Anlagenbauer Franz Kreuzer : „Es war ein Fehler, Andritz zu sehr zu vertrauen“

Andritz-Zentrale in Graz
© Andritz

Der Anlagenbau ist kein Geschäft für Weicheier. Der 56-jährige Franz Kreuzer hat fast vierzig Jahre Branchenerfahrung auf dem Buckel. Und bei dem Bergbauernsohn aus dem Lavanttal gehört Zimperlichkeit ohnehin nicht zum täglichen Verhaltensmuster. Doch im Umgang mit seinem besten Geschäftspartner musste unlängst selbst Kreuzer lernen, was Härte bedeuten kann. Die Geschichte, die er erzählt, trägt hollywoodartige Züge: 30 Jahre lang schrieben sein Unternehmen Kresta und der Grazer Anlagenbauriese Andritz gemeinsam ziemlich erfolgreiche Unternehmensgeschichten. Projekte weltweit wurden gemeinsam abgewickelt. Bis Andritz zwei Ausschreibungen in Südamerika gewann. Ein Zellstoffwerk in Uruguay, etwas später ein Kraftwerk in Chile. Die beiden Projekte entwickelten sich "grottenschlecht", wie Kreuzer sich heute erinnert. Bürgerproteste gegen das chilenische Kraftwerk waren so massiv, das sie sogar in Europa Schlagzeilen machten. In Uruguay legten die Arbeiter mehrmals die Arbeit nieder, weil der Lohn ausgeblieben war. Drei Mal habe Andritz die gesamte Projektorganisation austauschen müssen, heißt es. Dazu kamen, wie Kreuzer beschreibt, massive handwerkliche Fehler: Pläne hätten nicht gestimmt und Lieferverzögerungen seien an der Tagesordnung gewesen. Von 770 "Stör-Events" spricht der Kresta-Gründer, für die – auch – das Projektmanagement von Andritz verantwortlich sei.

Stillhalteabkommen

In Graz sieht man das etwas anders: Kresta habe Andritz "erheblichen Schaden zugefügt und sämtliche Terminpönale verwirkt, den Auftrag nicht vertragsgemäß erfüllt und seine eigenen Lieferanten in großen Umfang nicht bezahlt" heißt es auf Anfrage von Industriemagazin. Es seien vor allem "Fehler und Versäumnisse von Kresta gewesen", die die schlechte Performance der beiden Projekte mitverursacht hätten. Andritz musste – als Generalunternehmer – kolportierte 120 Millionen Euro Verlust beim Zellstoffwerk in Uruguay in die Bücher nehmen.

Andritz CEO Wolfgang Leitner schaltete um auf Schadensbegrenzung. Die sah so aus: Rechnungen der Subunternehmen wurden bestritten und nicht bezahlt, Gegenforderungen auf den Tisch gelegt. "Dabei waren die Arbeiten längst abgenommen und protokolliert", sagt Kreuzer. Auch mit anderen österreichischen Zulieferern soll so verfahren worden sein, insinuiert er. Aber nirgendwo ging es um eine derart gewaltige Summe. 38,5 Millionen Euro stellten die Kärntner dem Auftraggeber Andritz in Rechnung – bezahlt wurde nicht. Ein Schiedsgerichtsverfahren sollte, so Kreuzer, die Ansprüche prüfen. Dazu ist es aber nicht gekommen gekommen. Andritz zog eine Bankgarantie von neun Millionen Euro, die Kresta im Vorfeld der Projekte zur Sicherstellung abgeben musste. „Die Entscheidungsträger bei Andritz wussten ganz genau, was dieser Schritt für Kresta bedeuten würde“ sagt Kreuzer. Ein „kerngesundes Unternehmen mit 13, 14, 15 Millionen EBITDA pro Jahr“ (O-Ton Kreuzer) würde auf der Kippe stehen. Es kam wie befürchtet: Ein Stillhalterabkommen mit den finanzierenden Instituten platze – und Kresta schlitterte aus Liquiditätsmangel im August mit Forderungen von 140 Millionen Euro in Insolvenz. Die geplante schiedsgerichtliche Prüfung der bestrittenen Forderungen war damit Geschichte.

Cui bono?

So weit, so inkorrekt, meint Andritz-Sprecher Michael Buchbauer. Bei Andritz hätten sich namhafte, Forderungen (die er auf Nachfrage nicht beziffern wollte) aufgebaut. "Andritz musste für das Versagen von Kresta einspringen und Ersatzvornahmen durchführen." Kresta-Tochtergesellschaften ihrerseits hätten einen Reihe von Lieferanten nicht bezahlt. "Andritz hat diese zum Teil vorfinanziert und damit Kresta lange Zeit in einer schwierigen Phase geholfen" lautet die Version der Geschichte aus Graz. Die Bankgarantie sei "nach monatelangen, ergebnislosen Vergleichsgesprächen" gezogen worden, da "aus Sicht von Andritz keine Aussicht auf Einbringlichkeit der besicherten Forderungen bestand."

Tatsache ist, dass der Grazer Anlagenbauriese aus dem Südamerika-Desaster mit einem blauen Auge davon gekommen ist. Und zwar durch einen bilanztechnischen Kunstgriff: Man erwarb die beiden südamerikanischen Projektgesellschaften aus der Kresta-Masse – und holte die Forderungen von über 38,5 Millionen einfach in die eigene Bilanz. Gekostet soll der Anteil aus der Masse rund eine Million Euro haben. Peanuts. Damit ist jede gerichtliche Prüfung vom Tisch – und ein bilanzieller Ertrag von 37,5 Mio. Euro kann bei Andritz gutgeschrieben werden.

