Coronakrise : Deutschland: 130 Milliarden an Konjunkturpaket für heuer und 2021 um

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© David Payr

Senkung der Mehrwertsteuer, Hilfen für Kommunen, Zuschüsse für Familien und höhere Kaufprämien für Elektroautos. Die Koalitionsspitzen in Deutschland verständigten sich nach tagelangem zähen Ringen am späten Mittwochabend auf ein riesiges Konjunkturpaket für 2020 und 2021 im Umfang von 130 Milliarden Euro.

120 Milliarden entfallen dabei auf den Bund, wie Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) im Anschluss sagte. Damit sollen Wirtschaft und Konsum der Bürger wieder angekurbelt und eine schwere Rezession infolge der Corona-Pandemie abgewendet werden. Nach den kurzfristigen Hilfen in der Corona-Krise reichen diese Konjunkturhilfen nun zum Teil weit über die derzeitige Legislaturperiode hinaus.

Zur Deckung der Ausgaben muss der Bund neue Schulden aufnehmen. Finanzminister Olaf Scholz (SPD) sprach von einem Nachtragshaushalt, ohne den Umfang zu nennen. Dies führt nach den Worten von CSU-Chef Markus Söder keineswegs zu einer Überschuldung des Landes und auch nicht dazu, dass das Land handlungsunfähig oder die nächste Generation überlastet würde. Das Paket habe auch etwas mit Psychologie zu tun, mit Optimismus.

Merkel sprach von einem guten Ergebnis. Es gehe darum, die schwerste wirtschaftliche Krise in den Griff zu bekommen. Diese zeige sich an den mehr als sieben Millionen Kurzarbeitern. Das alles brauche eine mutige Antwort. Vizekanzler Scholz fasste es mit den Worten zusammen: "Wir wollen mit Wumms aus der Krise kommen."

Ein "Herzstück" des Paketes ist nach den Worten des CSU-Vorsitzenden Markus Söder eine Senkung der Mehrwertsteuer. Dagegen entschied man sich gegen eine Kaufprämie für abgasarme Benziner und Dieselautos, aber für deutlich höhere Prämien für Elektroautos. Bei den Stromkosten sollen die Bürger entlastet werden. Dafür soll die EEG-Umlage zur Förderung von Ökostrom-Anlagen ab 2021 über Zuschüsse aus dem Bundeshaushalt abgesenkt werden. Ein Kinderbonus von einmalig 300 Euro pro Kind soll mit dem Kindergeld ausgezahlt werden.

Die finanziell schwer getroffenen Kommunen bekommen ebenfalls Milliardenhilfen vom Bund. Damit sollen Ausfälle bei den Gewerbesteuereinnahmen für 2020 und 2021 von Bund und Ländern zusammen ausgeglichen werden. SPD-Vorsitzenden Norbert Walter-Borjans sagte, die enorme Entlastung werde die Kommunen investitionsfähig machen. Zudem will der Bund weitere Kosten für Unterkünfte übernehmen. Grundsätzlich sollen mit dem Paket Innovationen, Klimaschutz und Digitalisierung vorangebracht werden.

Die Bahn soll vom Bund Milliarden-Hilfen bekommen. Demnach sollen zur Aufstockung des Eigenkapitals weitere fünf Milliarden Euro zur Verfügung gestellt werden. Geplant sind außerdem Hilfen von 2,5 Milliarden Euro für den Öffentlichen Personennahverkehr. Branchen, die von der Corona-Krise besonders belastet sind, sollen eine zusätzliche Unterstützung in Milliardenhöhe bekommen. Geplant sind "Überbrückungshilfen" im Umfang von maximal 25 Milliarden Euro.

Und schließlich will die schwarz-rote Koalition Deutschlands Wäldern und der Holzwirtschaft helfen, mit 700 Millionen Euro zusätzlich. Das Geld solle für die Aufforstung, den Erhalt und die nachhaltige Bewirtschaftung von Wäldern bereitgestellt werden. Nach zwei Dürrejahren habe auch 2020 trocken begonnen, die Holzpreise seien stark gesunken.

