Chemische Industrie : Studien zu Glyphosat und Krebs zugänglich - aber nur "im Leseraum"

Monsanto hat auf die Forderung des EU-Kommissars für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, Vytenis Andriukaitis vom Montag reagiert. Andriukaitis wollte, dass die Glyphosat-Anbieter ihre Studien zu dem unter Krebsverdacht stehendem Stoff veröffentlichen. Man habe nun den Vorschlag gemacht, diese in einem Lesesaal zur Verfügung zu stellen", sagte Monsanto-Sprecher Thoralf Küchler der APA. Den Lesesaal nennt er dabei explizit "reading room".

Der weltgrößte Saatguthersteller werde dies in seiner Rolle als Mitglied Anbieter-Organisation Glyphosat Task Force (GTF) tun, sagte Küchler. Monsanto kündigte dies auf seinem Blog an. Laut dem Unternehmenssprecher sei konkret geplant, an den Standorten des deutschen Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) in Braunschweig und der Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) in Parma solche Leseräume einzurichten. Küchler sagte, dass dieser Schritt bereits in der Vorwoche angedacht worden sei.

Personen mit berechtigtem Interesse dürften Studien zu krebserregenden Eigenschaften lesen - andere nicht

Die 14 Studien zu krebserregenden Eigenschaften können dann von Personen mit berechtigtem Interesse an diesen Standorten eingesehen werden. Dass man diese nicht einfach so publiziere, sondern per Leseraum, ähnlich wie bei TTIP, zugängig mache, ist mit dem Konkurrenzschutz vor Drittfirmen zu erklären, sagte Küchler. Die Umsetzung des Plans hänge nun von der Akzeptanz von BVL, EFSA und Kommissar Andriukaitis ab. Letzter wünschte eine Veröffentlichung, da ein "bedeutsamer Teil der Zivilgesellschaft" wegen der unterschiedlichen Beurteilungen von Glyphosat durch die EFSA und die Internationalen Agentur für Krebsforschung (IARC) besorgt sei.

Daten hinter den Studien bleiben unter Verschluss

Keine Verbesserung durch diesen Vorschlag sah Global-2000-Chemiker Helmut Burtscher. "Solang die Pestizidindustrie nicht die Daten überprüfbar macht, mit denen sie die Sicherheit ihrer Produkte behauptet, verdient sie nicht das Vertrauen der Konsumenten". Burtscher forderte, dass die Zulassungen von Pestiziden überhaupt nur über publizierte Daten erfolgen solle, egal ob diese aus Industriestudien kommen oder nicht. "Es geht hier allein um die toxologischen Daten", daher seien Geschäftsgeheimnisse der Produzenten nicht betroffen.

EU entscheidet in wenigen Wochen

Über die Neuzulassung des Pestizids in der EU wird im Mai entschieden werden. Bei Monsanto gibt man sich optimistisch, die Frage laute hier nur noch "Wann?". Man gehe davon, dass das Unkrautvernichtungsmittel auch nach dem Ende der jetzigen Zulassung Ende Juni 2016 erlaubt sein wird. Wäre dies der Fall, wäre laut Global 2000 aber der gefahrenbasierte Ansatz der 2009 beschlossenen EU-Pestizid-Verordnung ignoriert. Diese basiere auf dem Vorsorgeprinzip, indem "Stoffe mit der Eigenschaft (im Tierversuch nachgewiesen, Anmerkung), Krebs zu erzeugen, nicht zugelassen werden dürfen." (apa/pm)

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