CO2-Zertifikate : Energieexperten der Industrie für genauere Kenzeichnung

Um ein umweltbewussteres Einkaufsverhalten zu erreichen, sollte auf Produkten die CO2-Belastung drauf stehen. Das war die Meinung mehrerer Gastredner bei einer Energiediskussion des heimischen Stromversorgers Verbund. Denn mit einer besseren Kennzeichnung der Emissionen könnte die Ökobilanz von Gütern transparent werden, so Wolfgang Mauch, Geschäftsführer der deutschen Forschungsstelle für Energiewirtschaft in München.

Auch Bernhard Kohl, Leiter Internationaler Umweltschutz beim Linzer Stahlriesen Voestalpine, plädiert dafür, die "grauen" Emissionen sichtbar zu machen. Kohl zufolge wäre das Aufzeigen der versteckten Emissionen - auch in importierten Waren - sichtbar zu machen, wäre "ganz ganz wichtig". "Unser Carbon Footprint wäre um die Hälfte höher, wenn wir die importierten Produkte einbeziehen würden", meinte auch Energieexperte Johannes Wahlmüller von Global 2000.

Vielen sei nicht bewusst, dass sie vier Tonnen im Jahr an CO2-Emission verursachen, so Mauch. 72 Prozent der Menschen würde sich zwar für verpflichtende Kennzeichnungen aussprechen, so Mauch, aber nur für einen verschwindend kleinen Anteil der Konsumenten sei Klimaschutz und Umweltschutz bei den Kaufentscheidungen tatsächlich ein Thema. Freiwillig funktioniere es also nicht. Im jetzigen CO2-Handelssystem könnten die betroffenen Branchen ihre Mehrkosten indirekt an ihre Kunden weitergeben.

System Auto hat schlechteste Effizienz überhaupt

Mauch bezweifelte, ob etwa das Thema Auto - heute mit 15 bis 20 Prozent Wirkungsgrad "die schlechteste Effizienz, die es überhaupt gibt" - politisch angegangen wird. "Wer da den ersten Stein wirft, wird das nächste Mal nicht mehr gewählt."

Selbst Hybrid-Fahrzeuge würden es nur auf 30 Prozent Wirkungsgrad bringen. "Wenn Sie heute 60 Liter tanken, dann tanken Sie auch 40 Kilogramm Kohlenstoff. Aus dieser Tankfüllung werden aber 160 Kilogramm CO2."

Verbund: Der bisherige Zertifikatehandel ist ein Flop

Bis das Emission-Trade-System (ETS) zum Positiven verändert sei, werde es aber noch bis ins kommende Jahrzehnt dauern, meinte Verbund-Vorstandsdirektor Günther Rabensteiner. Erst 2019 werde die Reform samt Backloading Effekte erkennen lassen, die dann einige Jahre später zu "echten" CO2-Preisen und Lenkungseffekten führen würden.

Ein Flop sei das bisherige ETS durch die politisch begründete Fehlallokation von Verschmutzungsrechten Richtung Osteuropa. Auch die Nicht-ETS-Bereiche sollten sofort mit einbezogen werden, forderte Rabensteiner, der für den Wasserkrafthersteller bekräftigte, dass der eingeschlagene Decarbonisierungsweg konsequent fortgeführt werde. Komme keine wirksame ETS-Reform, "verlieren wir nochmals zehn Jahre", befürchtet Wahlmüller.

In der gesamten EU sorgt die Wasserkraft für einen jährlichen Entlastungseffekt von 200 Mio. t CO2, sagte Rabensteiner; beziehe man Schweiz, Norwegen und teils die Türkei mit ein, sei es noch mehr.

Voestalpine: Erste Schritte zur CO2-neutralen Stahlproduktion

Demgegenüber bezifferte Kohl die jährlichen CO2-Emission der Voestalpine-Anlagen allein in Österreich mit 12 Mio. t, obwohl dies alles kohlenstoffeffizienter Stand der Technik sei. Das ETS funktioniere sehr sehr schlecht, es weise selbst für das bescheidene Minus-20-Prozent-Ziel Konstruktionsfehler auf. Dabei sei die Voest das einzige Stahlunternehmen in Europa, das überhaupt Zertifikate zukaufe.

Weite man das Reduktionsziel auf minus 40 Prozent aus, so würde es um mehr als nur die Aufforderung zur Änderung von Prozessen gehen, "das hieße dann tiefe Transformationen über alle Gesellschaftsschichten". Er hoffe, dass das ETS so umgestaltet wird, dass die heutigen technologischen Möglichkeiten dafür reichen; da gebe es schon noch Stellschrauben zum Drehen, so Kohl.

Die Voestalpine habe schon erste Schritte in Richtung einer beinahe CO2-freien Stahlerzeugung unternommen. Ein noch radikaleres Minus-80-Prozent-Ziel würde von der Gesellschaft einen Austausch des gesamten Verkehrsparks und der gesamten Infrastruktur erfordern, so der Voest-Umweltexperte.

Klimagipfel könnte trotz allem ein Beschleuniger werden

Die Erwartungen der Experten in den Weltklima-Gipfel, der in zwei Wochen in Paris beginnen soll, sind hoch. Kohl von der Voestalpine nannte ihn einen "kleinen Turbo-Booster, der die Kyoto-Architektur durch eine neue Individualarchitektur ersetzt, die mehr bewirken" werde, auch wenn die Zahlen nicht so beeindruckend erscheinen würden.

Schon vor dem COP21-Meeting sei viel geschehen, fünf Mal jährlich gebe es einschlägige Treffen dazu und es werde "geredet". (apa/red)