Der Anlagenbau ist nichts für Weicheier, ganz offensichtlich. Franz Kreuzer seinerseits will nicht aufgeben. Er erwarb mit eigenem Kapital und der Hilfe von Investoren den Kern von Kresta aus der Masse und startete Ende August mit K Industries und 137 Jobs neu.

Hier geht's weiter zum Interview mit Franz Kreuzer: "Solche Geschäftspartner wünscht man Niemandem".

Herr Kreuzer, was ist an Ihrer Auseinandersetzung mit Andritz so anders als an vielen Konflikten, die im Anlagenbau an der Tagesordnung sind?

Stellen Sie sich vor, Sie erbringen auf einer Baustelle irgendwo in Südamerika unter schwierigsten Bedingungen Ihre Leistungen. Und dann fließt plötzlich kein Geld mehr, weil das Projektmanagement des Generalunternehmers aus unserer Sicht die Projektsteuerung mangelhaft betrieben hat. Zunächst verspürt man Ohnmacht, dann Zorn und Enttäuschung. Ich bin auf einem Bergbauernhof aufgewachsen, das härtet durchaus ab für das spätere Leben. Aber das Sommerdrama war eine absolute Grenzerfahrung für unsere Mitarbeiter und deren Familien, Kunden und meiner Familie.

Was werfen Sie Andritz konkret vor?

Die Projektplanung von Andritz in Chile und teilweise auch in Uruguay weichte bei weitem von internationalen Standards, wie wir es bei anderen Kunden erleben, ab und wird aus unserer Sicht als schlecht bezeichnet. Ich habe 30 Jahre mit und für Andritz gearbeitet. Ich kann mich nicht erinnern, dass ein Auftrag einmal so unprofessionell gelaufen wäre wie in Chile. Vieles passierte nicht zeitgerecht, das Projektmanagement vor Ort war alles andere als professionell. Weil vieles nicht funktionierte, hat sogar eine Baufirma während des Projekts zusammengepackt und ist heimgefahren. Als Projektverluste absehbar waren, hat Andritz bei beiden Aufträgen die Reißleine gezogen.

Wieso geschah dies auf Ihre Kosten?

Es wurden einfach Rechnungen bestritten und die Zahlungen eingesteIlt. Andritz hat für die Montage in Chile nur einen Teil bezahlt und für die Leistungen in Uruguay hat man uns die Zusatzzahlung durch nicht berechtigte Gesamtverbindlichkeiten einbehalten. Es war sicher ein Fehler, einem langjährigen Partner zu sehr vertraut zu haben.

Andritz hat aus der Masse um eine Million Euro genau jene zwei Projektgesellschaften herausgekauft, die in Chile und Uruguay aktiv waren. In diesen Töchtern hatte die Kresta die Forderungen von ca. 38,5 Millionen Euro gegen Andritz geparkt. Damit waren die Forderungen vom Tisch. Aus Drittsicht muss man sagen: Ein genialer Schachzug….

Dieser Vorgang hatte sich abgezeichnet. Man gründet eine Firma, setzt eine Million Euro, und das Gerichtsrisiko ist weg. Es spricht für sich, dass diese Vorgangsweise gewählt wurde. Das, was uns im Sommer widerfahren ist, ist einzigartig in Österreich und das wünsche ich niemandem.

Wie geht es jetzt weiter?

Anfang Oktober haben wir erfahren, dass mit dem Einstieg der Andritz NEWCO in unsere zwei Projektfirmen in Südamerika unsere Forderungen gegen Andritz endgültig weg sind. Jetzt sind uns ein für alle mal die Hände gebunden. Andritz kann aus unserer Sicht einen außerordentlichen Bilanzgewinn von ca. 37,5 Millionen Euro machen. Damit ist die Geschichte für Andritz gegessen.

Wie hätte sich die Insolvenz vermeiden lassen?

Zur Insolvenz wäre es nicht gekommen, hätte Andritz einen Großteil der 38,5 Millionen-Forderung, etwa 22 Millionen Euro bezahlt. Der Rest wäre Spielraum genug gewesen, um Differenzen in der Leistungsabrechnung auszutragen. Die Entscheidungsträger bei Andritz wussten ganz genau, was das für KRESTA bedeutet. Dabei waren wir ein kerngesundes Unternehmen mit 13, 14, 15 Millionen EBITDA pro Jahr. Aber so etwas hält keiner aus.

Wer waren Ihre Verhandlungspartner?

Das Projektteam und auch Andritz CEO Wolfgang Leitner waren immer involviert. Operativ zuständig war Joachim Schönbeck.

Wie geht es mit K industries weiter?

Zu den Kresta-Aufträgen, die wir abarbeiten, sind mittlerweile weitere Aufträge hinzugekommen. Das ist das Gute im Schlechten. Kunden waren bereit, die Leistungen in kürzeren Fristen zu bezahlen als ursprünglich vereinbart. Von der Auftragslage her sieht es gut aus.

Woher kommt das Startkapital für die 140 Jobs?

Das sind Eigenmittel der Familie Kreuzer. Dazu kommt, dass wir in sehr guten Gesprächen mit einem potenten Partner sind, der bei K industries einsteigen könnte.