Arbeitsmarkt : Die Kehrseite von Industrie 4.0: Halbe Million Jobs weg

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In Österreich wie in Deutschland werden gerade enorme Anstrengungen unternommen, um die Produktion umfassend zu digitalisieren. Ob die Betriebe das wollen oder nicht - im Konzept von Industrie 4.0 liege die Zukunft, wiederholen Industriestrategen und Konzernchefs gebetsmühlenartig. Nur die Umstellung auf das "Internet der Dinge" biete genügend Schutz, um gegen die immer weiter wachsende Konkurrenz aus Fernost bestehen zu können. Zudem werde Industrie 4.0 für milliardenschwere Umsatzzuwächse sorgen.

Unter Forschern und Arbeitsmarktexperten wächst allerdings auch Skepsis angesichts dieser breit angelegten Euphorie. Und in den von oben verordneten Zweckoptimismus mischen sich immer mehr kritische Töne. Das wichtigste Argument der Kritiker: Trotz gegenteiliger Behauptungen ziele "Industrie 4.0" vor allem darauf ab, die Rolle des in Europa besonders teuren Faktors der menschlichen Arbeit so weit wie möglich zu minimieren. Oder überspitzt formuliert: Der Arbeiter wird mit Computern und Robotern ersetzt.

Bestätigung bekommen die Kritiker jetzt durch eine groß angelegte Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg. Das Institut ist die zentrale Forschungseinrichtung der deutschen Bundesagentur für Arbeit - die Daten der Studie kommen also direkt von der Quelle.

Eine "Umschichtung" von hunderttausenden Arbeitsplätzen in den Fabriken

Die Studie stellt keineswegs die positiven Effekte von Industrie 4.0 in Abrede. Laut den Ergebnissen werden mit dem digitalen Wandel in der Produktion in den kommenden Jahren allein in Deutschland rund 430.000 neue Arbeitsplätze entstehen. Doch gleichzeitig werden demnach voraussichtlich 490.000 Jobs verschwinden.

"Es kommt zu einer deutlichen Umschichtung von Arbeitsplätzen. Dabei werden vor allem Beschäftigte, die heute Maschinen und Anlagen bedienen, betroffen sein", prognostiziert Arbeitsmarktforscher und Mitautor der Studie, Enzo Weber. Um die Veränderungen abzufedern, müssten Firmen frühzeitig entgegensteuern. Gerade Facharbeiter, die bisher an den Produktionsstraßen mit Routinearbeiten beschäftigt sind, müssten rechtzeitig auf anspruchsvollere Aufgaben vorbereitet werden. Genau das scheint jedoch nicht der Fall zu sein.

Große Mehrheit deutscher Firmen kann mit "Industrie" 4.0 wenig anfangen

Einer aktuellen Umfrage zufolge kann die große Mehrheit der Betriebe bei Österreichs wichtigstem Handelspartner mit "Industrie 4.0" wenig anfangen. Gerade einmal vier Prozent der befragten Unternehmen habe bereits angefangen, sich aktiv damit zu beschäftigen. Mehr zu diesem Thema hier auf INDUSTRIEMAGAZIN.at.

Enorme Fluktuation - bei stagnierender Zahl der Beschäftigten

"Industrie 4.0" werde auch den Strukturwandel hin zu mehr Dienstleistungen beschleunigen, schreiben die Autoren des Nürnberger Instituts weiter. Demnach werden die Bewegungen der Arbeitskräfte zwischen Branchen und Berufen groß sein - weitaus größer als die Veränderung der Anzahl der Erwerbstätigen insgesamt.

Höhe der Löhne dürfte steigen

Allerdings wird laut der Studie die Wertschöpfung insgesamt zunehmen. Und mit den enorm steigenden Anforderungen an die Arbeitskräfte würden auch die Löhne steigen - vorausgesetzt natürlich, man hat dann noch einen Arbeitsplatz.

Auch in einem weiteren Punkt geben die Forscher den Verfechtern des Konzepts von "Industrie 4.0" recht: Wenn ein Industrieland wie Deutschland die Umsetzung der Digitalisierung verzögere oder gar verschleppe, würden sich "die Annahmen gegen den Wirtschaftsstandort wenden". (red/dpa/apa)