Internetkonzerne : Facebook kämpft gegen massive Abwehr der Politik gegen "Libra"

Facebook versucht, die massive Skepsis der Politik gegenüber seinem Projekt für die Digitalwährung Libra zu zerstreuen. Libra konkurriere nicht mit nationalen Währungen und werde gängiger Aufsicht zum Beispiel gegen Geldwäsche unterworfen sein, betonte der zuständige Facebook-Manager David Marcus bei einer Anhörung im US-Senat.

Da die Libra Association, die das System verwalten soll, in Genf angesiedelt wird, solle sie von der Schweizer Finanzmarktaufsicht Finma beaufsichtigt werden. Mit ihr seien erste vorbereitende Gespräche geführt worden, sagte Marcus.

Libra basiert zwar ähnlich wie der Bitcoin auf der Blockchain-Technologie, funktioniert aber anders. Nutzer sollen Libra mit klassischen Währungen kaufen können, das Geld wandert dann in einen Fonds, der die Stabilität der Digitalwährung garantieren soll. Nach Einschätzung von Facebook dürfte Libra zunächst für internationale Geldtransfers genutzt werden, mit der Zeit aber auch zum Bezahlen in Läden. In den USA und Europa äußerten Politiker die Sorge, Libra könnte heutige Währungen untergraben und unkontrollierte Geldströme begünstigen.

Marcus verteidigte in seinem Auftritt im Senats-Finanzausschuss das Projekt. Heute sei es für viele Menschen zu teuer, ihr Geld zu nutzen und zu überweisen - und Libra könne eine effiziente und sichere Alternative bieten. Zugleich schürte der Facebook-Manager bei den Abgeordneten Ängste vor einer Dominanz Chinas in dem Bereich: "Ich bin überzeugt, wenn Amerika nicht die Innovationen bei digitalen Währungen und Bezahlsystemen anführt, werden das andere tun." Und dann werde man bald eine Digitalwährung sehen, "die von anderen kontrolliert wird, deren Werte drastisch anders sind". Facebook werde sich die nötige Zeit nehmen, alles richtig zu machen.

Netzgemeinde sieht in Libra keine "echte" Kryptowährung

Facebooks Projekt einer eigenen Währung unter dem Namen Libra sorgt nicht nur in der klassischen Finanzwelt für Stirnrunzeln - auch bei den Vordenkern für Kryptowährungen und Blockchain-Technologie stoßen die Pläne des US-Internetriesen für einen eigenen digitalen Bezahlkosmos auf Skepsis.

"Die Herausgabe einer Währung gehört nicht in die Hände eines Privatunternehmens, denn sie ist ein Kernelement staatlicher Souveränität", sagte Deutschlands Finanzminister Olaf Scholz. "Der Euro ist und bleibt das einzige gesetzliche Zahlungsmittel im Euroraum."

Das Thema Geldwäsche

US-Finanzminister Steven Mnuchin sagte, dem weltgrößten Internet-Netzwerk mit rund 2,4 Milliarden Nutzern und anderen Anbietern von Finanzdiensten sei klargemacht worden, dass sie die gleichen Maßnahmen zum Kampf gegen Geldwäsche und Terrorfinanzierung umsetzen müssten wie Banken. Facebook sei "weit davon entfernt", von den US-Behörden grünes Licht für das sogenannte Libra-Projekt zu erhalten. "Sie werden uns mit sehr hohen Standards überzeugen müssen, bevor sie Zugang zum US-Finanzsystem bekommen."

"Darf ich diejenigen um Handzeichen bitten, die nicht bereit sind, Libra zu nutzen?", fragte vergangene Woche der Moderator bei einer Veranstaltung der Londoner FinTechWeek. Das Misstrauensvotum unter den rund hundert Experten fiel eindeutig aus: Zwei Drittel hoben ihre Hand.

Auch für Helen Disney, Gründerin der auf die Verbreitung der Blockchain-Technologie spezialisierten Firma Unblocked Events, überwiegen die Zweifel - vor allem darüber, wer Libra überwacht und reguliert. Die Leute seien "besorgt darüber, wie die Kontrolle wohl funktionieren wird".

"Die Community für Kryptowährungen ist in ihrem Denken sehr libertär", betont Disney mit Verweis auf die politische Philosophie, nach der bei der Bestimmung der Spielregeln statt staatlicher Beschränkung die individuelle Freiheit im Zentrum stehen soll. Es gehe darum, "die Macht dem Volk zu geben, die Demokratisierung des Finanzwesens zu erreichen und Großbanken und Unternehmen, die die Wirtschaft kontrollieren, fernzuhalten".

Das Gegenteil von Bitcoin

Tatsächlich wurde die bisher bekannteste Kryptowährung Bitcoin 2009 aus der Idee geboren, eine von Staaten, Zentralbanken und der Geldpolitik unabhängige Währung zu erschaffen.

