Brexit : Boris Johnson: Brexit wird ein "unfassbarer Erfolg"

Großbritannien
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Der britische Premierminister Boris Johnson will den Brexit zu einem "unfassbaren Erfolg" machen. Das sagte Johnson am Freitagabend in einer im Internet veröffentlichten Ansprache an die Nation kurz vor dem Austritt seines Landes aus der Europäischen Union um Mitternacht mitteleuropäischer Zeit.

Der Brexit bietet laut Johnson die Chance, das "volle Potenzial Großbritanniens zu entfesseln". Gleichwohl räumte Johnson ein, dass der Weg dorthin holprig sein könnte. "Es ist ein Moment der echten nationalen Erneuerung und des Wandels", erklärte der Premier. Seine Aufgabe sei es nun, "dieses Land wieder zusammenzubringen".

"Egal wie holprig der vor uns liegende Weg sein wird, ich weiß, dass wir es schaffen werden", betonte Johnson. "Wir haben dem Volk gehorcht und uns die Mittel genommen, damit wir uns wieder selbst regieren können."

Kontrolle der Einwanderung als erstgenanntes Motiv

Die Europäische Union habe sich nämlich "bei all ihren Stärken und bewundernswerten Vorzügen im Zeitraum von 50 Jahren in eine Richtung entwickelt, die nicht mehr zu diesem Land passt", rechnete Johnson mit der EU-Mitgliedschaft Großbritanniens ab. "Und das ist ein Urteil, das Sie, das Volk, an der Urne bestätigt haben. Nicht einmal, sondern zwei Mal", sagte er in Anspielung auf das Brexit-Referendum im Jahr 2016 sowie seinen Sieg bei der Unterhauswahl im Dezember.

Johnson äußerte zugleich Verständnis für die EU-Befürworter, die nun "ein Gefühl der Angst und des Verlust" verspürten und versprach eine "neue Ära der freundschaftlichen Zusammenarbeit" mit der Europäischen Union.

"Heute ist nicht ein Ende, sondern ein Anfang"

Neuerlich strich der Premierminister dabei die Chancen hervor, die der Brexit dem Vereinigten Königreich bringe. "Heute ist nicht ein Ende, sondern ein Anfang. Das ist der Augenblick, in dem ein neuer Tag anbricht und sich der Vorhang für einen neuen Akt in unserem großartigen nationalen Drama hebt", sagte Johnson. Es gehe darum, die "neuen Kompetenzen" und die "zurückerlangte Souveränität" für einen Politikwechsel im Sinne des Wählerwillens zu nutzen, nannte Johnson konkret die Kontrolle der Einwanderung, die "Befreiung" der Fischerei-Industrie oder den Abschluss von Freihandelsabkommen. "Oder einfach, um Gesetze oder Regeln zum Vorteil der Menschen dieses Landes zu machen", fügte Johnson in Anspielung auf das EU-Recht hinzu.

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Die Regierung hatte nur Feiern ohne viel Pomp zum Zeitpunkt der historischen Zäsur um 23 Uhr Ortszeit angesetzt - ohne Geläut von Big Ben, nur mit britischen Flaggen am Parliament Square und einem projizierten Countdown am Regierungssitz. Bei einem Empfang in der Downing Street sollten englischer Schaumwein und britische Spezialitäten gereicht werden.

"Großbritannien wird die EU mit wehenden Fahnen verlassen"

Nach der letzten Wahl in Großbritannien, die den Kurs des Brexiteers Boris Johnson deutlich bestätigt hat, kommentierte hier der deutsche Publizist Gabor Steingart das Ergebnis wie folgt: "Die britische Unterhauswahl war exakt jenes zweite Referendum, das sich die Festland-Europäer immer gewünscht hatten. Nur der Erdrutschsieg des Boris Johnson, dessen Partei die absolute Mehrheit im Unterhaus eroberte, hat die Spitzen in Berlin, Brüssel und Paris kalt erwischt. Jetzt erst erkennen sie: Großbritannien wird die EU nicht unter Schmerzen, sondern mit wehenden Fahnen verlassen."

"Vorsätzliches Nichtverstehenwollen der EU"

Kanzlerin Angela Merkel, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen hätten dem Kommentar zufolge ein Interesse daran, die britischen Wähler "wahlweise als töricht, bösartig oder tollkühn erscheinen zu lassen" - um sie so vorsätzlich nicht verstehen zu wollen. Dabei würden sich die Briten keineswegs von der Welt, sondern nur von einer EU abwenden, in der Regulierung dominiere.

Auch sei die Behauptung, Großbritannien sei in Zukunft isoliert, ein oft wiederholtes Missverständnis. Die tiefe Verbundenheit mit der früheren Kolonie USA sichere den Briten "einen Logenplatz in der Weltwirtschaft". Und britischen Konzernen wie HSBC (12,3 Milliarden Euro Jahresgewinn in 2018), British Tobacco (7,4 Milliarden Euro), Shell (21 Milliarden Euro) und British Petroleum (8,4 Milliarden Euro) könnten nur wenige deutsche Unternehmen das Wasser reichen. (dpa/AFP/Reuters/apa/red)

(dpa/AFP/Reuters/apa/red)