Wirtschaftswachstum : Präzisionsarbeit am Konjunkturaufschwung

Laser-Gravur auf Metall

Die Lohnstückkosten sind hierzulande davongaloppiert und Österreich ist heute von Ländern umgeben, die geringere Energiekosten und geringere Arbeitskosten haben, aber ähnlich hohe Arbeitsproduktivität.

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Das Tempo geopolitischer Veränderungen hat in den letzten zwei Jahren noch einmal Fahrt aufgenommen. Die Weltwirtschaft lässt die Covid-Pandemie nun hinter sich.

Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat seine Prognose für das Weltwirtschaftswachstum für 2024 von im Januar geschätzten 3,1 Prozent leicht auf 3,2 Prozent angehoben und geht für 2025 ebenfalls von 3,2 Prozent aus. In Österreich und in Deutschland hingegen sind die Vorzeichen andere. Hierzulande kann die Wirtschaft noch kaum vom weltweiten Aufschwung profitieren. Die Ursachen sind verpasste Reformen, fehlende Investitionen und fehlende wirtschaftspolitische Antworten auf sich rasch verändernde geoökonomische Gegebenheiten.

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62 Tigerstaaten mit über fünf Prozent Wachstum

Wo die Weltwirtschaft heute und in den nächsten Jahren wachsen wird, unterscheidet sich stark von vor zehn Jahren. Das globale Wachstum verschieb sich stark nach Südostasien und nach Afrika. Neben Ländern wie Indien und China sind vor allem Indonesien, Philippinen, Kenia, Tansania, Ghana und Mexiko die neuen Tigerstaaten mit über fünf Prozent Wachstum pro Jahr.

Diese Länder sind somit auch für Österreich die aufstrebenden Exportmärkte für das nächste Jahrzehnt. China, die USA und Indien stehen für rund 53 Prozent des globalen Wachstums. Aber dahinter folgt eine Reihe von Staaten, die bis vor Kurzem in einem Ranking der wachstumsstärksten Volkswirtschaften gar nicht vorgekommen wären.

Das globale Wachstum verschiebt sich stark nach Südostasien und nach Afrika.

Österreich und Deutschland bleiben auf der Strecke

Gegenüber europäischen Nachbarstaaten und vor allem gegenüber den USA verlieren die deutsche und die österreichische Volkswirtschaft an Dynamik. Die Wachstumsdifferenzen zeigen deutlich, dass nicht nur die USA, sondern auch EU-Länder wie Frankreich und Großbritannien eine stärkere Wachstumsdynamik haben.

Vielfach hatte das mit den hohen Energiepreisen zu tun. Die Stromspitzen aus dem Jahr 2022 sind zwar inzwischen überwunden, aber das Vorkrisenniveau ist nicht erreicht. Österreich ist in den letzten Jahren nicht schnell genug gewesen, seine Energieabhängigkeit von Russland zu überwinden und den Anteil eigener erneuerbarer Energien auszubauen. Vorreiter sind hier die Skandinavier. Island und Norwegen erreichten 2022 einen Anteil der erneuerbaren Energien am Bruttoendenergieverbrauch von 70 bis 80 Prozent. Der Ausbau der Energieinfrastruktur und die Diversifizierung von Energiequellen wird eine Hauptaufgabe für die nächste Bundesregierung werden.

Ein richtiges Problemfeld tut sich für Österreich inzwischen bei den Lohnstückkosten auf. 2022 lagen die Arbeitskosten bereits um 28 Prozent über dem EU-Durchschnitt und ist seither quasi exponentiell weiter gestiegen. Das zeigt eine Auswertung der Industriellenvereinigung auf Basis der Daten von Eurostat. In der Dekade vor 2022 stiegen die Arbeitskosten in Österreich um 31 Prozent, im EU-Durchschnitt nur um 25 Prozent. Die Lohnstückkosten sind hierzulande davongaloppiert und Österreich ist heute von Ländern umgeben, die geringere Energiekosten und geringere Arbeitskosten haben, aber ähnlich hohe Arbeitsproduktivität.

