Bauindustrie : EuGH kippt österreichische Regelung gegen Sozialdumping

Der Europäischen Gerichtshof (EuGH) hat eine österreichische Regelung gegen Sozialdumping gekippt. Eine in Österreich vom Auftraggeber zu zahlende Sicherheit für ausländische Dienstleister verstößt nach einem Urteil (C-33/17) des Europäischen Gerichtshofs vom Dienstag gegen EU-Recht.

In dem konkreten Rechtsstreit hat das slowenische Unternehmen "Cepelnik" Bauarbeiten an einem Einfamilienhaus in Kärnten im Wert von 12.200 Euro erbracht. Das Unternehmen verlangt vom österreichischen Auftraggeber den noch ausstehenden Restwerklohn.

Der Auftraggeber macht geltend, dass er den ausstehenden Lohn bereits bezahlt habe. Er habe diesen Betrag (5.200 Euro) nämlich mit schuldbefreiender Wirkung als Sicherheitsleistung für eine Geldstrafe, die das slowenische Bauunternehmen in Österreich möglicherweise zu zahlen habe, an die österreichische Verwaltung abführen müssen. Diese habe nämlich eine Untersuchung gegen das slowenische Bauunternehmen eingeleitet wegen etwaiger Nichtanmeldung entsandter Arbeitnehmer und fehlender Bereithaltung der Lohnunterlagen in deutscher Sprache. Begründet wurde die Anordnung der Sicherheitsleistung mit dem ausländischen Firmensitz. Das zuständige Bezirksgericht Bleiburg hat den Fall an den EuGH verwiesen.

Die Regelung, wonach einem inländischen Dienstleistungsempfänger ein Zahlungstopp und eine Sicherheitsleistung zur Sicherung einer etwaigen Geldbuße in einem anderen EU-Staat auferlegt wird, sei "unionsrechtswidrig", stellten die EU-Richter klar. Derartige nationale Maßnahmen würden über das hinausgehen, was zur Erreichung der Ziele des Arbeitnehmerschutzes sowie der Bekämpfung von Betrug, insbesondere Sozialbetrug, und der Verhinderung von Missbräuchen erforderlich sei.

Die EU-Dienstleistungsrichtlinie sei in diesem Fall nicht anwendbar. Die österreichische Regelung beschränke aber den freien Dienstleistungsverkehr.

Harte Kritik von Baugewerkschaft, Arbeiterkammer und SPÖ

Der Europäische Gerichtshof hat heute eine österreichische Maßnahme gegen internationales Sozialdumping für EU-rechtswidrig eingestuft. Die Arbeiterkammer nimmt das zum Anlass, wieder einmal die Schaffung einer Europäischen Arbeitsbehörde zu fordern. Denn die im EU-Recht vorgesehene grenzüberschreitende Vollstreckung funktioniere nicht.

Baugewerkschaft: "Jede zweite ausländische Firma auf Österreichs Baustellen zahlt nicht die richtigen Löhne"

Lohn- und Sozialdumping bei ausländischen Unternehmen in Österreich steige massiv an, heißt es bei der heimischen Baugewerkschaft GBH - und der EuGH entscheide "ohne jede Praxiskenntnis, Österreich seine wirksamen Maßnahmen in Kampf gegen Lohn- und Sozialdumping zu verbieten."

Josef Muchitsch, Nationalratsabgeordneter (SPÖ) und Chef der Baugewerkschaft, meint dazu: "Im ersten Halbjahr 2018 betrug die Lohn- und Sozialdumpingquote am Bau von Entsendeunternehmen 48 Prozent. Das heißt, jedes zweite ausländische Unternehmen zahlt seinen Beschäftigten auf Österreichs Baustellen nicht die richtigen Löhne. Die dafür verhängten Strafen enden dabei mangels der Möglichkeiten, sie im Ausland einzutreiben, im Papierkorb der Entsendeunternehmen in deren Herkunftsländern. Aus diesem Grund hat sich Österreich entschieden, Sicherheitsleistungen in Form einer Haftung bei verhängten Strafen per Gesetz national einzuführen, bis die Europäische Union endlich funktionierende Maßnahmen bei der Einhebung von Strafen setzt. Mit dieser Entscheidung des EuGH wird nun jedoch der Anreiz für Lohn- und Sozialdumping für Entsendeunternehmen noch weiter gestärkt."

AK fordert europäische Arbeitsbehörde

Die Arbeiterkammer nimmt das zum Anlass, wieder einmal die Schaffung einer Europäischen Arbeitsbehörde zu fordern. Denn die im EU-Recht vorgesehene grenzüberschreitende Vollstreckung funktioniere nicht. Es brauche "einen europäischen Schiedsrichter", meint die AK.

SPÖ: Österreich steht im Zentrum von Sozialdumping

Als "realitätsfern" bezeichnete die SPÖ-Europaabgeordnete Evelyne Regner das Urteil. Österreich stehe "im Zentrum von Lohnbetrug und Sozialdumping", das Prinzip "Gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort" müsse kontrolliert werden. Auch sie fordert, "die europäische Arbeitsmarktbehörde muss endlich kommen - und zwar mit ordentlichen Durchsetzungsrechten". (red mit apa)