Österreichs beste Fabrik : Das sind die besten Produktionsbetriebe Österreichs

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Vom pflichtgemäßen Handeln eines Familienunternehmers hat Karl Christian Handl ein recht eindeutiges Bild. Etwa beim Kapitel Expansionsstreben. Ein Werk zur Speckproduktion, 20.000 Quadratmeter Nutzfläche, hochautomatisiert: Weil an den Standorten in Pians und Schönwies die Kapazitäts- und Bebauungsgrenzen erreicht sind, gibt Handl, der den Tiroler Speck-, Schinken- und Rohwurstproduzenten in vierter Generation führt, 2014 grünes Licht für ein Erweiterungsprojekt auf der grünen Wiese. Und was für eines. 60 Millionen Euro lässt sich der Tiroler Familienbetrieb den Expansionsschritt in der Oberinntaler 5000-Seelengemeinde Haiming kosten.

Die ganze Familie habe diesen Schritt befürwortet, hört man im Unternehmen. Genauso zuverlässig, wie im Tiroler Oberland die Sonne in Gold und Purpur aufgeht, wird hier nun nach höchsten Exzellenzkriterien produziert. Denn Handl darf man bei der Technologieauswahl ein durchaus ekletizistisches Verhalten nachsagen. Weltoffen und innovativ wie die drei Generationen davor gibt es für den Manager mehr als nur die Welt der Fleischverarbeiter. Er verfolgt penibel die Entwicklungen in Industrien wie dem Flugzeug- und Automobilbau. "Und siebt die besten Technologien für unsere Produktion aus", hört man im Unternehmen.

Härtetest

Exzellenz am Shopfloor, die Herausforderungen der kontinuierlichen Verbesserung - und dazu ein Störfaktor namens Covid-19: Courage war beim heurigen Finale von Fabrik2020, Österreichs härtestem Produktionswettbewerb, gefragt. Der Traktorenhersteller CNH Industrial Österreich, der Zutrittsystemehersteller Evva, der Ofenbauer Rika und der Tiroler Speckproduzent Handl Tyrol lieferten sich in den vergangenen Wochen - evaluiert durch Fraunhofer Austria - ein Match bei Produktionsbenchmarks. Dass sich ausgerechnet jene vier Fertigungen am Feld der Ehre trafen, kommt nicht zufällig: Ein guter Sportsmann, lernten wir, taucht in Krisenzeiten nicht nur durch. Er schaltet bei der Optimierung sogar einen Gang hoch. Die Porträts der Siegerfertigungen.

GESAMTSIEG + KATEGORIESIEG SMART FACTORY : HANDL TYROL, HAIMING - Die virtuosen Prozessautomatisierer

Am Standort Haiming produziert der in vierter Generation geführte Speckhersteller Handl Tyrol hochautomatisiert - und variantenreicher denn je zuvor.

Die Frage, unter welchen Vorzeichen ein solcher Produktionsstandort für - übrigens vielfach prämierten - Speck hochzuziehen sei, "war eine Reise und Rückkehr zum Nullpunkt", erinnert sich Matthias Salner, der Produktionsleiter des Werkes Haiming. Technologisch und in der Ablauforganisation wurde - getreu dem Motto des Firmenchefs, „altes auf eine neue Weise zu tun", um Innovationen zu befördern - praktisch nichts dem Zufall überlassen. Das Ergebnis: Eine Produktion auf nur einer Geschoßebene - in Pians sind es vier. Bei gleichzeitig dreifach höherer Flächennutzung.

Zudem ist das Oberländer Werk in der Fleischbranche europaweit führend, was den Automatisierungslevel betrifft. Und das, obwohl das Naturprodukt, bei dem jedes Stück Fleisch ein wenig anders ist, "vom Prinzip und der Rezeptur immer noch genau wie vor hundert Jahren hergestellt" (O-Ton Salner) wird. Nach der Anlieferung des Frischfleisches wir es eingesalzen, gepökelt, geräuchert und anschließend im Klimalager gereift. "Unser Linienlayout ist bewusst einfach gestrickt – wir konzentrierten uns auf unsere Kernkompetenzen", sagt Salner. Manuelle Tätigkeiten seien nach wie vor in der Qualitätskontrolle vor allem beim Wareneingang und bei der Fertigproduktbearbeitung zu finden. Dort bekommt der Speck das unnachahmliche gewisse Etwas, "dank der Erfahrung unserer Speckmeister".