Teilzeit kostet Wohlstand

Hinzu kommt eine hohe Teilzeitquote, die sich dämpfend auf das Produktivitätswachstum auswirkt. Obwohl Teilzeitarbeit seine Berichtigung hat, sind die Wohlstandsverluste, die über ein Arbeitsleben entstehen, vielen einfach zu wenig bewusst. Im Schnitt macht die Differenz des kumulierten Bruttoeinkommens zwischen Vollzeitarbeit und Teilzeitarbeit auf ein Erwerbsleben gerechnet 300.000 bis 400.000 Euro aus. Mit anderen Worten: Durch Teilzeit verzichten die Österreicherinnen und Österreicher auf ein bis zwei Eigentumswohnungen im Leben.

Durch Teilzeit verzichten die Österreicherinnen und Österreicher auf ein bis zwei Eigentumswohnungen im Leben.

Gesundheits- und Sozialsystem kränkelt

Lange Zeit rühmten wir uns eines der besten Gesundheits- und Sozialsysteme zu haben. Inzwischen sind wir auch in diesem Bereich zurückgefallen. Sozialausgaben sind nicht mehr zukunftsfit und belasten das Staatsbudget strukturell immer mehr.

Handlungsbedarf gibt es vor allem beim Pensionssystem. Von aktuell 19,8 Mrd. Euro (4,6 Prozent des BIP) steigt die jährliche Finanzierungslücke des österreichischen Pensionssystems laut Bundesrechnungshof bis 2050 auf 72,3 Mrd. Euro (6,8 Prozent des BIP) an. Kumuliert man das Defizit der Pensionsversicherungsträger so müssen die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler bis 2050 rund eine Billion Euro (1.024,1 Milliarden Euro) zuschießen.

Im Gesundheitswesen gibt Österreich inzwischen zu viel für Therapie und zu wenig für Prävention aus. Schweden oder die Niederlande sind hier Best-Practice-Beispiele. Die fehlende Gesundheitsprävention wirkt sich ebenfalls auf die Wettbewerbsfähigkeit aus, etwa durch häufige und lange Krankenstände, durch vorzeitiges Ausscheiden aus dem Erwerbsleben und durch hohe öffentliche Gesundheitsausgaben.

Kumuliert man das Defizit der Pensionsversicherungsträger so müssen die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler bis 2050 rund eine Billion Euro (1.024,1 Milliarden Euro) zuschießen.

Rasche Lösungen

Um nötige wirtschaftspolitische Reformen umzusetzen, wird es natürlich einige Jahre dauern und weitere Jahre, bis erste Effekte erzielt werden. Umso wichtiger ist es, dass die Politik sich jetzt mit ihren Handlungsoptionen beschäftigt. Unter Einbindung der Sozialpartner sollte an einem Reformpaket für die Wettbewerbsfähigkeit Österreichs gearbeitet werden.

Rasche Infrastrukturausbauten im Energiebereich müssen erfolgen, um weitere Kapriolen auf den weltweiten Energiemärkten abzufedern. Neue Gaspipelines wie der WAP-Loop sind dafür essenziell. Ebenfalls sollte bei der Klimapolitik mehr Kosteneffizienz in den Fokus rücken. Mit Beimischungen von Biokraftstoffen lassen sich etwa Emissionsziele schneller und ohne Wertschöpfungsverluste erreichen. Die Wirtschaftspolitik muss zudem neue Wachstumsmärkte für die heimischen Exportbetriebe in den Fokus nahmen.

Die Exportwirtschaft wird auch in den nächsten 20 Jahren den Großteil unseres Wohlstandes erwirtschaften. Beispielsweise braucht es eine Afrika- und Sudostasien Strategie, um beim Aufschwung dieser Weltregionen rechtzeitig dabei zu sein. Auch innerhalb der EU sollten Länder wie Italien wieder stärker als Handelspartner in die Fokus genommen werden. Und schließlich braucht es einen Regulierungsstopp. Bürokratie ist schließlich jener politische Hebel, der in der Praxis den Unterschied macht, ob ein Land von weltwirtschaftlichen Veränderungen zeitnah profitiert, oder zurückfällt.

In der nächsten Regierungsperiode ist Präzisionsarbeit in der Wirtschaftspolitik gefragt.