Stromnetze : 380-kV-Leitung durch Salzburg: Flachgauer Gemeinden wehren sich

Die Gemeinden Koppl und Eugendorf im Flachgau haben sich im Kampf gegen die Errichtung der 380-kV-Salzburgleitung als Freileitung einen Rechtsexperten ins Boot geholt. Universitätsprofessor Nicolas Raschauer kam in seinem Privatgutachten zu dem Ergebnis, dass nach einem EuGH-Urteil vom August 2018 das Bundesverwaltungsgericht das Ermittlungsverfahren in der Salzburger Causa wiedereröffnen muss.

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat in dem Urteil festgestellt, dass für die oberösterreichische 110-kV-Leitung Vorchdorf-Kirchdorf neuerlich geprüft werden muss, ob eine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) nötig ist.

Privatgutachten eines Rechtsexperten

Raschauer, Professor an der Universität Liechtenstein, verwies in seinem Gutachten auf dieses Urteil. Der EuGH habe klargestellt, dass Trassenaufhiebe für die Errichtung von elektrischen Leitungsanlagen Rodungen darstellen und bei der Prüfung der Umweltverträglichkeit von einschlägigen Projekten zu berücksichtigen seien. Daher sei, was die Salzburgleitung betreffe, das Ermittlungsverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht entsprechend zu ergänzen, erklärte er bei einer Pressekonferenz in Salzburg.

Die Salzburger Landesregierung hat mit Bescheid vom 14. Dezember 2015 die geplante Salzburgleitung als Freileitung nach den Bestimmungen des Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetzes genehmigt. Die zwei Flachgauer Gemeinden und Bürgerinitiativen bekämpften den Bescheid am 25. Jänner 2016 mit einer Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht.

Die Salzburger Regierung sei davon ausgegangen, dass es sich bei Trassenaufhieben im Ausmaß von rund 600 Hektar um keine Rodungen handle, die betroffenen Böden würden keiner neuer Nutzung zugeführt werden, erläuterte der Professor.

"Ermittlungsverfahren muss wiedereröffnet werden"

"Die Salzburger Landesregierung ging lediglich von rund 200 Hektar relevanten Rodungen aus." Er verwies auf das kürzlich ergangene EuGH-Urteil und bestätigte die Ansicht der Gemeinden und Bürgerinitiativen, wonach die Rechtsauffassung der Landesregierung "obsolet und rechtlich nicht mehr vertretbar sei". Bei Trassenaufhieben handle es sich unzweideutig um Rodungen gemäß Bestimmungen des UVP-G-2000 und des Forstgesetzes, konstatierte Raschauer.

Das Bundesverwaltungsgericht - die Berufungsverhandlung fand im Juli 2017 in Wien statt, eine Entscheidung steht noch aus - müsse deshalb dieses EuGH-Urteil berücksichtigen, weiters die "rechtlich nicht mehr zutreffende Ansicht der Salzburger Landesregierung korrigieren und von einer Rodungsfläche von insgesamt rund 800 Hektar anstatt von lediglich 200 Hektar ausgehen", erläuterte Raschauer.

Neuer Antrag heuer im August

Die Gemeinden Koppl und Eugendorf sowie die angeschlossenen Bürgerinitiativen beantragten am 20. August 2018 die Wiedereröffnung des Ermittlungsverfahren und legten Anfang September dem Bundesverwaltungsgericht das Privatgutachten von Raschauer vor. Sollte das Bundesverwaltungsgericht das Ermittlungsverfahren doch nicht wiedereröffnen, werde die gerichtliche Entscheidung allein aus diesem Grund rechtswidrig sein, wurde bei der Pressekonferenz betont.

Das Gericht könnte auch auf die erste Instanz, die Landesregierung, zurückverweisen, sagte Adolf Concin, Rechtsanwalt der Gemeinden Koppl und Eugendorf. Die Betroffenheit der Bürger sei nach wie vor groß, sagte der Koppler Bürgermeister Rupert Reischl (ÖVP). "Die Leute wollen nicht, dass die Landschaft mit diesem Monsterprojekt verschandelt wird."

Viele Jahre dauernder Kampf der Anwohner gegen die riesige Leitung

Man könne aufgrund der Verfahrensdauer erkennen, dass sich das Gericht schwertue, Entscheidungen zu treffen. Reischl und sein Eugendorfer Amtskollege Johann Strasser (ebenfalls ÖVP) erklärten, dass die Gemeinden in ihrem mittlerweile sechs Jahre langen Kampf gegen die Freileitung und für eine unterirdische Verkabelung bisher jeweils 800.000 Euro in die Hand genommen hätten, also insgesamt 1,6 Millionen Euro. In Koppl seien das rund 145 Euro pro Bürger, "die Bevölkerung steht dahinter", sagte Reischl.

APG betont Wichtigkeit des Netzes

Der Projektbetreiber APG pocht auf die Bedeutung der Leitung für die Versorgungssicherheit. Die geplante Freileitung verläuft zwischen Elixhausen (Flachgau) und Kaprun (Pinzgau) und ist 113 Kilometer lang.

Die APG war im Juli 2017 von einem Investitionsvolumen von rund 650 Mio. Euro ausgegangen. Im Gegenzug zur Errichtung schreibt der UVP-Bescheid vor, dass rund 193 Kilometer an bestehenden 110- und 220-kV-Leitungen abgebaut werden müssen. (apa/red)