Strompreise : Anzengruber: Diskussion um Strompreiszone in der entscheidenden Phase

Die Diskussion um eine mögliche Trennung der Strompreiszone zwischen Österreich und Deutschland ist derzeit in einer intensiven Phase, der Ausgang ungewiss, erklärte Verbund-Chef Wolfgang Anzengruber diese Woche. Anzengruber hofft weiterhin auf eine Beibehaltung. Er glaube, es wäre immer noch Raum, einen Kompromiss zu finden, ob es gelinge - "das hoffen wir".

Auf die Frage, wie realistisch er eine Beibehaltung sehe, meinte er: "Die Hoffnung stirbt zuletzt." Die Gespräche seien auf der regulatorischen und politischen Ebene. Wenn es zu einem engen Engpass komme, drohe in Österreich eine signifikante Strompreiserhöhung, was sich auch auf den Standort negativ auswirke.

Technisch gibt es keinen Engpass

Technisch gebe es an der deutsch-österreichischen Grenze keinen Engpass, dieser sei in Mitteldeutschland, betonte Anzengruber heute bei der Bilanzpressekonferenz. Derzeit fließt Strom zwischen Österreich und Deutschland unlimitiert. Sollte ein solcher Engpass eingeführt werden, wie dies die deutsche Bundesnetzagentur und auch die europäische Regulierungsagentur Acer vorsehen, würde die seit Anfang des Jahrtausends bestehende Strompreiszone zwischen Österreich und Deutschland getrennt.

Wie stark die Strompreise in Österreich steigen könnten, hänge vom Ausmaß der Reduktion ab, so Anzengruber. Studien hätten ergeben, dass es bei einer Grenze von 4.000 bis 5.000 Megawatt (MW) um 10 bis 15 Prozent höhere Strompreise in Österreich geben könnte. Derzeit betrage die technische Übertragungskapazität 10.000 MW.

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Für den Verbund selbst wäre eine Trennung per Saldo wohl "einigermaßen ausgeglichen". Höhere Strompreise würden in der Wasserkrafterzeugung helfen, ein Nachteil wäre aber eine geringere Teilnahme am Regelenergiemarkt.

Der Verbund hat im abgelaufenen Geschäftsjahr 2016 aus sogenannten Flexibilitätsprodukten zur Stabilisierung wie Engpassmanagement, Regelreserveprodukten, Netzdienstleistungen und Pump- und Wälzbetrieb 128 Mio. Euro erzielt, nach 148 Mio. Euro 2015.

Die Verbund-Netztochter APG ist in Österreich für die Stabilisierung der Übertragungsnetze zuständig und kann daher auch mehrjährig Kraftwerkskapazitäten reservieren.

Das grüne Licht der EU-Kommission für ungarische Staatsbeihilfen zum Ausbau des AKW Paks bezeichnete Anzengruber als einen "falschen Weg", weil es "ein Rückschritt" wäre in Bezug auf den ambitionierten Weg der Energiewende.

Dass man sich als Verbund einer Klage gegen die Brüsseler Entscheidung anschließe, sei "eine der Möglichkeiten": "Das kann ich mir vorstellen. Das muss man prüfen", sagte er gegenüber dem Hörfunk des ORF. Anzengruber kritisierte, dass es bei Atomstrom keine Kostenwahrheit gebe.

Der börsennotierte Stromkonzern Verbund prüft für das Gaskraftwerk im steirischen Mellach derzeit noch alle Optionen. Die Prüfung soll in den nächsten Tagen abgeschlossen werden. Eine Entscheidung, ob oder wie eine eventuelle Verkaufsoption zum Tragen komme oder nicht, werde noch vor der am 5. April stattfindenden Hauptversammlung bekanntgegeben, kündigte Konzernchef Wolfgang Anzengruber an.

Derzeit sei die Analysephase noch nicht abgeschlossen. Es seien aber im vergangenen Jahr alle offenen Themen im Zusammenhang mit dem Gas-Kombi-Kraftwerk Mellach bereinigt worden, es bestehe kein Risiko mehr für die Zukunft.