Das Werk in Haiming - auf optimale Hygienestandards ausgerichtet - ist nach neuestem Stand der Technik sowie ökologisch nachhaltig umgesetzt. Das "Maximum an Automatisierung" (O-Ton Salner) zeigt sich bei der Anlagensteuerung, der Überwachung aller Prozesse sowie dem internen Materialfluss mittels fahrerlosen Transportsystemen. Angesichts der rund 15 bis 20 Wochen dauernden Durchlaufzeit des Specks – je nach Sorte - ist das Abfangen von Produktionsspitzen elementar. "Wir produzieren heute bereits für das Nach-Weihnachtsgeschäft", sagt Salner.

Übrigens: In den kommenden Jahren, werden auf dem rund zwölf Hektar großen Areal auch andere Produktionsschritte wie die zentrale Verpackung und das Logistikzentrum errichtet - die Planungen hierfür laufen.

KATEGORIESIEG OPERATIONAL EXCELLENCE: CNH INDUSTRIAL, SANKT VALENTIN - Die smarten Taktzeit-Optimierer

Das Traktorenwerk St.Valentin genießt im CNH-Konzern einen tadellosen Ruf. Der Modellmix an der Montagelinie ist eine der großen Stärken.

Mitte April muss auch Geschäftsführer Christian Huber die schöne Vorstellung aufgeben, ohne Produktionsunterbrechung durch die Pandemie zu kommen. Die Versorgung des Traktorenwerks in St. Valentin mit Motoren und Getrieben aus Italien und Komponenten von einigen der mehr als 400 Lieferanten stockt, dazu kommt - trotz stabilem Heimmarkt - die unsichere Lage auf wichtigen Abnehmermärkten in Europa und den USA. Doch anders als im Maschinenbau, wo noch jetzt im Herbst über vielen Kundengesprächen die Aura des Ungefähren liegt, bleibt es am niederösterreichischen Montagestandort bei neun Wochen Produktionsunterbrechung. Per Ende August kann Huber sogar vorzeitig die Kurzarbeit am Standort mit seinen 450 Produktionsmitarbeitern beenden.

"Der Ausblick ist ganz gut, wir planen sogar eine leichte Stückzahlerhöhung", hört man am Standort. Die nötige Flexibilität, um mit den schwankenden Größen fertig zu werden, bringt dem Traktorhersteller eine "hochgradig anpassungsfähige Montagelinie“, die als das Räderwerk des Erfolgs in St. Valentin bezeichnet werden darf. „Alle Traktoren von 100 bis 300 PS laufen - nahezu einmalig im Landmaschinenbau - über dieselbe Linie", sagt Werksleiter Hannes Wögerbauer. Am Trend hin zu besser ausgestatten, leistungsstärkeren Fahrzeugen habe auch die Pandemie wenig geändert.

Die Fertigung des Traktorrumpfs an einer Linie, unabhängig von Bauarttyp, Ausstattungslinie oder landesspezifischen Emissionsstandards: Entschieden entspannter lebt es sich mit einer hochflexiblen Montagelinie, wie sie in St. Valentin zu finden ist. "Der Modellmix an der Linie ist eine unserer großen Stärken", sagt Wögerbauer. Trotz der Komplexität laufe es an der Linie, deren Prinzip der Sequenzierung Laien gern als "kleine Ziehharmonika" umschrieben wird, relativ ruhig“, so der Produktionsprofi. Das ist - neben der Exzellenz der Mitarbeiter - vor allem zwei Tatsachen geschuldet. Die Prinzipien zur Qualitätssteigerung des Optimierungsansatzes World Class Manufacturing (WCM) sind am Konzernstandort gut eingeführt, man hat Silberstatus. "Zuletzt gelang übers ganze Werk gesehen in allen Bereichen ein Schritt nach vorne", erzählt Wögerbauer.

Aktuell stellt man für die jährlich anstehende WCM-Auditierung eine Remote-Evaluierung auf die Beine. Damit hat man Erfahrung: „Schon im Juli bestanden die Niederösterreicher das konzerneigene Corona-Audit, bei dem per Handystream ein Prüfer in Turin sich über die Schutzmaßnahmen von Thermokameras im Eingangsbereich bis zu Desinfektionsroutinen ein Bild machte“, erzählt Alexander Lindner. Er ist seit fast 14 Jahren im Unternehmen und verantwortet neben der Aufgabentrias Umweltmanagement, Gesundheitsschutz und Arbeitssicherheit auch die betriebliche Prozessoptimierung.

