Der Überblick : "Dieselgate" beschert VW höchsten Verlust der Firmengeschichte

Der Abgasskandal hat Volkswagen den größten Verlust in der Unternehmensgeschichte eingebrockt. Der Wolfsburger Konzern wies am Freitag für 2015 einen Nettoverlust von 1,4 Mrd. Euro aus. Verantwortlich dafür sind vor allem Rückstellungen von 16,2 Mrd. Euro, um die Last des "Dieselgate"-Skandals zu schultern.

Im Jahr zuvor hatte bei dem zwölf Marken - vom Motorrad bis zum Schwerlaster - umfassenden Fahrzeugimperium nach Steuern noch ein Gewinn von mehr als elf Milliarden Euro zu Buche gestanden.

Ohne die Belastungen durch den Skandal, die sich inklusive Restrukturierungen auf 16,9 Mrd. Euro summierten, hätte Volkswagen einen Gewinn von 12,8 Mrd. Euro erzielt. Damit schnitt der Konzern leicht besser ab als im Vorjahr.

Hohe Millioneneinnahmen für die Familien Porsche und Piech

Trotz des Rekordverlusts sollen die Stammaktionäre, darunter als größte die Familien Porsche und Piech sowie das Land Niedersachsen, eine kleine Dividende von elf Cent je Aktie erhalten. An die Vorzugsaktionäre sollen 17 Cent je Anteilschein fließen. Im Vorjahr waren an die Eigner 4,86 je stimmrechtsloser Vorzugs- und 4,80 je stimmberechtiger Stammaktie gezahlt worden.

So ist die von den Familien Porsche und Piech kontrollierte Holding vom Verlust bei Volkswagen betroffen. Doch der Jahresüberschuss werde dank der im Geschäftsjahr 2015 vereinnahmten Dividende der Volkswagen AG für 2014 voraussichtlich trotzdem 871 Mio. Euro betragen.

Manager wollen weiter nicht auf Boni verzichten

Der Vorstand des VW-Konzerns stellt seinen Anspruch auf Bonuszahlungen nur in Teilen zurück und muss keinen endgültigen Verzicht in Kauf nehmen. Zwar behalte der Konzern etwa 30 Prozent der variablen Vergütung der Vorstände ein. Das Geld werde aber in Aktien umgewandelt und geparkt, erklärte der VW-Aufsichtsrat und niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) in Wolfsburg.

Nach Ablauf von drei Jahre werde geprüft, wie sich der Aktienkurs entwickelt hat. Liege der um ein Viertel über dem jüngsten Niveau, werde das Geld ausbezahlt, liege er darüber, gebe es sogar entsprechend mehr Geld zurück. Nur wenn der Kurs darunter liege, bekämen die betroffenen Vorstände das Geld nicht.

Umsatz legte weiter zu - trotz Abgasskandal

Der Umsatz legte trotz niedrigerer Auslieferungen um fünf Prozent auf 213 Mrd. zu. "Das operative Geschäft des Volkswagen Konzerns ist kerngesund", sagte Vorstandschef Matthias Müller. Die aktuelle Krise belaste VW sehr stark. "Wir haben aber den festen Willen und die Mittel, die schwierige Situation, in der wir uns befinden, aus eigener Kraft zu bewältigen." Das nötige Geld hat der Konzern: Die Nettoliquidität von VW lag zum Jahresende bei 24,5 Mrd. Euro.

Für das laufende Jahr stellte Müller wegen der weltweit unsicheren Weltwirtschaftslage und den Risiken durch den Abgasskandal einen Umsatzrückgang um bis zu fünf Prozent in Aussicht. Die operative Rendite soll zwischen fünf und sechs Prozent liegen. Die im DAX notierte VW-Aktie grenzte ihre Verluste nach der Bekanntgabe der Zahlen ein.

In den USA war vor sieben Monaten durch die Umweltbehörde EPA öffentlich gemacht worden, dass VW bei Diesel-Autos eine Schummelsoftware eingesetzt hat, um die Abgasvorschriften zu umgehen. Weltweit sind elf Millionen Fahrzeuge betroffen.

Durchbruch bei Verhandlungen mit US-Behörden

Nach langwierigen Verhandlungen hatte sich Europas größter Autobauer am Donnerstag mit den US-Behörden auf Grundzüge eines außergerichtlichen Kompromisses geeinigt. Dieser sieht den Rückkauf von bis zu einer halben Million Dieselfahrzeugen mit 2,0-Liter-Motoren und eine Entschädigung der Autobesitzer vor.

Alternativ soll Kunden eine Reparatur ihrer Wagen angeboten werden, sofern die US-Aufseher dafür grünes Licht geben. Zudem ist ein Fonds zur Förderung umweltfreundlicher Technologien vorgesehen. Die US-Regierung und Volkswagen haben nun bis zum 21. Juni Zeit, um Details einer Vereinbarung auszuarbeiten.

US-Justizministerium fordert weiterhin 46 Milliarden Dollar

Noch keine Einigung gibt es über die vom US-Justizministerium verlangte milliardenschwere Strafe wegen Verstößen gegen das US-Umweltrecht. Hier standen bis zu 46 Mrd. Dollar (40,51 Mrd. Euro) im Raum. Wegen der außergerichtlichen Einigung dürfte die Strafe nach Meinung von Experten geringer ausfallen.

Durch die Grundsatzvereinbarung in den USA bekommt VW mehr Zeit, um eine Einigung mit den zahlreichen Klägern zu erreichen, die Schadensersatz fordern. Beim Bezirksgericht in San Francisco sind hunderte Klagen von Autobesitzern und Händlern sowie von US-Behörden und dem US-Justizministerium gebündelt. Volkswagen hatte den amerikanischen Anwalt Kenneth Feinberg beauftragt, einen Entschädigungsfonds einzurichten. Mit dem Kompromiss kann er nun seine Arbeit beginnen.

Volkswagen verschiebt Zwischenbericht zu Ermittlungen

Die Veröffentlichung des eigentlich für Ende April angekündigten Zwischenberichts über die interne Suche nach den Verantwortlichen und die Hintergründe des Dieselskandals verschob Volkswagen am Freitag. Die Gespräche befänden sich in einer entscheidenden Phase, die ein Höchstmaß an Vertraulichkeit durch Volkswagen voraussetze, hieß es zur Begründung. (reuters/apa/red)