Interview : "Problem kommt komplett aus China" - Arcelormittal-Manager im Interview

Tausende Arbeiter und Unternehmensvertreter der Stahlbranche protestieren in Brüssel gegen die Billigkonkurrenz aus China. Was genau treibt sie auf die Straße? Der Präsident des europäischen Stahlverbands Eurofer, Geert van Poelvoorde, erläutert die Forderungen der Branche. Van Poelvoorde arbeitet als Chef der europäischen Flachstahlsparte von Arcelormittal.

Vor welcher Herausforderung steht die Stahlindustrie in Europa?

Das Problem kommt komplett aus China, weil es da riesige Überkapazitäten gibt. Die liegen inzwischen bei 400 Millionen Tonnen. Zum Vergleich: In Europa liegt der gesamte Stahlverbrauch bei rund 150 Millionen Tonnen pro Jahr. Jetzt versuchen die Chinesen, ihre Überkapazitäten zu exportieren. Wie machen sie das? Sie setzen die Preise so niedrig an, dass die Konsumenten das kaufen müssen. Die gehen so tief, dass sie unter ihre Produktionskosten gehen. Da können europäische Unternehmen nicht mithalten.

Was kann die EU dagegen tun?

Anti-Dumping. Die EU-Kommission und die Länder Europas haben Anti-Dumping-Möglichkeiten. Aber die Verfahren sind sehr lang, das dauert bis zu 20 Monate, bis wir da ein Ergebnis haben. Bei so einem Tsunami wie mit chinesischem Stahl ist das viel zu lang. Und wenn die Zölle dann da sind, sind sie viel zu niedrig, um wirklich Schutz zu bieten. Dazu kommt noch die Diskussion um den Status einer Marktwirtschaft für China. Wenn China diesen Status bekommt, dann heißt das per Definition, dass das Land dann als Marktwirtschaft gilt, dass also Angebot und Nachfrage die Preise regeln. Dann können Anti-Dumping-Maßnahmen nicht mehr effektiv eingesetzt werden. Wir öffnen damit die Tür für China, das ist eine Lizenz zum Dumping ohne Beschränkung.

Verstoßen Zölle denn nicht gegen den Grundsatz des freien Handels?

Wir wollen freien Handel, wir haben auch nichts gegen chinesische Importe generell. Aber freier Handel heißt Handel mit gleichen Mitteln. Nach Kriterien der Welthandelsorganisation ist es verboten, Staatshilfe zu leisten. Aber wenn China massiv Staatshilfe gibt und den Stahl dann nach Europa schickt, dann ist das kein freier Handel mehr. Deswegen muss man diese Zölle so definieren, dass das Niveau der Preise der Importe wieder dem freien Handel entspricht.

(Von Simon Ribnitzky, dpa / APA/red)