Zum anderen haben Arbeitsvorbereitung und Teamleitern bei der Austaktung der Linie - vom Drehhubtisch über die Räderverschraubung bis zur Schwungradverschiebung - mithilfe der Planungssoftware Proplanner ein gerüttelt Maß an Exzellenz erreicht. Für jeden Handgriff an der Linie werden aggregierbare Zeitbausteine hinterlegt. "Wir kennen nicht nur den Zeitbedarf für jeden einzelnen Arbeitsschritt, sondern auch deren wertschöpfende Anteile", sagt Lindner. Werker an der Linie bekommen über Live-Infotafeln daraus abgeleitet Rückmeldungen zu Qualität und verbleibender Zeit pro Takt. Optimal für ein Lieferwerk, dem letztlich die Kunden den Takt vorgeben.

KATEGORIESIEG ENERGIEEFFIZIENZ: EVVA SICHERHEITSTECHNOLOGIE, WIEN - Die nachhaltigen Effizienz-Mehrer

Mit Exzellenz in der Produktion und Gestaltungswillen bei der Digitalisierung ist das Evva-Werk am Standort Wien eine Ausnahmeerscheinung.

"Seit 1919 ein Start-up" - unbotmäßig viel Zeit, eine Innovation in den Markt zu tragen, ließ das auf Zutrittsysteme spezialisierte Unternehmen aus Wien-Meidling zu keiner Zeit vergehen. Folglich eilt dem Unternehmen, das nach seinen Anfängen als feinmechanischer Gewerbebetrieb bald im Geschäft mit Schließzylindern reüssierte, der Ruf als Innovationsführer voraus. Meilensteine? Gibt es dank der hohen Wandlungsfähigkeit im in dritter Generation von Nicole und Stefan Ehrlich-Adám geführten Unternehmen einige vorzuweisen. Nicht nur das absatzmäßig stärkste Segment, jenes der mechanischen Sicherheitszylinder mit einer Jahresproduktion von über zwei Millionen Stück, berechtigt am Stammsitz in Meidling zu Stolz. 2014 gelang mit dem Einstieg in die Segmente elektronischer Zutrittssysteme am Markt eine Punktlandung, "ein ganz, ganz wichtiges Jahr", sagt Michael Kiel, der hiesige Produktionschef, in der Rückschau.

Umbrüche und Zeitenwenden gab es in der 101-jährigen Geschichte am Wienerberg also wiederholt. 300.000 elektronische Komponenten wie Wandleser und e-Zylinder sowie 100.000 elektronische Identifikationsmedien fertigt Evva heute im Jahr. Mit Traditions- und Standortverbundenheit, wie man sie inmitten der Großstadt nicht mehr oft erlebt - drei Gehminuten vom Meidlinger Bahnhof und einer waschechten Shoppingmeile entfernt.

Aber auch internationaler Spannweite - man unterhält zehn Niederlassungen -, Erlöskraft (Umsatz 2019: 84 Millionen Euro) und Innovationsstreben.

Dabei wird Produktionsexzellenz am Standort - man sieht es in der Arbeitsvorbereitung, der Kleinteileproduktion auf kurvengesteuerten Drehmaschinen oder in der Elektronikfertigung - groß geschrieben. Das hat Gründe. Ausgehend von 2012 bis 2023 verordnete sich der Standort einen Change Prozess, jedes Jahr brachte seither einen neuen Schwerpunkt der Optimierung. Was am Anfang "hart und herausfordernd für uns war" (O-Ton Michael Kiel), hat zu durchschlagenden Verbesserungen geführt, von denen das Unternehmen noch lange zehren wird können.

Etwa den Meriten des abgestimmten Kennzahlensystems, 2013 eingeführt. Der Einführung des Wertstromgedankens 2014. Oder dem Fokus auf Automatisierung, der seither 160 Projekte, 120 davon bereits umgesetzt, lostrat.

Die Anlagenverfügbarkeit - vor allem den Hauptmaschinen wie der neuen Rundtaktmaschine Felix II, die schmierölfrei und ohne Emulsion arbeitet - wurde seit 2016 kontiniuerlich gesteigert und befindet sich nun auf Top-Niveau. Die Recycling-Strategie ist dabei patent: Nicht nur Abwässer aus der Galvanik, auch Metallspäne werden zur Gänze rezykliert.

