Studie : Digitalisierung gefährdet Geschäftsmodell der Industrie

Obwohl sich die Wirtschaft aktuell stabil zeigt, geben verschiedene Einflussfaktoren Anlass zur Sorge, wie eine Studie von Roland Berger zeigt. Denn die schwächere Konjunktur in Europa und China, niedrige Rohstoffpreise und das aktuell noch niedrige Zinsniveau würden deutliche Risiken für Unternehmen bergen. Darauf verweisen Experten in der neuen „Restrukturierungsstudie 2015", die auf einer Umfrage von 1.100 Branchenexperten in Deutschland basiert. Sie zeigt die wichtigsten Herausforderungen, mit denen deutsche Firmen derzeit konfrontiert sind - die Erkenntnisse lassen sich dabei auch auf den österreichischen Markt übertragen.

"Deutschland aber auch Österreich profitieren aktuell immer noch von ihrem starken Exportgeschäft – doch der Schein trügt", warnt Matthias Holzamer, Experte für Restrukturierung im Wiener Büro von Roland Berger. "Verschiedene Faktoren können die positive Entwicklung schnell kippen lassen. Auch Digitalisierung und disruptive Innovationen sind eine Herausforderung für etablierte, erfolgreiche Geschäftsmodelle von Unternehmen. Dementsprechend gehen wir von einer steigenden Zahl der Restrukturierungsfälle in Deutschland und Österreich aus."

Industrie-Unternehmen unter Druck

Unternehmen stehen aktuell vor einem wichtigen Wandel, der je nach Industriebereich von unterschiedlichen Treibern beeinflusst wird. So sehen 34 Prozent der Befragten die zunehmende Digitalisierung als wesentlichen Grund für den Industriewandel. "Unternehmen aus dem Produktionssektor, wie etwa dem Automotive-Bereich, stehen vor der Herausforderung, ihr Geschäftsmodell schnell anpassen zu müssen. Denn nur so können sie ihren Marktanteil verteidigen bzw. verbessern", erläutert Holzamer.

Die schnelle Digitalisierung der Industrie verstärkt so auch den Wettbewerbsdruck: Etablierte Unternehmen sind mit neuen, branchenfremden Marktakteuren konfrontiert, die Lösungen aus einer Hand bieten. So empfindet rund ein Viertel der Studienteilnehmer den Konsolidierungsdruck als entscheidenden Treiber für den Wandel der Wirtschaft.

Neben Digitalisierung sind auch Regulatorien ein Problem

Doch auch regulatorische Veränderungen spielen in bestimmten Branchen eine wichtige Rolle: "Sektoren wie die Finanz- und die Energieindustrie müssen auf neue regulatorische Maßnahmen wie Basel III oder auf politische Entscheidungen etwa zur Energiewende reagieren und sich strategisch und operativ entsprechend neu ausrichten", sagt Holzamer. Damit erklärt sich auch, warum fast jeder zweite Befragte davon ausgeht, dass die Anzahl der Restrukturierungen in den kommenden zwölf Monaten zunehmen wird.

Der erwartete Anpassungsbedarf spiegelt sich auch im Restrukturierungsfokus wider. Unternehmen wollen vor allem flexibler und effizienter werden, um auf Kundenwünsche und neue Marktanforderungen schneller reagieren zu können. Um dies zu erreichen, passen sie in erster Linie ihre Geschäftsmodelle an. Daneben optimieren sie Organisations- und Ablaufprozesse und führen Kostensenkungs- und Effizienzsteigerungsprogramme durch. Somit wird für Sanierungen ein tiefgreifendes Verständnis von Geschäftsmodellen sowie deren Anpassung immer wichtiger.

Stakeholder-Management problematisch

Ein weiterer Komplexitätstreiber ist weiterhin die Finanzierungsseite bei der Restrukturierung. Die Zunahme von Finanzierungsinstrumenten und -parteien erfordert die Ausarbeitung eines gut durchdachten Konzeptes. "Besonders problematisch ist dabei das Stakeholder-Management", erklärt Holzamer. "Denn in den meisten Fällen müssen die Interessen verschiedener Geldgeber unter einen Hut gebracht werden." Zudem haben Firmen umfangreichere Berichtspflichten gegenüber ihren Finanziers. Mehr Transparenz soll Unternehmen dabei helfen, potenzielle Risiken früh zu erkennen und Bedenken innerhalb der Firma gegenüber einer Restrukturierung einfacher aus dem Weg zu räumen.

"Um all diese Herausforderungen meistern zu können, brauchen Restrukturierungsverantwortliche ein tiefes Branchenverständnis und Weitblick für die notwendigen Anpassungen des Geschäftsmodells", fasst Matthias Holzamer zusammen. "Nur so ist neben der operativen Restrukturierung mit einem individuellen Finanzierungskonzept auch eine nachhaltige strategische Neuausrichtung erfolgreich umsetzbar."