Von den Oppositionspolitikern kam größtenteils scharfe Kritik. Es seien zwar "sinnvolle Entscheidungen für Kommunen und Familien" getroffen worden, erklärte Linksfraktionsvize Dietmar Bartsch, jedoch sei in dem Paket auch "viel Stückwerk und Strohfeuer". Das Programm sei "wenig zielgenau, wenig nachhaltig und unfassbar teuer". Die vorübergehende Senkung der Mehrwertsteuer bezeichnete Bartsch als "ökonomisch widersinnig". Zugleich finde sich in dem Paket zu wenig zu den Themen Bildung und Zukunft - dafür "viel Lobbyismus".

Der Klimaexperte der Linksfraktion, Lorenz Gösta Beutin, lobte die Entscheidung der Koalition gegen eine Kaufprämie für Benzin- und Dieselautos. Jedoch würden die Beschlüsse "einen echten ökologischen Neustart in Deutschland nicht auslösen". Beutin kritisierte konkret, dass Corona-Hilfen für Unternehmen nicht an verbindliche Klimavorgaben geknüpft würden. Für die Klima-Rettung habe die Koalition "eine große historische Chance vertan".

FDP-Fraktionsvize Michael Theurer befand, das Konjunkturprogramm enthalte zwar "einige gute, wichtige Aspekte", etwa die temporäre Senkung der Mehrwertsteuer. Insgesamt aber habe sich die Koalition "mit diesem wilden Sammelsurium an unausgegorenen, sehr teuren, aber ineffizienten Vorschlägen mächtig verstolpert". (dpa/afp/apa/red)

Mit einem beispiellosen Konjunkturpaket in Höhe von 130 Milliarden Euro für die Jahre 2020 und 2021 will die große Koalition Deutschland aus der Corona-Krise führen. Die Beschlüsse vom Mittwoch in der Kurzübersicht:

- Familien erhalten pro Kind einmalig 300 Euro. Der Bonus muss versteuert werden, er wird aber nicht auf die Grundsicherung angerechnet.

- Vom 1. Juli bis zum 31. Dezember wird der Mehrwertsteuersatz von 19 auf 16 Prozent und der ermäßigte Satz von 7 Prozent auf 5 Prozent gesenkt.

- Sozialversicherungsbeiträge werden bis 2021 bei maximal 40 Prozent gedeckelt.

- Der Kauf von klimafreundlicheren Lastwagen, Flugzeugen und Schiffen soll gefördert werden.

- Kaufprämien für den Kauf klima- und umweltfreundlicher Elektrofahrzeuge werden verdoppelt.

- Kommunen erhalten Kompensationen für wegbrechende Steuereinnahmen.

- Für Mittelständler und Soloselbstständige wird ein 25 Milliarden Euro schweres Programm für Überbrückungshilfen aufgelegt.

- Unternehmen und Bürger sollen bei Energiepreisen entlastet werden.

- Unternehmen in Schieflage erhalten steuerliche Entlastungen.

- Anstehende Investitionen in die Infrastruktur werden vorgezogen.

- Mehr Geld für Forschung und Modernisierung bei Digitalisierung, Kommunikation, Hightech sowie Klima- und Energiewende.

- Verstärkte Eigenproduktion für wichtige Medizinartikel, Aufbau einer nationalen Notfallreserve für künftige Pandemien.

- Milliardeninvestitionen in Krankenhäuser.

- Unternehmen erhalten Prämien für Ausbildungsplätze.

- Höhere Steuern für Autos mit hohen Abgaswerten.

- Insolvenzverfahren sollen auf drei Jahre verkürzt werden.

- Für Kunst und Kultur soll es ein eine Milliarde Euro umfassendes Hilfsprogramm geben.

- Der Bund fördert den Ausbau von Kindergärten, Kitas und Krippen. Das Investitionsprogramm für den Ausbau von Ganztagsschulen und Ganztagesbetreuung wird beschleunigt. (dpa/apa/red)