Und weil man weiteres Wachstum erstrebt, wird ausgebaut. Ein Grundstück für die flächenmäßige Aufstockung der Produktion ist schon gefunden. Management und Inhaber gaben unlängst grünes Licht für einen 3.000 Quadratmeter großen Zubau am Standort Wien, zusätzlich sind in Krefeld und Tisnov Erweiterungen auf Schiene.

"Eine gewisse positive Unruhe steckt in uns", sagt Kiel. Die hohen Standards aus Wien sollen auch in Niederlassungen wie etwa in Deutschland ausgerollt werden.

RIKA INNOVATIVE OFENTECHNIK, ADLWANG: Die fabelhaften Fließfertiger

Mit raffinierten Ansätzen des Lean-Managements schafft das Adlwanger Rika-Werk bei der Ofenherstellung eine Benchmark.

50 unterschiedliche Ofenmodelle, in zig Varianten nach persönlicher Vorliebe individualisierbar: Beim Thema Varianz spielt der oberösterreichische Ofenhersteller Rika, 1951 gegründet und heute in zweiter Generation von Karl Riener geführt, seine gesamte Routine aus. „Heizen mit Pellets und Scheitholz ist CO2-neutral, weshalb wir auch sehr stolz sind, mit unseren Öfen einen wesentlichen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten“, so Rika-Eigentümer Karl Riener. Die Feier des 70-jährigen Bestandsjubiläums nächstes Jahr markiert für den Pionier bei Pellets- und Kombiöfen mit 80 Mitarbeitern am Produktionsstandort Adlwang nicht nur einen besonderen Moment - er ging auch einher mit einer millionenschweren Investition in die Weiterentwicklung der Produktion, "die uns imposante Effizienzsprünge ermöglicht", erzählt Tomislav Dramac, der hiesige Produktionsleiter.

Motto: Als Premiumhersteller nicht nur bei den Produkten und deren wohligem Flammenspiel, sondern auch in der Produktion Exzellenz an den Tag zu legen. Und so montiert man am Standort nach dem Lackieren und der Vormontage auf zwei neuen teilautomatisierten Montagebändern in Fließfertigung täglich 100 bis 120 Öfen "mit Ansätzen des Lean Managements" (O-Ton Dramac), wie man es eigentlich eher aus der Automobilindustrie kennt.

Das ist kein Zufall: Das Wertschöpfungssystem der Oberösterreichers - bildhaft als Flamme visualisiert - umfasst als Kernelemente das Lean Management, die smarte Automatisierung und die Digitalisierung. Und so ist Adlwang nicht nur einer der ältesten Marien-Wallfahrtsorte Oberösterreichs, sondern auch ein fruchtbarer Boden für stete Optimierung. Etwa nach der 5S- sowie A3-Methode, mit der Prozess- und Qualitätsparameter weiter nach oben geschraubt werden.

Oder dem japanischen Heijunka-Prinzip, das hilft, den Produktionsfluss des Ofenerzeugers mengenmäßig zu glätten. Und so bringt Dramac` und Werksleiter Peter Schwarzenbergers Vision, den Mitbewerb auch im Prozesswesen auf Abstand zu halten, erstaunliches zutage. Etwa durch eine "nahezu mannlose" (O-Ton Dramac) Logistik, bei der smarte Transport-Roboter direkt an die modernen Montagelinien angebunden sind und so seinesgleichen in der Branche sucht.

Entsprechend zuversichtlich können die Oberösterreicher, die bisher - auch dank starker Exportmärkte wie Frankreich - dem Krisenwind trotzten, in das lukrative Herbstgeschäft gehen. Mit digitalen Features wie einer Sprach- und Fernsteuerung durch Amazons Alexa - und einer nicht minder digitalisierten Produktions- und Prozesswelt. So unterstützt ein digitales Assistenzsystem Mitarbeiter mittels Bildschirmen "am Ort der Wertschöpfung", erzählt Tomislav Dramac.

Dieses leitet automatisiert Prüfschritte ein oder hilft durch Videoinhalte bei der Montage. Zudem hat jeder produzierte Ofen seinen digitalen Lebenslauf, Daten wie die Umgebungstemperatur, Qualitätskriterien oder welcher Mitarbeiter ihn montiert hat, werden dokumentiert. "Weil einerseits die Rückverfolgbarkeit gewährleistet sein soll", so Dramac. Aber auch, weil man sich zuletzt stärker "auf das Feld der Datenanalyse" begab.

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