Materialwirtschaft : BMÖ-Umfrage unter Einkaufsmanagern: "Weniger Asien, mehr Europa"

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© APA/dpa/Stefan Puchner

Laut einer Umfrage des österreichischen Einkäuferverbands BMÖ rechnet eine Mehrheit der Befragten in österreichischen Betrieben, "mindestens bis Jahresende" im Krisenmodus operieren zu müssen. Etwa ein Drittel der Befragten kann die negativen Auswirkungen noch nicht genau beziffern, 40 Prozent erwarten Umsatzrückgänge von mehr als zehn Prozent. Kleinere Unternehmen sind in größerem Ausmaß betroffen.

Auch geht die Mehrheit der Befragten davon aus, dass bis zu einer Normalisierung mehr als neun Monate verstreichen werden. Dieses Ergebnis deckt sich mit der jüngsten Analyse des Münchner Ifo-Instituts, wonach auch in der deutschen Industrie eine Mehrheit der Einkaufsmanager erst in zehn Monaten mit einer Erholung rechnet. Aktuell dazu: Ifo-Institut: Deutsche Industrie rechnet erst Mitte 2021 mit Erholung >>

An der Befragung des BMÖ haben 55 Menschen teilgenommen. Nach einer ersten Analyse im April ist dies die zweite Umfrage des Bundesverbands Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik (BMÖ) zu den Auswirkungen der Coronakrise. Weitere Themen waren auch die Beziehungen zwischen Lieferanten und Kunden sowie Entwicklungen in der Digitalisierung. An der Erstellung der Umfrage waren die Unternehmensberatung Stöhr Faktor und die International School of Management aus Deutschland beteiligt. Details zur ersten Umfrage hier: BMÖ-Umfrage unter Einkaufsmanagern: Risiken steigen stark >>

"Weniger Asien, mehr Europa"

Die Schlussfolgerung des Verbands: Den Bereichen Einkauf und Lieferkettenmanagement werde in Zukunft eine deutlich größere Bedeutung zukommen. Viele Unternehmen würden demnach ihre Einkaufsstrukturen ändern. Das neue Motto: "Weniger Asien, mehr Europa".

"Es ist wahrscheinlich, dass in Folge von Covid-19 mehr Unternehmen in Schwierigkeiten geraten, als zunächst angenommen wurde", so der Kommentar von Heinz Pechek, geschäftsführender Vorstand, BMÖ, zu den Ergebnissen. In den Bereichen Einkauf und Management der Lieferketten komme es daher darauf an, "sehr viel stärker als bisher auf finanzielle Stabilität und technologische Zukunftsfähigkeit ihrer Lieferanten zu achten. Preise sind zu relativieren. Das Virus sollte als Katalysator dienen", so Pechek weiter. Unternehmen würden demnach sich selbst schaden, wenn sie jetzt nicht ausreichend Budgets für die Digitalisierung im Einkauf und in den Lieferketten zur Verfügung stellen würden. In diesem Zusammenhang betont der BMÖ, die Digitalisierung "mit einer Vielzahl von Initiativen und Programmen" zu unterstützen.

Dem Verband zufolge sind bei der Bewertung von Risiken der Liefermärkte und der Lieferanten "professionelle Simulationsmodelle" unabdingbar, ebenso der gezielte Aufbau neuer Bezugsquellen. Der Einkauf müsse in Zukunft auch an der Frage beteiligt werden, ob Komponenten und Technologien zugekauft oder selbst hergestellt werden sollen ("make or buy").

Betriebe reagieren bereits

Offenbar reagieren die Betriebe bereits auf die neuen Schwierigkeiten in ihren Lieferketten. Der Umfrage zufolge ortet mehr als die Hälfte unter den 55 Befragten einen Änderungsbedarf bei der Beschaffungsstrategie. "Vor allem in Asien wird das Beschaffungsvolumen mittelfristig zurückgefahren, der Stellenwert der regionalen Beschaffung nimmt deutlich zu", schreiben die Autoren der Studie. Demnach gelte es, "die eigene finanzielle Stabilität und zumindest die der wichtigsten Lieferanten zu analysieren, um die Versorgung auch in kommenden kritischen Situationen absichern zu können", heißt es weiter. Folgend einige ausgewählte Ergebnisse:

Lieferketten und Strategien

Knapp 70 Prozent der Befragten berichten von Verzögerungen in der Lieferkette und jeder zweite Befragte von Lieferausfällen. Bei 46 Prozent kam es zu Beeinträchtigungen durch Produktionstopps ihrer Lieferanten.

Handlungsbedarf sehen Einkaufsmanager in den Bereichen Digitalisierung (65 Prozent), Risikomanagement (62 Prozent), Lieferantenmanagement (62 Prozent) und Prozesseffizienz (55 Prozent). Mit Abstand folgen Liquiditätsmanagement, Sachkostenreduzierung und Nachhaltigkeit.

38 Prozent sahen sich mit höheren Preisen konfrontiert; 17 Prozent mussten auf Qualitätsmängel und 13 Prozent auf Lieferanteninsolvenzen reagieren.

43 Prozent haben vertragliche Vereinbarungen ausgesetzt; 24 Prozent unterstützen Lieferanten durch Abnahme von Produkten trotz gesunkenem Bedarf; 22 Prozent haben Vorauszahlungen geleistet.

28 Prozent wollen ihre Beschaffung auf Bestellungen bei "parallelen" Quellen umstellen.

64 Prozent werden weiter in bestehenden Regionen agieren; 24 Prozent wollen regionale Beschaffung stärken.

Im asiatischen Raum wird das Beschaffungsvolumen mittelfristig reduziert; etwa in China -18 Prozent, Indien -20 Prozent, Rest-Asien sowie Russland je -17 Prozent und Nordamerika -14 Prozent.

Von der Verlagerung profitieren Europa und Osteuropa (je 16 Prozent)

Alternativlieferanten in Europa sind im Schnitt teurer, liefern aber vergleichbare oder bessere Qualität; hierfür und für eine bessere Versorgungslage ist man bereit, mehr zu zahlen.

Digitalisierung

Im operativen Einkauf und im Einkaufscontrolling ist die Digitalisierung am weitesten fortgeschritten; ein Großteil nennt Technologien wie eInvoicing, Data und Process Mining.

Technologien wie der künstlichen Intelligenz und Blockchain werden hohes Entwicklungspotenzial bescheinigt

In Sachen Lieferantenmanagement und Echtzeit-Berichterstattung werden mehr bzw. bessere technische Lösungen gewünscht

Größte Hindernisse der Digitalisierung: mangelnde Kompatibilität zu Schnittstellen und Systemen (55 Prozent), nicht ausreichendes Investitionsbudget (49 Prozent), mangelnde Datenqualität bzw. Datentransparenz (43 Prozent) und festgefahrene Arbeitsweisen (40 Prozent).

(red)