senken, orderte etwa die weltgrößte Reederei Maersk im Juni zehn Superschiffe der Klasse Triple-E, die jeweils 18.000 Container fassen und 400 Meter lang sind. Pro Container sollen sie um ein Drittel weniger Bunkeröl verbrauchen als herkömmliche Frachter. Effizienter wird der Transport allerdings nur für die Reeder, nicht für die Verlader: Die Monsterschiffe können weltweit gerade mal eine Handvoll Destinationen anlaufen, weil die meisten Hafenbecken und Verladeanlagen nicht für ihre Dimensionen ausgelegt sind. Staus und Umladen auf kleinere Schiffe sind also vorprogrammiert.Länger dauern die Seetransporte auch noch aus einem anderen Grund: Treibstoff-sparende Langsamfahrt gehört mittlerweile zum Standardprogramm der meisten Reedereien. „Einige Linien setzten im Fernost-gehenden Verkehr wieder Superslow-Steaming ein oder leiten Schiffe statt durch den Suezkanal um das Kap der Guten Hoffnung herum, um Kanalgebühren zu sparen“, sagt Michael Fraberger. Fortsetzung auf Seite 2: Großes Fragezeichen Konjunkturentwicklung

Noch wachsen die transportierten Gütermengen, doch der Pessimismus bei der Einschätzung der künftigen Entwicklung verschont auch die Transportbranche nicht. Ein entsprechend durchwachsenes Bild vermittelt das aktuelle Transportbarometer von Progtrans und dem Münchner Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW): Kosten und Aufkommen im Straßengüterverkehr und Kombinierten Verkehr werden demnach 2011 wesentlich langsamer wachsen als 2010. Beim Schienengüterverkehr und der Binnenschifffahrt rechnen die 300 befragten Transportmanager schon überwiegend mit geringerem Wachstum oder sogar stagnierender Nachfrage. Luftfracht und Seeschifffahrt sollen hingegen noch wachsen – vor allem Richtung Asien/Pazifik. Beim Straßengüterverkehr sowie bei der Luftfracht rechnen die Logistiker weiterhin mit Kostensteigerungen. Bei Seefracht, im Schienengüter- und im kombinierten Verkehr sollen die Frachtraten hingegen nicht steigen. Alles hängt am Treibstoffpreis.Bei Luftfracht wächst das Angebot - vor allem Carrier aus dem Mittleren und Fernen Osten drängen aggressiv auf den Markt. „Die Kapazitäten sind vorhanden“, meint Christian Fanta, Luftfracht-Verantwortlicher von Panalpina Österreich. Den Preisauftrieb dämpfte das bislang kaum. „Größter Kostentreiber ist die Fuel Surcharge – sie macht je nach Airline 70 bis 95 Prozent der Frachtkosten aus.“ Panalpina versucht dem durch Konsolidierung von Frachten und alternative Abflugorte wie Frankfurt oder Luxemburg zu entgehen. Doch auch die Preise für Luftfrachttransporte von deutschen Flughäfen lagen im ersten Quartal 2011 um 26,2 Prozent höher als ein Jahr zuvor. Die Verteuerung lässt Verlader über Alternativen nachdenken. Am Flughafen Wien ging das Frachtvolumen im ersten Halbjahr 2011 gegenüber dem Vergleichszeitraum 2010 um 3,9 Prozent auf knapp 143.000 Tonnen zurück. Eine besonders ausgeprägte Verlagerungstendenz von der teureren Luft- zur günstigeren Seefracht kann Gebrüder Weiss-Experte Michael Fraberger im Moment aber nicht erkennen. Das hat die Krise bereits besorgt: „Der Supply Chain Swap hat schon 2009 stattgefunden.“Die Fluglinien kontern auf ihre Weise und sparen an allen Ecken und Enden Gewicht. AUA-Mutter Lufthansa rüstet ihre Containerflotte ab Herbst auf neue Modelle aus leichten Verbundwerkstoffen um. Bis 2015 werden die rund 5000 Kleincontainer ausgewechselt, die in den Unterflurdecks der Passagier- und Frachtflugzeuge transportiert werden. Die neuen sind pro Stück um 12 Kilo leichter. Sind alle alten Container verschrottet, reduziert das den Kerosin-Verbrauch bis 2020 um 34,4 Millionen Liter. 2012: EU-Regelwerk treibt Kosten.Bis Jahresende dürften sich die Entwicklungen bei den einzelnen Verkehrsträgern fortschreiben. Im Lkw-Transport rechnet Schenker-Vorstand Reinhard Just – je nach Dieselpreisentwicklung – mit einer Verteuerung um etwa 5 Prozent. Zumal er beim Spritsparen das Ende der Fahnenstange erreicht sieht: „Der Verbrauch ist mit 33 Liter auf 100 Kilometer bei den großen Zügen schon sehr optimiert.“Billiger wird der Straßengütertransport auch wegen der regulatorischen Rahmenbedingungen nicht. Ab 2012 erlaubt die EU nach Tageszeit und regionaler Lärm- und Emissionsbelastung gestaffelte Mautzuschläge. Je nachdem, wie stark die nationalen Spielräume ausgenützt werden, rechnet Just mit einer durchschnittlichen Verteuerung von drei bis vier Cent pro LKW-Kilometer: „Das können zehn Prozent der Maut, im Extremfall aber auch 175 Prozent sein.“ Was den Verladern nicht schmecken wird: „Ich kann keinem Kunden erklären, wieso er auf ein- und derselben Strecke an einem bestimmten Tag zu einer bestimmten Zeit eine höhere Maut zahlen soll als zu einer anderen Zeit.“ Die Verkehre einfach in die günstigeren Zeitfenster zu verlagern, sei wegen der von den Kunden vorgegebenen Lieferfristen vielfach gar nicht möglich. Reinhard Just schwant Übles: „Den Logistikern drohen unter Umständen sechsstellige Euro-Beträge, weil die Uhrzeit-Weiterverrechnung administrativer Wahnsinn ist.“ Trotzdem rechnet er für 2012 mit einer Steigerung des LKW-Frachtaufkommens von fünf bis sieben Prozent. Auch Paul Schröter von Trans rechnet tendenziell mit weiteren Verteuerungen – auch weil immer mehr Staaten (zuletzt Polen) LKW-Maut einführen oder sie erhöhen (wie Tschechien) und auch der Dieselpreis eher steigen werde.Was die ab 2012 geltende Einbeziehung der Flugverkehrs in das CO2-Emmissionshandelssystem der EU für die Frachtkosten bedeutet, lässt sich laut Panalpina-Experten Christian Fanta derzeit noch nicht abschätzen: „Neure Flugzeuge brauchen zwar 15 bis 20 Prozent weniger Kerosin, aber die Carrier lassen uns nicht in ihre Kalkulation schauen.“ Er hofft allerdings, dass sich der Preisanstieg Konkurrenz-bedingt in Grenzen halten wird. Maike Seidenberger