Beim Kraftwerksstandort Mellach herrschten nun ein vernünftiges Einvernehmen und eine gute Basis für die weitere Entwicklung. Das Steinkohlekraftwerk werde voraussichtlich früher als im bisher geplanten Jahr 2020 geschlossen, so Anzengruber bei der Bilanzpressekonferenz während dieser Woche. Das Gaskraftwerk in Mellach habe in den ersten zwei Monaten des Jahres zur Aufrechterhaltung der Versorgungssicherheit beigetragen, es müssten aber auch die Kosten berücksichtigt werden, so Anzengruber.

Der Verbund bekennt sich zur CO2-freien Stromerzeugung. Aktuell sei die Erzeugung bereits zu 96 Prozent CO2-frei, so Anzengruber.

Talfahrt der Strompreise im Großhandel setzt sich fort

Die Talfahrt der Stromgroßhandelspreise hat sich auch im vergangenen Jahr fortgesetzt. Dies habe durch höhere Wasserführung als im Jahr davor, durch weitere Effizienzsteigerungen und Kostensenkungen kompensiert werden können, so dass die Ergebnisse gesteigert wurden, so der Verbund-Vorstand. Die Maßnahmen zur Kostensenkung und Effizienzsteigerung führten zu nachhaltigen Verbesserungen im Konzern, betonte Finanzvorstand Peter Kollmann.

Der Wasserkraft-Erzeugungskoeffizient lag im Vorjahr mit 1,00 genau im langjährigen Mittel, 2015 waren es nur 0,93 Prozent. Der durchschnittliche Strompreis lag 2016 bei 31 Euro je Megawattstunde (MWh), 2015 waren es noch 35 Euro. Eine Veränderung bei den Großhandelspreisen um 1 Euro/MWh wirkt sich im Konzernergebnis mit 4,4 Mio. Euro (Erneuerbare Erzeugung) aus, eine 1-prozentige Veränderung bei der Wasserkrafterzeugung mit 4,9 Mio. Euro.

Verschuldung um eine Milliarde Euro gesunken

Die Verschuldung habe der Verbund innerhalb von zwei Jahren um fast 1 Mrd. Euro reduziert, so Kollmann. Der Free Cashflow vor Dividende stieg 2016 im Vergleich zu 2015 um 5,3 Prozent auf 580,7 Mio. Euro. An Dividende werden für das Vorjahr 29 Cent (nach 35 Cent) je Aktie vorgeschlagen, das entspricht einer 30,9-prozentigen Ausschüttungsquote auf das bereinigte Konzernergebnis. Insgesamt werden an die Aktionäre etwas mehr als 100 Mio. Euro ausgeschüttet.

Mehrheitseigentümer des Verbund ist mit 51 Prozent die Republik Österreich. Zur Kürzung erklärte der Vorstand, der Verbund habe zahlreiche Maßnahmen ergriffen, wie Kostenreduktionen, Effizienzsteigerungen und auch die Maßnahmen auf der thermischen Seite. Es sei um die Stärkung des Unternehmens gegangen, um Schuldenreduktion und die Kraft, sich den Herausforderungen der Zukunft stellen zu können. Der Verbund habe noch nie Verluste geschrieben, betonte Anzengruber.

Für heuer wird ein EBITDA von rund 800 Mio. Euro erwartet, zum Teil wegen der Strompreise sowie leichten Rückgängen bei den Flexibilitätsprodukten und des Beitrags der Verbund-Netztochter APG.

Riesiges Pumpspeicherkraftwerk Reißeck II nimmt Betrieb auf

Investiert hat der Verbund im Vorjahr in der Erzeugung unter anderem in Windparks und Effizienzsteigerungen bestehender Kraftwerke, eröffnet wurde Anfang Oktober das Pumpspeicherkraftwerk Reißeck II.

Als ein "teures Nebengeräusch" bei den Investitionen bezeichnet der Verbund Ökologisierungsmaßnahmen mit 280 Mio. Euro bis 2025. Zum Beispiel beklagt der Energiekonzern beim oberösterreichischen Kraftwerk Ottensheim-Wilhering Kosten für die längste Fischwanderhilfe Europas.

Zukunftsweisende Innovationsprojekte für den Verbund, den es heuer seit 70 Jahren gibt, sieht Anzengruber unter anderem in Wasserstoffkooperationen wie mit der Voestalpine, Elektromobilität und - angesichts immer stärkerer Dezentralisierung der Stromerzeugung - in "smarten" Netzen. (apa/red)