Bei Libra sind neben der neugegründeten Facebook-Finanzdiensttochter Calibra rund 100 Partnerfirmen mit an Bord - von den Zahlungsschwergewichten Visa, Mastercard und Paypal bis hin zu den Fahrdienstvermittlern Lyft und Uber.

Um auf dem Smartphone die Ersatzwährung, deren Stabilität durch die Bindung an einen Korb staatlicher Währungen wie Euro und Dollar garantiert werden soll, zu nutzen, müssen Nutzer eine digitale Geldbörse installieren. So einfach wie eine SMS soll das Abwickeln von Zahlungen sein, wirbt Facebook für Libra.

Mit seiner weltweit gigantischen Nutzerschaft für seine Online-Netzwerke und den Messenger WhatsApp kann Facebook auf eine enorme Verbreitung von Libra setzen. Bei Notenbankern schürt das nicht zuletzt die Sorge davor, dass Facebook durch die Deckung von Libra durch Staatsanleihen zu einem gewaltigen Gläubiger von Staaten werden könnte.

Bei der Netz-Avantgarde steht hingegen angesichts der jüngsten Skandale bei Facebook und Kritik an den Partnerunternehmen auch der Datenschutz im Fokus. "Ich kann es kaum abwarten: Eine Kryptowährung mit der Ethik von Uber, der Zensur-Gegenwehr von Paypal und der Zentralisierung von Visa - alle vereint unter dem bewährten Facebook-Datenschutz", lautet etwa die Kritik von Sarah Jamie Lewis von der nichtkommerziellen Forschungsorganisation Open Privacy.

Disney erhofft sich von Libra hingegen, dass die Debatte über die Einrichtung von klaren Spielregeln an Fahrt gewinnt, die auch von der Krypto-Community selbst gefordert werden. "Wir warten schon seit langem darauf, dass es ein deutlicheres Signal zur Regulierung von Kryptowährungen und digitalen Vermögenswerten gibt", sagt sie.

James Bennett von der Beratungsfirma Bittassist warnt hingegen davor, Digitalwährungen Bitcoin und Libra in einen Topf zu werfen. "Auf lange Sicht dürften die Leute realisieren, dass Libra keine Kryptowährung ist", sagt er.

"Eine echte Kryptowährung sollte widerstandsfähig gegenüber Angriffen von allen Akteuren sein, von souveränen Staaten bis hin zu globalen Konzernen", sagt Bennett. Kryptowährungen seien ein Zahlungsmittel, mit dem Vermögenswerte über das Internet transferiert werden könnten, "das nicht gestoppt, konfisziert oder von einer einzelnen Seite zerstört werden kann".

Washington und Berlin äußern sich kritisch

Die Facebook-Pläne stehen auch auf der Tagesordnung bei den Beratungen der Finanzminister aus den sieben führenden Industriestaaten (G-7), die sich am Mittwoch und Donnerstag in Frankreich treffen. Scholz sagte, es gehe darum, globale Antworten zu finden. "Entscheidend ist für mich dabei, dass wir Finanzstabilität und Verbraucherschutz sichern. Grundsätzlich müssen wir Einfallstore für Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung verhindern." Facebook wird beim G-7-Treffen nicht vorsprechen können. Stattdessen soll eine Arbeitsgruppe unter Leitung des EZB-Direktors Benoit Coeure erste Erkenntnisse zu angedachten Kryptowährungen vorstellen.

In einem internen Vermerk des deutschen Finanzministeriums, über das die "Bild"-Zeitung zuerst berichtet hatte, hieß es, gemeinsam mit der Bundesbank solle die Berliner Regierung prüfen, wie eine Libra-Etablierung als echte Alternative zur staatlichen Währung verhindert werden könne. "Ein 'Wettbewerb' zwischen staatlicher und privater Währung könnte sich negativ auf das Währungsmonopol der EZB auswirken."

Facebook hatte im Juni angekündigt, Libra in der ersten Hälfte 2020 einführen zu wollen. Der zuständige Facebook-Manager David Marcus wollte diese Woche vor dem Kongress für das Projekt werben, dem Experten zutrauen, dass es die Finanzwelt auf den Kopf stellen könnte. Laut Redemanuskript will der frühere Manager des Online-Bezahldienstes PayPal dabei erklären, dass Libra nicht als Konkurrenz zu staatlichen Währungen gedacht sei. Die Facebook-Währung werde nicht eingeführt, bis alle regulatorischen Bedenken ausgeräumt und Genehmigungen eingeholt seien. "Wir wissen, dass wir uns die Zeit nehmen müssen, um dies richtig zu machen."

Kritische Fragen dürfte es im Kongress vor allem zu den Auswirkungen auf die Geldpolitik und den Umgang mit Kundendaten geben. Vor allem bei den oppositionellen Demokraten wird Facebook kritisch gesehen. Viele Abgeordnete meinen, dass der Konzern bereits jetzt zu groß und mächtig ist. (dpa/afp/reuters/apa/red)