Digitalisierung : 5 Schritte zum digitalen Geschäftsmodell

Es gehörte über Jahrzehnte zum strengen Exerzierreglement in der Industrie: Mit selbst auferlegten Wachstumsprogrammen sorgten Unternehmen für Auslastung und Innovationsführerschaft. Es waren zufriedene Jahre, mit einer simplen, aber einleuchtenden Optimierungslogik: Die Produkteffizienz schrittweise in immer lichtere Höhen zu führen, wurde von den Kunden all die Jahre honoriert. Damit ist in absehbarer Zeit nicht mehr zu rechnen. Die rasante Amour fou zu neuen Technologien, die Digitalisierung mit ihren smarten Geschäftsmodellen und digitalen Diensten, die Marken und ganze Märkte durcheinanderwirbeln, dulden keinen Aufschub: In den Managementboards müssen weitere Denkschleifen eingezogen werden, wo die digitale Zukunft hinführen soll, müssen Innovationspredigten und Slogans durch Taten ersetzt werden. Und vor allem: „Die Unternehmen müssen den Konsumenten viel stärker ins Blickfeld rücken“, sagt Heinz Marx, Geschäftsführer des Industrieberaters Syngroup.

Vorstandsetage ist gefordert

Sich einen kleinen Kick Progressivität zu holen, sei laut Marx zu wenig. Unternehmen müssten den Regelkreis klassischer Produktlebenszyklen durchbrechen, Produkte in Dienstleistungen transformieren – und sollten dafür in der Organisation eine Kultur des Scheiterns etablieren. Projektbezogen sollte die Vorstandsachse demzufolge fünf Phasen der Digitalisierung verinnerlichen.

1. Schaffen Sie digitale Funktionalitäten

Erst die Anreicherung mit digitalen Funktionen macht aus Ihrem potenziell disruptiven Produkt ein intelligentes – durch Sensorik, die kontinuierlich Nutzungsdaten liefert. Diese Fundamentaldaten stehen zunächst nur Usern selbst zur Verfügung. Bei Fahrzeugen etwa können das Informationen zur Fahrstrecke, Motordaten oder Daten zum Akkustand sein. Diagnosefunktionalitäten generieren zusätzlichen Mehrwert: Sie liefern frühzeitig Fehlfunktionen und geben Empfehlungen zur Behebung ab.

2. Vernetzen Sie das Produkt mit anderen

Im nächsten Schritt muss der Aufbau einer IT-Infrastruktur folgen. Die Daten einzelner Produkte gehören mit dem System – und untereinander – vernetzt. Auf diese zentral in Cloud-Umgebungen erfassten Daten können nun alle Nutzer zugreifen. Der Funktionsumfang ist größer: Denkbar sind anonymisierte Auswertungen und Dienstleistungen, die digital über Smartphones oder andere Endgeräte zur Verfügung gestellt werden. Auswertungen über eine gesamte Fahrzeugflotte hinweg – mit dem Fokus auf Auslastung, Verbrauch, Kosten oder andere Parameter – werden möglich. Dazu erfolgen automatisierte Benachrichtigungen über anstehende Wartungen, Fernwartung inklusive.

Möglich macht die Analyse des Nutzerverhaltens damit eine Optimierung des Produkts. In dieser Phase sind schon alle Voraussetzungen für eine Plattform geschaffen: vernetzte Produkte und Infrastruktur.

3. Werden Sie ein Plattformer

Der Sprung vom vernetzten Produktsystem zur „echten“ Plattform, über die alle Prozesse und Services automatisiert abgewickelt werden, ist die nächste Etappe. Die Plattform ist die Drehscheibe für neue digitale Geschäftsmodelle. Zunächst kostenlose Dienstleistungsangebote fördern den Verkauf physischer Produkte. Mittelfristig folgen bezahlte Dienstleistungsangebote, eine indirekte Finanzierung über Werbeeinnahmen, eventuell auch eine Monetarisierung von Nutzerdaten. An die Stelle von Kauf oder Leasing von Fahrzeugen treten etwa nutzungsbasierte Abrechnungsmodelle auf Basis gefahrener Kilometer oder Akkuladungen. Das komplette Management der Flotte kann ein Serviceangebot sein.

Die Dienstleistungsplattform hebt die Abhängigkeit vom Produkt auf, weil sie ein dauerhaftes Bedürfnis einer Zielgruppe adressiert. Mit einer flexiblen Infrastruktur ist es nun relativ einfach, weitere Produkte in die Plattform zu integrieren.

4. Adaptieren Sie Ihre Produktion

Die Transformation der Produkte setzt voraus, die Produktion auf die neuen Anforderungen umzustellen und auf das neue Geschäftsmodell abzustimmen – vom Verbau von Sensoren bis zu einer stärker dezentralen Fertigung.

5. Bilden Sie Ideen-Netzwerke

Schließlich muss auch die Organisation im Betrieb angepasst werden. Sinnvoll ist hier einerseits die Beibehaltung klassischer Hierarchien im Unternehmen, andererseits sollten aus der Linienorganisation heraus Netzwerke für spezielle Projekte entstehen – über alle Hierarchieebenen hinweg und freigespielt vom Tagesgeschäft. Diese Gruppen müssen hohes Ansehen im Haus genießen, um den so wichtigen Rückschluss zum Stammunternehmen zu erhalten. Auch die Kooperation mit Start-ups sollte eine Option sein.